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Der Grat zwischen Verantwortung und Schuld

■ Verfahren gegen ErzieherInnen eingestellt, in deren Unterricht ein Mädchen ertrank

Die Mutter hatte kein gutes Gefühl. Sie wollte ihre Tochter nicht zum Schwimmunterricht gehen lassen. Erst als der Erzieher ihr versicherte, dass das Schwimmen sowieso ausfällt, ging sie beruhigt nach Hause. Als sie Gina später wieder von ihrer Körperbehindertenschule abholen wollte, erfuhr sie, dass ihre Tochter ertrunken war. Das war im September 1998. Gestern wurde das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen die drei aufsichtführenden ErzieherInnen vom Amtsgericht gegen Zahlung einer Geldbuße von je 2100 Mark eingestellt.

Minutiös schildern die drei Angeklagten, wie der Unterricht, der dann doch noch stattfand, abgelaufen ist. Sie hätten zunächst die Fähigkeiten von Gina getestet, weil sie zum ersten Mal mit dieser Klasse beim Schwimmen war. Dann hätten sie ein paar Spiele angeleitet, um die Kinder an das Wasser zu gewöhnen, und sie schließlich selbständig planschen lassen. Unter sich hätten sie aufgeteilt, wer welchen Teil des Beckens beobachten sollte. Pausenlos aber hätten die Kinder durch Zurufe die Aufmerksamkeit der ErzieherInnen verlangt. Irgendwann gab es diese rund zwei Minuten, in denen Gina mit dem Kopf unter Wasser war.

Wie genau es dazu kommen konnte, sagen sie nicht. Zu einem Fehlverhalten bekennen sie sich nicht. Sie versuchen aber auch nicht, die Verantwortung von sich zu weisen und auf die KollegInen oder die Schwierigkeit der Betreuung einer Gruppe Behinderter abzuwälzen. Dadurch, so der Anwalt der Eltern, hätten sie zumindest „moralische Mitverantwortung übernommen“. Denn wenn sie vor Gericht einfach geschwiegen hätten, wäre die Schuld wahrscheinlich nicht nachweisbar gewesen und sie wären freigesprochen worden.

Dieses Dunkelfeld zwischen Verantwortung und Schuld strafrechtlich zu bewerten, fällt den Prozessbeteiligten schwer. Die Einstellung gegen Geldbuße ist ein Mittelweg, denn wenn die Angeklagten dem zustimmen, erkennen sie eine „geringe Schuld“ an, ohne wegen fahrlässiger Tötung verurteilt zu werden. Amtsrichter Krispien schlägt das vor, denn er findet, dass so ein Unfall „passieren kann: Zwanzig Jahre geht alles gut, und dann passiert etwas“. Das sei schlimm, aber nicht unbedingt „mit einer strafrechtlichen Überschrift zu versehen“. Die Staatsanwältin findet das doch, und nachdem sie sich zur Einstellung hat überreden lassen, ringt man statt um Schuld oder Nichtschuld schließlich um die Höhe der Geldbuße.

Auch die Eltern von Gina, sagt deren Anwalt Oliver Leist, hätten nicht auf einer Verurteilung der Angeklagten beharrt. Sie hätten das Verfahren nach einer ersten Einstellung durchgesetzt, um endlich zu erfahren, wie genau es zu dem tragischen Tod ihrer Tochter kommen konnte. Nun wurde „immerhin nichts unter den Teppich gekehrt“. Mehr, meint Leist, „kann man von einem strafrechtlichen Verfahren nicht erwarten“. Elke Spanner

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