piwik no script img

Füllhorn Multimedia

Das Modellprojekt Cornucopia soll jungen, arbeitslosen Erwachsenen einen Einstieg in die Medienwelt eröffen. Training on the job ist von Anfang an dabei  ■   Von Heike Gläser

Was in der antiken Mythologie als Sinnbild des Überflusses galt, scheint im Informationszeitalter immer noch aktuell. „Cornucopia“, das „Füllhorn“, neigt sich neuerdings über die Multimediabranche: Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich ein Modell, das jungen, arbeitslosen Erwachsenen einen Einstieg in die Neue-Medien-Welt ermöglichen soll.

Nach dem Prinzip der Private-Public-Partnership fließen Mittel privater Träger und von IBM zusammen mit Geldern aus öffentlichen Töpfen von Land, Bund und der Europäischen Union. An dem Verbundprojekt sind viele verschiedene Partner beteiligt: fünfzehn Berliner Multimediafirmen, der Deutsche Multimediaverband (dmmv), die Senatsverwaltungen für Arbeit und für Wirtschaft in Berlin, die Berliner Industrie- und Handelskammer, das Arbeitsamt Südwest und andere. Projektträger ist das arbeitspsychologische und organisationswissenschaftliche Institut a&o research in Berlin.

Breite Online-Palette

Das Projekt will in allen Bereichen der Online-Produktion ausbilden. „Die Palette reicht von der CD-ROM-Produktion über Websitekonstruktion bis zum Aufbau des e-commerce“, sagt a&o-Geschäftsführerin Brigitte Stieler-Lorenz, die das Projekt koordiniert.

Das Pilotprojekt unterscheidet sich von anderen einjährigen Ausbildungsprogrammen: Die 22 TeilnehmerInnen sind von Anfang an in ein Unternehmen eingebunden. Drei Tage pro Woche arbeiten sie dort mit, zwei Tage sitzen sie im externen Unterricht. „Dabei werden nicht nur fachliche Qualifikationen vermittelt, sondern auch soziale Kompetenzen trainiert“, sagt Stieler-Lorenz.

Die TeilnehmerInnen sind allesamt Quereinsteiger und zwischen 18 und 30 Jahre alt. Mehr als vierzig Prozent sind Frauen. Nadine arbeitet seit einiger Zeit als Cornucopia-Praktikantin bei Echopool, einer kleinen Unternehmensberatung für Neue Medien. „Mir gefällt das Konzept, einerseits im Unternehmen zu arbeiten, wo man den Alltag erlebt, andererseits fachliches Know-how in konzentrierter Form zu bekommen“, sagt die 27jährige Fremdsprachenkorrespondentin.

Traumberuf gefunden

Auch Birol, Praktikant bei Pixel Park, hat seinen „Traumberuf gefunden“. Der gelernte Großhandelskaufmann war einige Zeit arbeitslos. Sein Interesse für die Neuen Medien veranlasste ihn zu einer Bewerbung bei Pixel Park. Die Absage kam prompt. Erst über Cornucopia gelang dem 28-Jährigen der Einstieg.

Das Modell ist auch im Sinne der Unternehmen. Den Firmen entstehen keine Kosten, da das Projekt subventioniert ist. Im Gegenzug gewährleisten sie die Ausbildung vor Ort und stellen Dozenten für die externe Schulung. Meist sind das Angestellte aus den Unternehmen oder freie Mitarbeiter, die tageweise zu einzelnen Themen unterrichten. „Praxisarbeit und Wissensvermittlung zu kombinieren, ist der sinnvollste Weg, um gut auszubilden“, meint Lisa Biel von Echopool, die auch an der Konzeption beteiligt war.

Jerome Niemeyer von Pixel Park sieht das ähnlich, denn bei anderen Multimediaausbildungen werde zwar viel gepaukt und gebüffelt, entscheidend sei aber die Fähigkeit, im Team und an konkreten Projekten zu arbeiten. „Das Modell ist auf unsere Arbeit zugeschnitten“, so Niemeyer, „denn das Interesse der Praktikanten kann über den langen Zeitraum gelenkt werden.“

Gute Chancen

Die Übernahme der Praktikanten ist ebenfalls Bestandteil des Konzeptes. Zwar lassen sich die Unternehmen rechtlich nicht dazu verpflichten, aber die Erfahrungen zumindest von Echopool und Pixel Park lassen keinen Zweifel aufkommen: Beide Firmen werden ihre Praktikanten weiter beschäftigen. Auch Brigitte Stieler-Lorenz zieht nach einem dreiviertel Jahr ein erstes Fazit und rechnet derzeit mit einer Übernahmequote von 75 Prozent.

Nach der Pilotphase geht das Projekt im November in die zweite Runde. Die Erfahrungen des ersten Durchlaufs werden in das Curriculum aufgenommen. Bei Conrucopia bestimmten nicht nur Unternehmen und Projektleiter über die Inhalte. Auch die Teilnehmer können am Lehrplan mitarbeiten. Wichtige Neuerung: Ab November werden nur Frauen aufgenommen, um den weiblichen Anteil in der Branche zu erhöhen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen