piwik no script img

SPD in Kampfeslaune

Diepgens Entscheidung, die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft wieder zu beleben, wird von der SPD als „Kriegserklärung“ empfunden. Der Koalition steht ein richtiger Streit ins Haus

von UWE RADA

Solche Töne hört man selten. Von einer „Kriegserklärung“ spricht der SPD-Innenpolitiker Hans-Georg Lorenz. Sein Fraktionskollege Klaus Uwe Benneter wirft dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) vor, an der großen Koalition zu zündeln. Und Bausenator Peter Strieder, zugleich SPD-Landesvorsitzender, meinte, in einer Demokratie gebe es „keinen Platz für politische Anwaltschaften“. Was die Sozialdemokraten so erzürnt, ist die überraschende Entscheidung von Eberhard Diepgen, verschiedene Dezernate der Staatsanwaltschaft wieder zu einer politischen Abteilung zusammenzufassen.

Diepgen, Regierender Bürgermeister und zugleich Justizsenator, verteidigte gestern seinen Vorstoß. Es gehe ihm nicht um die Einführung von Gesinnungsstrafrecht, „sondern um die richtige Antwort des Staates auf eine in letzter Zeit zunehmend politisch motivierte Gewaltbereitschaft von Links- und Rechtsextremen“. Zuvor hatte bereits Justizstaatssekretär Dieter Rauskolb (CDU) mitgeteilt, dass die Justizverwaltung mit diesem Schritt den Wünschen der Staatsanwaltschaft folge. Bislang war die Verfolgung politisch motivierter Delikte auf mehrere Dezernate verteilt.

Dass das Verständnis politisch motivierter Delikte bei der 1990 vom rot-grünen Senat aufgelösten P-Abteilung in der Vergangenheit allerdings oft politisch motiviert war, müsste eigentlich auch Eberhard Diepgen wissen. Schließlich gerieten nicht nur Hausbesetzer in die Fänge der Abteilung, sondern auch Sozialdemokraten wie Hans-Georg Lorenz, Erich Pätzold oder Hans-Jochen Vogel. Kein Wunder also, dass die Wiedereinsetzung dieser Abteilung, wie es Klaus Uwe Benneter formulierte, die SPD mitten in den Bauch trifft. Bennetter wörtlich: „Wenn Diepgen diese Entscheidung nicht zurücknimmt, muss man sehen, wie die Koalition fortzusetzen ist.“

Neben der emotionalen Ebene gibt es freilich noch eine inhaltliche. „Eine Körperverletzung ist eine Körperverletzung, egal wie sie motiviert ist“, meint Benneter. Das sieht auch die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast so. Nicht der Straftatbestand, sondern die Gesinnung sei der Ansatzpunkt für die P-Abteilung gewesen. Damit seien politisch Andersdenkende unter Druck gesetzt worden. Trotz aller Auseinandersetzungen um die Abschaffung dieser Abteilung vor zehn Jahren, so Künast, habe in Justizkreisen kein Mensch mehr diese Abteilung gefordert. Der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich schließlich spricht von einem tiefen Griff in die „Mottenkiste des politischen Strafverfahrens“.

Während die Oppositionsparteien das Thema in den Rechtsausschuss einbringen wollte, fordert Strieder Diepgen auf, seine Überlegungen im Senat darzulegen. Für den Fall, dass sich die SPD-Senatoren dort nicht durchsetzen können, drohte Parteivize Benneter bereits mit dem nächsten Parteitag: „Diesen Schlag in die Kniekehle wird die Partei nicht mitmachen.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen