pragmatiker djindjić: Für Serbien – auch ohne Serben
Der serbische Ministerpräsident Djindjić ist Pragmatiker. Und sogar erstaunlich uneigennützig, wie sich jetzt zeigt. Er hat seine innenpolitische Popularität bewusst aufs Spiel gesetzt, um klare Verhältnisse in Serbien und in der brüchigen jugoslawischen Föderation zu schaffen.
Kommentarvon ANDREJ IVANJI
Dass sich Djindjić so weit vorwagen musste, lag auch an den USA: Wieder einmal bewies die amerikanische Regierung, wie wenig sie von den serbischen Verhältnissen versteht oder wie wenig sie sich darum kümmert. Sie forderte von der serbischen Regierung, dass Milošević unbedingt noch vor der Geberkonferenz für Jugoslawien in Brüssel an das Haager UN-Tribunal für Kriegsverbrechen auszuliefern sei, und drohten, andernfalls die finanzielle Unterstützung einzustellen. Dass Milošević genauso gut auch sieben Tage nach der Geberkonferenz dem Tribunal hätte übergeben werden können – was Djindjić vorgeschlagen hatte und für die EU-Staaten völlig akzeptabel war –, davon wollte Washington nichts hören.
Und bescherte somit Djindjić zusätzliche, unnötige Probleme. Um den Zeitplan bis zur Brüsseler Konferenz einzuhalten, musste Milošević am 28. Juni ausgeliefert werden. Es hätte keinen unpassenderen Termin geben können, denn dies ist der für die Serben so bedeutende St.-Veit-Tag. Ein Teil der serbischen orthodoxen Kirche war entsprechend verstimmt. Und die Gegner der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal konnten laut aufschreien, dass Milošević nicht der Gerechtigkeit wegen ausgeliefert, sondern schlicht für ein paar Dollar verkauft worden sei – an jene, die Serbien „so skrupellos“ bombardiert hatten.
Doch ohne Amerikas Zustimmung war an Hilfe für Serbien nicht zu denken. Also gab Djindjić nach – wohl wissend, dass dadurch das in Serbien regierende, aus achtzehn grundverschiedenen Parteien bestehende Bündnis DOS auseinander brechen könnte. Bewusst nahm er vorgezogene Parlamentswahlen in Kauf, obwohl sein größter Kontrahent, Bundespräsident Vojislav Koštunica, weitaus mehr Popularität genießt.
Ebenso mutig wagte es Djindjić, die Föderation zwischen Serbien und Montenegro als „sinnlos“ zu bezeichnen. Und sie ist in der Tat nur noch ein kostspieliges Provisorium. Doch damit setzte sich Djindjić der Gefahr aus, auch noch für den eventuellen Zerfall Jugoslawiens verantwortlich gemacht zu werden.
Djindjić handelt im besten Interesse Serbiens. Ob das auch die Serben verstehen, ist eine andere Frage.
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