: Mehdorn darf sein Netz behalten
Nun ist es amtlich: Das Schienennetz der Bahn bleibt im DB-Gesamtkonzern. Allerdings soll eine Regulierungsbehörde dafür sorgen, dass die Bahn ihre Konkurrenten nicht von der Schiene drängen kann. Verkehrsexperte: „Ein logisches Ungeheuer“
aus Berlin MATTHIAS URBACH
Bislang ist Wettbewerb auf den Gleisen der Deutschen Bahn AG die Ausnahme. Kritiker halten der Bahn vor, sie nutze ihre Verfügungsgewalt über das Schienennetz, um sich unliebsame Konkurrenz vom Leib zu halten. Das will Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) künftig mit einer Strukturreform des Bahn-Konzerns unterbinden. Gestern stellte er seinen Plan im Bundestag während der Haushaltsberatungen vor: „Jetzt wird es Ernst, jetzt kommt Wettbewerb auf die Schiene“, versprach Bodewig den Abgeordneten.
Das deutsche Schienennetz ist weitgehend in der Hand der Deutschen Bahn (DB). Wenn ein privater Unternehmer einen Zug fahren lassen will, muss er dafür die Strecke bei einer Bahn-Tochter, der DB Netz AG, mieten. Durch überhöhte Preise oder schlechte Fahrtermine konnte die Bahn AG bis vor kurzem ihre Konkurrenten zermürben. Denn die Netz AG unterliegt den Weisungen des Konzernvorstandes. Das will Bodewig künftig unterbinden, die Netz AG soll im Konzern unabhängig werden und eine eigene Bilanz aufstellen müssen. Schließlich soll eine beim Eisenbahnbundesamt angesiedelte Regulierungsbehörde die Arbeit der Netz AG überwachen. Sie trägt den Namen „Trassenagentur“.
Ein halbes Jahr lang hatten sich drei Staatssekretäre der Bundesregierung mit Bahnchef Hartmut Mehdorn in der so genannten Task Force herumschlagen müssen, um eine Lösung zu finden. Mehdorn hat natürlich ein Interesse daran, weiter die Schienen zu kontrollieren und Streckenplanungen nach den Bedürfnissen seines Konzerns auszurichten. Bodewig war dagegen ursprünglich für einen klaren Schnitt: Die Netz AG sollte aus dem Konzern herausgelöst werden. Das hatte auch der grüne Verkehrssprecher und Bahn-Aufsichtsrat Albert Schmidt verlangt.
Schmidt begrüßte gestern zwar Bodewigs Ankündigung als „einen richtigen Schritt“. Langfristig aber müsse die Netz AG ganz aus dem Konzern gelöst werden – „spätestens bis zum Börsengang“. Das Netz dürfe nicht mit der Bahn AG an die Börse gebracht werden. Denn dann würde „der Steuerzahler das Bahnnetz subventionieren und private Shareholder die Gewinne abschöpfen – ohne ins Netz zu reinvestieren“.
Bahnchef Mehdorn war erst auf Intervention von Bundeskanzler Gerhard Schröder in die Task Force aufgenommen worden. Der Unionsabgeordnete Eduard Oswald kritisierte gestern im Bundestag die Strukturreform als ungenügend: „Herr Mehdorn hat sich durchgesetzt.“
Allerdings will Bodewig eine Reihe von strikten Regeln einführen, die die Netz AG faktisch zu einem Fremdkörper in der Bahn macht – im Ministerium „Entherrschung“ genannt. Alle Geschäfte zwischen der Netz AG und den anderen DB-Gesellschaften sollen „wie unter fremden Dritten“ abgewickelt werden – so steht es nach Informationen der taz im vorläufigen Abschlussbericht der Task Force „Zukunft der Schiene“. Außerdem dürfen sich Mitarbeiter der Netz AG nicht mit anderen Bahnabteilungen absprechen – es sollen chinesische Mauern gezogen werden, wie es im Bahnjargon heißt. Das Eisenbahnbundesamt und das Kartellamt sollen zudem über einen diskriminierungsfreien Zugang zur Schiene wachen. Außerdem hofft die Task Force, dadurch versteckte Quersubventionen zwischen Netz AG und Bahnbetrieb aufdecken zu können.
Der Verkehrswissenschaftler Gottfried Ilgmann ist trotzdem skeptisch: „Netz und Transport sollen im Konzern zusammenbleiben, aber völlig unabhängig agieren: Letztlich ist dieser Ansatz ein logisches Ungeheuer.“
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