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Verzweifelte Haushaltslage 2000/2001: Keine Chance ohne Verfassungsbruch

■ Im Jahre 2000 wird das Haushaltsdefizit des Landes Bremen um 567 Millionen Mark höher sein als 1999. Das gilt aber nur, wenn die Ressorts es schaffen würden, ihre Eckwerte einzuhalten

Der Senat hat in dieser Woche ein dickes Paket auf dem Tisch, wobei „Senat“ nicht die sieben SenatorIen und ihre Sitzung am Dienstag meinen kann – die dauert in letzter Zeit kaum mehr als 20 Minuten. Ernsthaft beraten wird da nichts mehr, der förmliche Termin mit seinen rund 30 Tagesordnungspunkten dient nur dazu, Themen abzunicken, über die vorab Konsens erzielt wurde. „Das Finanzierungsdefizit des Jahres 2000 wird nach derzeitigem Planungsstand um rund 567 Millionen Mark höher ausfallen als das Ist-Ergebnis des Jahres 1999“, stellte der Finanzsenator deshalb bislang nur intern fest.

Das zusätzliche Loch-Wachstum entstand unter anderem dadurch, dass einige bisherige Stopf-Faktoren künftig wegfallen. So wurde die Lücke im vergangenen Jahr noch durch 450 Millionen Mark Vermögensveräußerungen verdeckt. Das geht nicht auf Dauer. Einige Mindereinnahmen hatte der Finanzsenator vorhergesehen, aber nicht alle: Gegenüber den Planungen vom vergangenen Herbst ist das Minus um 104 Millionen angewachsen. Unter diesem Vorzeichen werden die Verhandlungen um den Haushalt für 2000 und 2001 beinhart. Denn durch strenges Nullwachstum, bei dem sogar Tarifsteigerungen durch Stellenkürzungen aufgefangen werden müssen, wollte der Finanzsenator bis 2005 eine Situation schaffen, in der ohne Sanierungshilfe nur eine Milliarde Neuverschuldung pro Jahr dazukommt – für 2000 sind derzeit schon 1,8 Milliarden prognostiziert, die allerdings weitgehend noch durch die Sanierungshilfen gedeckt werden.

Die Rosskur werden die Ressorts kaum schaffen können

Dass die einzelnen Ressorts die Rosskur in den Jahren 2000/2002 schaffen werden, ist dabei kaum absehbar. Der Justizsenator etwa, ein kleines Ressort, hat aus den vergangenen Jahren noch eine Restschuld von rund 6,5 Millionen Mark. Seine Einnahmen hat das Ressort in diesem Jahr unterdessen um 3 Millionen Mark höher veranschlagt, als es realistischerweise erzielen kann. Das Innenressort hat seine Eckwerte im Haushaltsplan 2000 „formal eingehalten“, stellt das Finanzressort trocken fest – aber das Innenressort macht gleichzeitig geltend, dass rund 150 Stellen fehlen, und zwar vor allem in dem für die Polizei relevanten Bereich „Präsenz auf den Straßen“. Dass das eigentlich nicht geht, stellt der Innensenator mit einer kleinen Tabelle dar: In München haben, statistisch gesehen, 194 Bürger einen Polizeibeamten, der für ihre Sicherheit und ihr Sicherheitsgefühl sorgt, in Bremen sind es 268. Hannover liegt bei 188, Frankfurt bei 171, Köln bei 255 – Bremen ist, was den Stellenpegel der Polizei angeht, Schlusslicht im Großstädtevergleich. Und für Investitionen in die moderne technische Ausstattung fehlen auch einige Millionen im Haushaltsplan. Der Kultursenator soll möglichst rasch den „Vertrauensschutz“ aufkündigen, ganze Einrichtungen müssen geschlossen werden.

In der Beschlussvorlage des Kultur-Ressorts ist in der vergangenen Woche in der weiteren internen „Abstimmung“ der Satz gestrichen worden, dass trotz aller Kürzungen „die Kulturlandschaft Bremens weitestmöglich erhalten, in Teilen auch entwickelt werden soll“. Gestrichen wurden die klaren Zahlen von jeweils gut 10 Millionen Mark, mit denen der Kultursenator angab, in den kommenden beiden Jahren den Kahlschlag abfedern zu wollen. Darüber soll erst noch verhandelt werden.

Das Bauressort hat für die Jahre 2000/2001 ein Minus von rund 30 Millionen Mark im Plan vorgesehen, die Hälfte davon will der Senat durch Grundsteuererhöhung (s.u.) schon diesesJahr wieder reinholen.

Die Haushaltsaufstellung für die Jahre 2000/2001 ist ein entscheidender Testfall für die Frage, ob Bremen über die kommenden vier Jahre hinweg das „Nullwachstum“ durchhalten kann. Nur dann besteht eine Chance, nach dem Ende der Sanierungszahlungen einen „verfassungskonformen Haushalt“ aufzustellen.

Der Doppelhaushalt ist ein Testfall für Bremens Stärke

Dabei wird rechnerisch unterstellt, dass die Geber-Länder und der Bund ihre Zahlungen im Rahmen des Finanzausgleichs nicht reduzieren werden. „Verfassungskonformer Haushalt“ bedeutet dann, dass nur noch die Investitionen (geplant: 1 Milliarde pro Jahr) über eine Neuverschuldung finanziert werden müssen.

Allerdings hat der Finanzsenator schon jetzt, wie der Finanzressort in seinem Zwischenbericht feststellt, von den formal als Investitionsmittel (ISP) ausgewiesenen Summen für die Jahre 2000 und 2001 jeweils rund 60 Millionen Mark zu den konsumtiven und Personalausgaben verschoben. Fehlende Investitionsmittel werden dann durch zusätzliche Schulden bei den staatlichen Firmen aufgebracht. Jüngstes Beispiel dafür sind die 3 Millionen Mark für die Sanierung des Waldau-Theaters durch die Bremer Investitionsgesellschaft BIG. Auch die rund 30 Millionen Mark für den geplanten Umbau des Bahnhofsplatzes tauchen noch in keinem offiziellen Entwurf auf. Über die Höhe der zusätzlichen Schulden in solchen Schattenhaushalten macht der Bericht über den Stand der Haushaltsaufstellung 2000/2001 vorsichtshalber keine Angaben. K.W.

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