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mörder wollen keine waschbrettköpfe sein

von RALF SOTSCHECK

Hohes Gericht! Ich bin an allem schuld. An jenem Sonnentag im Juli 1999 wollte Wiglaf Droste eigentlich an die Krumme Lanke zum Baden fahren, als ihn unvorbereitet mein Anruf ereilte. In meiner damaligen Eigenschaft als Leiter der Berlin-Redaktion der taz beschwor ich ihn, mir einen kleinen, fiesen Kommentar zum Gelöbnisbrimborium zu schreiben. Droste zierte sich zunächst, schob andere Verpflichtungen vor, gab aber alsbald seinen Widerstand auf und fügte sich in sein Schicksal, weil er wusste, dass ich im Autorenauswringen geübt bin.

Der Text kam erstaunlich früh, hatte die richtige Länge und musste nicht redigiert werden. Oha, dachte ich. Kollege Droste, der von den Nürnberger Nachrichten einmal als „die Nilpferdpeitsche unter den deutschen Kolumnisten“ bezeichnet wurde, geht aber sanft mit Soldaten um. Kettenhunde und Waschbrettköpfe? Das klingt ja wie Fischers Fritzen. Oder Scharpings Schnuckelchen. Da wären mir ganz andere Substantive eingefallen. Die behalte ich jedoch besser für mich.

Umso erstaunter war ich, als ich hörte, dass sich ein Major aus einer ostdeutschen Großstadt beleidigt fühlte und Klage eingereicht hatte. Mörder wollen keine Waschbrettköpfe sein? Das ist so ähnlich, als wenn ein verurteilter Kinderschänder sich darüber beschwert, dass ihm in der Presse schmutzige Fingernägel unterstellt worden sind.

Aber ist „Waschbrettkopf“ überhaupt eine Beleidigung? Ich fragte den wahren Waschbrettkopf Jack Clarke, der waschbrettköpfiger ist, als es ein Major je sein könnte. Er betreibt eine Wäscherei in Süd-Dublin. Der Laden heißt „The Wash Board“, das Waschbrett, und als Chef ist er der „Head of the Wash Board“, also der Waschbrettkopf.

Ob er es als Beleidigung empfinde, wenn ich ihn so nenne, fragte ich ihn. „Aber nein, ich habe kein Problem damit“, antwortete er, „denn ich bin ja der Waschbrettkopf.“ Ich klärte ihn darüber auf, dass es in Deutschland sehr wohl als Beleidigung angesehen werde.

Clarke hätte beinahe aufgelegt, weil er dachte, ich wollte einen Schabernack mit ihm treiben. Alberne Anrufe ist er gewohnt, die meisten Witzbolde erkundigen sich, ob er einen Waschbrettbauch habe. Die Frage nach einem Waschbrettkopf war ihm neu, und deshalb legte er nicht gleich auf, sondern ließ sich von der Ernsthaftigkeit meiner Anfrage überzeugen.

Clarke war empört: Head of the Wash Board – das sei ein ehrenwerter Beruf. Von wem denn der Major seine dreckigen Socken waschen lasse? Von seinen Kettenhunden vielleicht? „Ich empfinde es als Beleidigung, dass der Herr Major dieses Wort beleidigend findet“, ärgerte sich Jack Clarke. Er hat Recht. Wenn mich jemand als Major bezeichnete, und ich fühlte mich deshalb beleidigt, würden sich dann nicht alle Majore der Welt beleidigt fühlen, weil ich ihren Titel als Beleidigung empfinde? Können Sie mir folgen, hohes Gericht? Wollen Sie nicht lieber den Major wegen Beleidigung von Herrn Jack Clarke und allen anderen ehrlichen Waschbrettköpfen anklagen?

Der Gutachter ist diplomierter Wirtschaftspädagoge (34 Semester)

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