GESETZ ÜBER HOMOSEXUELLE PARTNERSCHAFTEN KANN IN KRAFT TRETEN: Vorwärts, der Ehe entgegen
Das Karlsruher Verfassungsgericht hat, das ist tatsächlich eine Zäsur, die rechtliche Gültigkeit von homosexuellen Partnerschaften nicht verneint. Der Antrag einiger Unionsländer auf einstweilige Anordnung scheiterte. Für die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit muss das nichts heißen, aber es kann. Karlsruhe hat nur selten seinen Begründungen zu solchen Eilanträgen im späteren Hauptverfahren widersprochen.
Eine mächtiger Urteilsspruch: Noch vor gut 40 Jahren hat Karlsruhe das grundsätzliche Verbot von Homosexualität bejaht. Damit wurde damals die Klage von schwulen Männern abgewehrt, die Entschädigungen verlangten für das Unrecht, dass sie während der Nazizeit erlitten hatten. Heute hingegen nimmt das Gericht wahr, dass Homosexuelle Opfer von Diskriminierung wurden und werden. Das ist in der deutschen Rechtsgeschichte, zumal von oberster Stelle, sensationell.
Dennoch wäre es fatal, den Sieg in Karlsruhe absolut zu setzen und das Gesetz zu Eingetragenen Lebenspartnerschaften für das Nonplusultra zu halten: Es ist und bleibt ein Sondergesetz, das homosexuelle Partnerschaften gegenüber der klassischen Ehe abwertet. Aber warum sollten schwule oder lesbische Beziehungen nicht ebenso unter höchsten Verfassungsschutz gestellt werden? Was spräche dagegen, auch sie zu meinen, wenn vom Artikel 6 Grundgesetz die Rede? Denn was ist an der heterosexuellen, aber kinderlosen Ehe Angela Merkels schutzwürdiger als an einer Eingetragenen Partnerschaft von Schwulen oder Lesben, in denen Kinder leben? Der Kampf für die Eingetragenen Lebenspartnerschaften – was für ein sprachliches Monstrum, denn wer wird je sagen: „Heute partner ich meineN Mann/Frau“? – war immer davon geprägt, ohne dass das den Beteiligten vielleicht klar war, Karlsruhe nicht allzu offen mit den Ansprüchen auf gleichwertigen Schutz nach Artikel 6 des Grundgesetzes zu provozieren.
Der Kampf um eine ehegleiche Partnerschaft für Schwule und Lesben darf nicht erlahmen – schon um zu verhindern, dass die Ehe wie eine Belohnung für Heterosexualität Gültigkeit behält. Ebenso wichtig wäre, nicht zu vergessen, dass Homosexuelle nicht überall auftreten können, ohne von Gewalt bedroht zu sein. Dass eine andere als die heterosexuelle Orientierung in den meisten Familien als misslungen gilt. Dass „Schwuchtel“ ein höchst beliebtes Schimpfwort gegen Homosexuelle ist. Dass also die Diskriminierung nicht aufhört, nur weil Karlsruhe dem Ansinnen von Bayern, Sachsen und Thüringen nicht nachgegeben hat.
JAN FEDDERSEN
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