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Bankensystem in neuer Ordnung

Bundesfinanzminister Hans Eichel will die Landeszentralbanken entmachten und ein Superamt zur Bankenkontrolle schmieden. Wim Duisenberg, Chef der Europäischen Zentralbank, lehnt die Pläne ab. Die Deutsche Bank ist dafür

BERLIN/HAMBURG taz ■ Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) will die Landeszentralbanken entmachten und ihren Aufgabenkatalog drastisch beschneiden. Im Rahmen einer Reform der Finanzaufsicht will die Bundesregierung die selbstständigen Tochtergesellschaften der Deutschen Bundesbank abbauen. Eichel findet Unterstützung bei Kritikern und Medien, die bereits lautstark am Nutzen der Landeszentralbanken (LZB) zweifeln.

Eine große Illustrierte berichtete kürzlich über 15.000 nutzlose Faulenzer, die sich in den teuren Büros der neun Landeszentralbanken über ihr gemütliches Leben freuen. „Mit solchen Geschichten haben sie an jedem Stammtisch gleich die Lufthoheit“, beklagt sich ein Sprecher der LZB Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bei der taz. Die Wirklichkeit sehe anders aus, beteuern die regionalen Zentralbanken. Hilfe finden sie beim Ökonom Rudolf Hickel: „Wir brauchen sie.“

Das Tagwerk der neun Landeszentralbanken, von Kritikern gerne heruntergespielt, betrifft vor allem zwei Aufgaben: Sie setzen die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in die Praxis um und beaufsichtigen Banken und Sparkassen vor Ort. Dazu unterhalten sie Dutzende von Zweigstellen in den Regionen der Republik. So ist die Landeszentralbank Sachsen und Thüringen mit ihren 900 Beschäftigten unter anderem in Dresden, Gera und Meiningen mit eigenen Hauptstellen oder Zweigstellen präsent. Die LZB stellt den Banken vor Ort täglich zwischen zwei und drei Milliarden Euro zur Verfügung – als Buchgeld und in bar. Im Geschäftsjahr 1999 gab die einzige ostdeutsche LZB über 100 Milliarden Mark als Bargeld aus.

Bereitgestelltes Geld wird häufig als Kredit vergeben, dafür zahlen die Banken Zinsen. Ein Großteil des Bundesbankgewinnes wird in der Region erwirtschaftet. Andersherum unterhalten die Banken Depots und Girokonten bei der LZB. Dort werden Wertpapiere als Sicherheit für die Kredite hinterlegt oder die Mindestreserve eingezahlt. Zwei Prozent der Einlagen müssen Kreditinstitute als Mindestreserve zurücklegen. Die meisten der 2.743 Kreditinstitute, vor allem die kleineren, tun dies bei der örtlichen Filiale einer LZB, nur wenige bei der Bundesbankzentrale in Frankfurt am Main. Zur Infrastruktur gehört auch die Abwicklung des milliardenschweren Zahlungsverkehrs. Insbesondere Großzahlungen ins In- und Ausland werden gerne über eine LZB abgewickelt.

Ihre wichtigste Rolle spielen die LZB jedoch als Finanzpolizei. Bei ihnen laufen die statistischen Informationen zusammen – von der Meldung eines Darlehens über eine Million Mark bis zum Export der Leipziger Maschinenfabrik in die Slowakei. Statistik und Kontrolle gehen dabei Hand in Hand. So sind es eigentlich die LZB, welche die Einhaltung diverser Gesetze, Regeln und Vorschriften im Kreditwesen kontrollieren. LZB-Befürworter Hickel fordert sogar ein Rollback: In der Vergangenheit hatten Personalabbau und Rationalisierung zum Abbau vieler Niederlassungen geführt. Hickel will lieber die Versorgung der Provinz verbessern.

Der Bundesfinanzminister plant jedoch in eine andere Richtung. Er will zukünftig „eine effizientere Struktur der Bundesbank“, und dazu bedarf es einerseits der Zentralisierung und andererseits der Entmachtung der LZB. So sollen die neun Institute zwar erhalten bleiben, aber ihrer Eigenständigkeit beraubt werden. Die LZB-Präsidenten sollen künftig nicht mehr dem Direktorium der Bundesbank angehören und von der Bundesbank ernannt werden. Die LZB sorgen sich darum um die zukünftige Geldpolitik Deutschlands. Bislang schlugen die autonomen Landeszentralbankpräsidenten gelegentlich kräftig auf den Tisch. „Sie berücksichtigen die unterschiedliche Lage in den Bundesländern“, berichtet ein LZB-Sprecher in Hannover. Damit könnte es bald vorbei sein. Bundesbankchef Ernst Welteke höre demnächst nur noch „his Masters Voice“, befürchtet ein Landeszentralbanker.

Ebenso umstritten ist der Eichel-Plan, den Finanzplatz Deutschland durch eine Allfinanzaufsicht zu stärken. Dazu sollen die bisherigen drei Aufsichtbehörden für Banken, Versicherungen und Wertpapierhandel in einem Superamt zusammengefasst werden. In dieses gehen auch die bisherigen Aufsichtskompetenzen von Bundesbank und Landeszentralbanken ein. Mit der Gründung dieser „Bundesanstalt für Finanzmarktaufsicht“ will die Regierung auf die Entwicklung des Marktes reagieren. „In Deutschland hat sich – wie in anderen Ländern – ein integrierter, Branchen übergreifender Finanzmarkt herausgebildet“, so Eichel. Unterstützung erhält er von Deutsche-Bank-Chef Breuer, der sogar eine gemeinsame Finanzaufsicht für Europa fordert. Widerstand meldete jedoch die EZB an. EZB-Chef Duisenberg lehnt Eichels Reformpläne ab.

HERMANNUS PFEIFFER

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