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Ministerin ohne Stallgeruch

Die designierte grüne Agrarministerin Renate Künast soll jetzt aus der Landwirtschaft Verbraucherschutz machen. Kriegt sie das Ministerium in den Griff?

von JENS KÖNIG, SEVERIN WEILAND und BERNHARD PÖTTER

„Das ist heute nicht der Tag für Konzepte“, sagte Renate Künast gestern. Denn Ideen gibt es genug, wie es mit der Landwirtschaft in Deutschland weitergehen soll. Künasts Aufgabe ist größer: Eine radikale Wende in der Agrarpolitik. Von nun an, so lautet das Signal der rot-grünen Bundesregierung mit der ersten Frau und ersten Grünen auf diesem Posten, soll Landwirtschaftspolitik nicht mehr Bauernpolitik sein. In Zukunft sollen die Steuerzahler für ihre Milliarden an Subventionen gesunde und sichere Lebensmittel bekommen.

Künast ist keine Landwirtschaftsministerin. Sie ist Verbraucherministerin. Ihr Ministerium heißt „Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft“. Die Reihenfolge signalisiert, dass die Klientelpolitik enden soll. Die Grüne nannte denn gestern auch als wichtigste Punkte ihrer Arbeit: „Vertrauen der Verbraucher wiedererlangen, Zukunft der Landwirtschaft gestalten und die Agrarpolitik naturnah umgestalten“. Ihre Parteifreunde haben die Vorarbeit dafür geleistet. Das Baake-Wille-Papier aus der letzten Woche, das im Umweltministerium geschrieben wurde und letztlich den Sturz von Minister Funke auslöste, und das Konzept der NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn zeigen Künast, wohin die Reise gehen muss. Die Subventionen für den Landbau müssen an ökologische und soziale Standards gekoppelt werden, um die Kanzlerforderung „Weg mit den Agrarfabriken!“ mit Leben zu erfüllen. Die Regeln für Tierfutter, Stallgrößen und Tiertransporte sollen verschärft werden, auf der anderen Seite sollen die Bauern mehr Geld bekommen, um sich in Richtung Ökolandbau zu bewegen.

Künast hat von ihrem künftigen Fachgebiet keine Ahnung. Das ist nicht ungewöhnlich und vielleicht sogar ein Vorteil. Denn sie wird nicht als Lobbyistin wahrgenommen. „Auch die Bundeswehr wird schließlich von einem Zivilisten geführt“, heißt es in der Fraktion. Aber sie könne „organisieren und den politischen Kernpunkt sehen“, sagt sie selbst. Sie hat sich – ähnlich wie Kanzler Schröder – hochgearbeitet: Realschule, Fachabitur, Sozialarbeiterin. 1979 tritt sie der Alternativen Liste in Berlin bei, wird Expertin für Innenpolitik und Rechtsextremismus. Sie gilt als streitbar, intelligent und durchsetzungsfähig.

Diese Eigenschaften wird sie auch bitter nötig haben. Denn das Landwirtschaftsministerium ist „traditionelles Feindesland“ für die Grünen. Nirgendwo sonst hat sich eine Lobby so festgesetzt, die den Interessen von Verbraucher- und Umweltschutz entgegenarbeitet. Und mit den Vertretern der industriellen Landwirtschaft soll Künast, von Fachfragen bisher unbeleckt, eine grundsätzlich andere Politik machen? Das Großstadtkind Künast, geboren in Recklinghausen, seit 1976 in Berlin, wird auf den Bauernversammlungen einen Ton in der männlich geprägten ländlichen Gesellschaft finden müssen, die die Zoten eines Karl-Heinz Funke gewohnt ist. Denn die Bauern „müssen mit ins Boot“, wenn nicht die Protesttrecker nach Berlin rollen sollen, warnen die Grünen.

Helfen dabei sollen die Staatssekretäre Martin Wille und Gerald Thalheim, die Künast übernimmt. „Alles wird davon abhängen, ob unter ihnen die Chemie stimmt“, heißt es aus der Regierung. Eine kurze Schonfrist werde die neue Ministerin haben. Die muss sie nutzen, um ihre Truppen zu sammeln, einige Abteilungsleiter zu entlassen oder zu entmachten und neue Leute zu installieren. Denn sobald die BSE-Krise etwas abflaue, so die Berechnung in der Regierung, werde die Agrarlobby zum Gegenschlag ausholen.

Bei den Grünen gibt es Vorbehalte. Bärbel Höhn wäre die Idealbesetzung für ihren Posten gewesen, eine in sechs Jahren erprobte Fachfrau mit Haaren auf den Zähnen. Aus innerparteilichen Gründen wurde Höhn verhindert. Vom Koalitionspartner dagegen kommt grünes Licht: „Wir haben da das erste rot-grüne Ministerium“, meint der agrarpolitische Sprecher der SPD, Matthias Weisheit. Allerdings müsse Künast bei der Opposition mit Ärger rechnen: „Die Agrarpolitiker der CDU sind alle Bauernfunktionäre.“

„Die Übernahme des Landwirtschaftsministeriums ist eine alte grüne Forderung“, sagt der grüne EU-Agrarpolitiker Friedrich Wilhelm zu Baringdorff. Beim Thema BSE müsse Künast vor allem auf die ersten Infektionen bei Menschen vorbereitet sein. Eine „Riesenverantwortung“ sieht auch Ulrike Höfken, Agrarsprecherin der grünen Fraktion. Schließlich hätten die Grünen mit den Bereichen Umwelt und Landwirtschaft zwei Ressorts, die eine Menge bewegen könnten. Wahltaktisch sei die Übernahme klug: Zwar würden Bauern kaum die Grünen wählen. „Aber wir können uns als Verbraucherpartei profilieren, das ist ein riesiges Wählerpotenzial. Gesundes Brot und Fleisch braucht schließlich jeder.“

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