Fugmann-Heesing mag keine Agrarsenatorin mehr sein

■ Die Finanzsenatorin wird 14.500 Hektar Stadtgüter-Flächen im Umland von Berlin europaweit zur Verpachtung ausschreiben. Verkauf scheidet aus. Entscheidung bis Juli 2000

Acht landwirtschaftliche Betriebe gehören dem Land Berlin – ein Kuriosum, dass sich durch den Mauerfall ergeben hat. Über 20.000 Hektar Alteigentum fielen dem Land zu, die seit 1990 von der landeseigenen Stadtgüter GmbH verwaltet werden. Auf den Wiesen grasen 12.517 Rinder, außerdem werden Futterpflanzen und Getreide angebaut. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing ist jedoch der Ansicht, dass landwirtschaftliche Produktion grundsätzlich keine staatliche Aufgabe ist. Mit einer europaweiten Ausschreibung will sie nun einen oder mehrere Pächter für die Güter finden.

Wie aus einer Vorlage der Finanzverwaltung hervorgeht, die der parlamentarische Hauptausschuss gestern zur Kenntnis erhielt, werden bei der Ausschreibung drei Optionen verfolgt: Entweder sollen die acht Güter einzeln oder mehrere Güter zusammen verpachtet werden (z.B. Südgüter und Nordgüter). Als dritte Variante kommt eine Verpachtung der gesamten Flächen an einen Interessenten in Frage. Damit entstünde ein Großbetrieb mit rund 14.500 Hektar. In diesem Fall wird eine 25-prozentige Beteiligung des Landes Berlin an der Betreibergesellschaft erwogen.

Die Entscheidung für eine der drei Optionen soll erst bei der Auswertung konkreter Angebote fallen. Erst dann könne beurteilt werden, welche Lösung für das Land vorteilhafter sei. Während die SPD-geführte Finanzverwaltung sich für eine Einzelverpachtung ausgesprochen hatte, hielt die CDU-geführte Wirtschaftsverwaltung eine Verpachtung an einen Pächter für vielversprechender. Bei einer Einzelverpachtung sei das Risiko für das Land höher. Womöglich könnten nur die lukrativsten Güter einen Pächter finden. Eine „Rosinenpickerei“ soll aber ausgeschlossen werden.

Nach dem Zeitplan der Finanzverwaltung soll die Ausschreibung bis Dezember 1999 abgeschlossen sein. Eine Entscheidung könne nach Prüfung der Bewerber im Juni oder Juli 2000 fallen.

Um die Jahrhundertwende hatte das Land Berlin die Flächen erstanden, um Bodenspekulationen entgegenzutreten und einen Grüngürtel um die schnell wachsende Stadt anzulegen. Nun will das Land mit dem Erhalt der Stadtgüterflächen eine weitere Zersiedelung des Umlandes verhindern. Ein Verkauf der Flächen kommt daher nicht in Frage.

Außerdem kann ein 100-prozentig staatlicher Betrieb keine Fördermittel des Bundes oder des Landes beanspruchen. Eine Verpachtung soll auch einen rentableren Betrieb ermöglichen. Die Arbeitsplätze der derzeit 285 Beschäftigten sollen jedoch „möglichst erhalten werden“.

Für die Verwaltung der Liegenschaften der Stadtgüter GmbH soll eine eigene Gesellschaft gegründet werden. Der Immoblienbesitz umfaßt mehrere Landschlösser, einige ehemalige NVA-Kasernen und das Hotel- und Konferenzzentrum Gosen.

Die Linie „Verpachtung statt Verkauf“ trägt auch die CDU mit. Der CDU-Abgeordnete Hubert Vogt warf der Finanzsenatorin gestern aber vor, die Entscheidung über die Stadtgüter „bis zur Unerträglichkeit“ verzögert zu haben. Deshalb solle künftig der CDU-Wirtschaftssenator die Zuständigkeit für die Stadtgüter übernehmen. Es ist schließlich Wahlkampf. Dorothee Winden