piwik no script img

Sicher ist hier vor allem der Preis

■ Fachleute der Kriminalpolizei bezweifeln die Wirksamkeit elektronischer Fernüberwachung zum Schutz von Kindern, derweil immer neue Modelle auf den Markt kommen. Auch Kinderschützer bleiben kritisch.

„Eltern können wieder aufatmen!“. Mit solchen Slogans schleichen sich Hersteller von elektronischem Handy-Zubehör in verunsicherte Elternherzen. Adelina, Marcel, Ulrike – wenn der technische Fortschritt im Bereich Ortungs- und Navigationssysteme nur schneller gewesen wäre, könnten diese Kinder vielleicht noch leben, unterlegt die Produktwerbung. Vielleicht, wenn beispielsweise der neue „Phonetracker“ des Teltower start up-Unternehmens PC-Funk GmbH Ortungssysteme schon früher auf den Markt gekommen wäre – doch dessen Auslieferung läuft erst jetzt an.

Fachleute von Polizei und Kinderschutzvereinen allerdings bezweifeln die Effektivität solcher Elektronik. Und zwar grundsätzlich. Ihnen ist dabei egal, ob Kinder die Sender wie Uhren angeschnallt bekommen, wie es frühe Modelle vorsahen, oder ob das Ortungs-Instrument als Zusatzteil aufs frei bewegliche Kinder-Handy aufgestöpselt wird, wie beim neuen „Phonetracker“.

Rund 200 Mark (99 Euro) kostet das kaum fünf Zentimeter große Plastikteil aus Teltow. Das Modul kann auf jedes neuere Nokia- oder Siemens-Handy im D2-Netz aufgesteckt werden. Loggen sich besorgte Eltern – nach Voranmeldung auf die Internetseite eines bestimmten Anbieters ein, können sie damit den Aufenthaltsort ihres Kindes feststellen; eine Leistung, die ähnlich bereits andere Anbieter erbringen. Neu – und auf den ersten Blick interessant – scheint am „Phonetracker“ deshalb vor allem die sogenannte „Schutzraum“-Funktion. Damit können Eltern dem Kinder-Handy einen bestimmten Aufenthaltsradius ins Modul programmieren. Verlässt der Sprössling den festgelegten Bereich zwischen beispielsweise Elternhaus, Schule und Sportverein, erhalten die Eltern automatisch eine Alarm-SMS. Voraussetzungen sind dafür natürlich: Alle haben Handys. Die stehen auch auf Empfang. Und außerdem werden Handy und Kind nicht getrennt.

Die Hersteller von „Phonetracker“ haben eine beachtliche Zielgruppe für ihr Produkt im Blick. Immerhin kämen dafür rund zehn Millionen D2-KundInnen in Betracht. Nach internen Kalkulationen wäre die Mehrzahl davon aber wohl am ehesten an der Diebstahlsicherung interessiert: Das im Auto deponierte Handy soll den Eigentümer im Klau-Fall schnell zum Dieb führen. Die wenigsten D2-KundInnen, nach internen Schätzungen vielleicht nur 5.000 Personen, würden Handy und Modul für die sogenannte private Personenortung einsetzen wollen. Präventionsfachleute allerdings fürchten, das könnten schon 5.000 zu viel sein.

„Wir empfehlen diese elektronischen Sicherungen grundsätzlich nicht zum Schutz von Kindern“, heißt es beispielsweise bei der Kriminalpolizeilichen Beratungsstelle in Bremen. Die Wirksamkeit einer solchen Aufenthaltsfeststellung sei aus verschiedenen Grünen zweifelhaft. So sei die Ortung bislang viel zu ungenau. Auch biete es im Fall einer gewaltsamen Kindesentführung keinen Schutz, schließlich sei es einfach, dem Opfer das Gerät wegzunehmen oder es auszuschalten.

Hersteller sehen das naturgemäß anders – was in Einzelfällen schon zu ersten Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Innenbehörden der Länder führt. Die haben nämlich eine eigene Bewertungsgruppe beim Bundeskriminalamt eingerichtet, um einzelne Angebote zu testen. Mit bislang negativem Ausgang für einzelne Produkte. Es bleibt dabei: Noch kein Gerät wird von Sicherheitsfachleuten empfohlen.

Auch die Fachleute vom Kinderschutzbund, Psychologinnen wie die erste Vorsitzende des Bremer Kinderschutz-Zentrums Gerti Gerlach beispielsweise, wollen die neue Technik zum Schutz von Kindern nicht unumwunden empfehlen. Sie setzten eher auf ein gutes Eltern-Kind-Verhältnis, in dem die Großen wie die Kleinen voneinander wissen, wo sie hingehen und wer die Freunde sind. Solches Vertrauen sei der Garant dafür, dass die Kinder gerne nach Hause kommen, wo sie alles haben – anstatt den möglicherweise gefährlichen Kontakt zu Fremden zuzulassen, weil sie dort schmerzliche Zuneigungs- und Erlebnislücken zu schließen hoffen. Eva Rhode

Der Phonetracker (99 Euro) wird von der PC-Kunk GmbH Ortungssysteme, Potsdamer Str. 18a, D-14513 Teltow hergestellt. Informationen im Internet unter www.pc-funk.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen