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Notstand steht nicht vor der Tür

Eine innenpolitische Auswirkung des Nato-Bündnisfalls könnte zwar die Umstellung auf eine Kriegswirtschaft sein. Dafür sind derzeit die Voraussetzungen aber nicht gegeben

FREIBURG taz ■ Der Bündnisfall hat nicht nur außenpolitische Auswirkungen, sondern kann auch zur Anwendung einer ganzen Reihe von Notstandsgesetzen führen. Aktuell ist mit einer Umstellung der innerstaatlichen Rechtsordnung jedoch nicht zu rechnen.

So ist schon unklar, wann der Bündnisfall konkret eintritt, denn der Nato-Beschluss vom Mittwochabend steht unter einer Bedingung. Laut Nato-Kommuniqué muss zuerst „feststehen, dass dieser Angriff auf die USA vom Ausland aus gesteuert wurde“. Hier stellt sich die Frage, wer den Eintritt der Bedingung feststellt. Genügt es, dass der US-Präsident versichert, die Beweislage sei nun ausreichend? Oder ist ein neuer – einstimmiger – Beschluss des Nato-Rates erforderlich? Nach Informationen der FAZ haben die Benelux-Staaten zumindest einen Vorbehalt eingelegt, wonach jede konkrete Aktion erneut vom Nato-Rat beschlossen werden muss.

Falls der Bündnisfall tatsächlich eintritt, gilt laut Grundgesetz, dass dieselben „Rechtsvorschriften“ angewandt werden können wie im Spannungsfall. Entscheidender Unterschied: Der Spannungsfall muss vom Bundestag mit Zweidrittelmehrheit festgestellt werden, der Bündnisfall wird von einem internationalen Organ ausgelöst. Im Nato-Rat ist zwar auch die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich, doch ein Parlamentsbeschluss ist hierfür nicht erforderlich. Der vom Bundesverfassungsgericht eingeführte Parlamentsvorbehalt betrifft nur den „Einsatz von Streitkräften“.

Anwendbar sind im Bündnisfall zum Beispiel „Sicherstellungsgesetze“ im Bereich der Landwirtschaft oder des Verkehrswesens. Durch planwirtschaftliche Maßnahmen soll jeweils garantiert werden, dass die „für Zwecke der Verteidigung erforderlichen lebenswichtigen“ Leistungen tatsächlich zur Verfügung stehen.

Allerdings verlangt das Grundgesetz, dass diese Form der Teilmobilmachung von der Nato auch ausdrücklich beschlossen wurde. Außerdem müsste die Bundesregierung in der Regel noch konkrete Verordnungen erlassen. Diese sind laut Gesetz aber jeweils nur dann zulässig, „wenn ihr Zweck durch marktgerechte Mittel nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln erreicht werden kann“. Eine solche Lage ist derzeit auch bei Ausführung von US-Militärschlägen nicht absehbar. Sollte die Bundesregierung dennoch von diesen Notstandsbefugnissen Gebrauch machen, könnte der Bundestag dies mit einfacher Mehrheit unterbinden.

Umstritten ist, ob die Dienstverpflichtung von Beschäftigten auch im Bündnisfall oder nur im Spannungsfall möglich ist. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist jedenfalls auf den Spannungsfall beschränkt.

Die Debatte über die Notstandsgesetze war am Donnerstag vom grünen Abgeordneten Christian Ströbele angestoßen worden. Mit ihrer Zustimmung zum Nato-Beschluss habe die Bundesregierung jetzt den „Spannungsfall“ festgestellt. „Nach Artikel 80(a), Absatz 3 des Grundgesetzes treten damit erste Notstandsgesetze in Kraft“, sagte er laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AP im Westdeutschen Rundfunk.

Ströbele erklärte weiter: „Jetzt im Spannungsfall könnte die Nato bestimmte Verlangen an die Bundesregierung richten, die zur Anwendung der Notstandsgesetze oder einiger Notstandsgesetze kommen könnten. Also, wir haben auch innenpolitisch eine sehr, sehr schwierige Situation jetzt. Alles hängt davon ab, und darauf hat die Bundesregierung ja auch keinerlei Einfluss, ob die USA von sich aus, also die Regierung der USA feststellt, dass dieser Angriff von außen gekommen ist.“ Regierungskreise wiesen diese Darstellung sofort zurück. Der „Bündnisfall“ habe keine innerstaatlichen Konsequenzen. CHRISTIAN RATH

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