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Koffer, Lügen, Umschläge

Der Nebel lichtet sich nicht: Baumeister und Schäuble bleiben trotz Gegenüberstellung bei ihren früheren Aussagen

von SEVERIN WEILAND und HEIDE OESTREICH

Sie kamen durch getrennte Türen, sie grüßten sich nicht, die früheren Duzfreunde Brigitte Baumeister und Wolfgang Schäuble. Als die ehemalige CDU-Schatzmeisterin gestern Abend am Zeugentisch in der katholischen Akademie in Berlin Platz nahm, legte der frühere Fraktions- und Parteichef der CDU seine Hand demonstrativ an die linke Wange. So entging er zunächst den Blicken jener Frau, die seiner Darstellung, auf welchem Wege eine 100.000-Mark-Barspende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber an die CDU gelangte, widersprochen hatte.

Baumeister, im schwarzen Blazer, hatte ihren Anwalt mitgebracht. Der saß genau in der Mitte des Tisches und schaffte so zusätzliche Distanz zwischen den beiden Kontrahenten, die lange Jahre eng zusammengearbeitet hatten. Bei ihrer erstmaligen Gegenüberstellung vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss blieben Baumeister und Schäuble ihren früheren Erklärungen treu. Baumeister schilderte, wie sie am 11. Oktober 1994 von Schreiber im bayrischen Kaufering einen verschlossenen Brief entgegengenommen habe. Bei dem Treffen seien Frau Schreiber und der ehemalige Thyssen-Manager Jürgen Maßmann anwesend gewesen. Der Brief sei ihr von Schreiber übergeben worden, während die beiden anderen im Hintergrund gestanden hätten. Zu Herrn Maßmann habe sie bei diesem Treffen nicht mehr als „guten Tag“ gesagt. Schreiber hatte sich jahrelang bemüht, die Bundesregierung für das kandadische Rüstungsprojekt Bearhead zu gewinnen. Den Umschlag habe sie ungeöffnet, vermutlich am 17. Oktober, einen Tag nach der Bundestagswahl 1994, an Schäuble ausgehändigt.

Dem widersprach Schäuble. Er habe das Geld persönlich von Schreiber bereits am 22. September 1994 in seinem Bonner Büro erhalten. Am Abend zuvor habe ihm Schreiber auf einem CDU-Empfang für Spender angesprochen. Als Baumeister und Schäuble von Mitgliedern des Ausschusses zu einzelnen Komplexen befragt wurden, tauschten die beiden Blicke aus. Baumeister wandte sich mehrmals direkt an Schäuble. Dessen Version, Schreiber habe ihn unmittelbar nach dem Spendertreffen in Bonn besucht, stellte sie in Frage: „Es ist nicht so einfach für einen Fremden, in das Zimmer des Fraktionsvorsitzenden zu kommen.“ Auch sie als damalige Schatzmeisterin der CDU habe Schäuble nur mit vorheriger Anmeldung besuchen können.

Bereits am frühen Nachmittag hatte ein Freund von Schäuble, der Architekt Gerhard Lehmann, vor dem Ausschuss Schäubles Aussage zu stützen versucht. Der 64-jährige Lehmann, der seit über 25 Jahren mit dem früheren CDU-Parteichef befreundet ist, will von diesem im Herbst 1994 bei einem ihrer regelmäßigen Ausflüge von der Spende Schreibers erfahren haben. Schäuble habe sich ihm gegenüber entsetzt darüber gezeigt, dass Schreiber ihm bei der Geldübergabe deutlich gesagt habe: „Machen Sie damit, was Sie wollen.“ Er habe dann umgehend die Bundesschatzmeisterei angewiesen, dass Schreiber-Geld zu verbuchen. Allerdings konnte Lehmann auch auf wiederholte Nachfrage einzelner Ausschussmitglieder sich nicht darauf festlegen, ob das Gespräch am Wochenende nach der Spendenübergabe stattfand oder etwa im Oktober, was Baumeisters Aussage stützen würde.

Schon in seiner vorhergegangenen Einzelvernehmung weigerte sich der ehemalige CDU-Vorsitzende, über das hinauszugehen, was er bereits bei seiner ersten Vernehmung am 13. April dieses Jahres erläutert hatte. Auch in der Frage nach den 6 Millionen Mark, die auf Veranlassung des ehemaligen CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl 1982 aus der Fraktion an die Bundes-CDU gelangt sein sollen, gab es nichts Neues. Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, dass der Millionenbetrag damals an die CDU transferiert und von dort auf Treuhandkonten versteckt worden sei.

Schäuble sagte, gegen ihn sei eine Kampagne inszeniert worden. Schreiber und Baumeister hätten sich im Verlauf der Ermittlungen mehrfach widersprochen. Im Zuge der Affäre sei versucht worden, „meine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen“, sagte Schäuble.

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