: Die Pinselstrichsanierer
taz-Serie „Die Profiteure“ (Teil 4): Die Aubis-Manager Wienhold und Neuling sind unmittelbare Nutznießer der Bankenkrise – und deren Auslöser. Mit von der Partie war aber auch der alte CDU-Filz
von UWE RADA
Als der Baulöwe Jürgen Schneider im Jahre 1995 festgenommen wurde, hieß es in Berlin etwas voreilig: „Das ist bei uns nicht möglich.“
Das war untertrieben. In Berlin war noch ganz anderes möglich. Anders als bei Schneider haben die Baulöwen Klaus-Hermann Wienhold und Christian Neuling die Banken nicht getäuscht. Vielmehr hat ihr Kreditgeber Klaus Landowsky von der Bankgesellschaftstochter BerlinHyp ganz freiwillig mitgemacht – so freiwillig, wie man eben mitmacht, wenn man eine Barspende von 40.000 Mark bekommt.
Wenn man von den Profiteuren des Berliner Bankenskandals spricht, stehen die Namen der beiden Ex-CDU-Funktionäre Wienhold und Neuling ganz oben. Mit ihnen hat alles begonnen, damals im Jahr 1995, im Internationalen Club zu Berlin, bei einem Diner mit Klaus Landowsky, damals noch Chef der BerlinHyp und der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Wienhold und Neuling, so steht zu vermuten, konnten gleich zur Sache kommen. Man kannte sich. Wienhold war jahrelang Mitglied der CDU-Fraktion, hatte als Referent beim damaligen Verkehrssenator Edmund Wronski gearbeitet und seiner Partei auch als Landesgeschäftsführer gedient. Er war aber auch schon ins Gerede gekommen, als er als Vorsitzender des Kontrollgremiums des Berliner Verfassungsschutzes eine Personalempfehlung aussprach – zugunsten seines Neffen.
Auch Christian Neuling war für Klaus Landowsky kein Unbekannter. Auch er war Mitglied der Berliner CDU-Fraktion, später sogar Bundestagsabgeordneter gewesen. Und auch bei ihm ging nicht alles sauber zu. Neuling war nicht nur Inhaber einer Chemiefirma und im Aufsichtsrat der Minol AG, sondern auch Vorsitzender des Treuhand-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Das nennt man wohl Interessenkonflikt. Christian Neuling kostete derselbige beide Jobs. Aber da war ja noch die Idee. Vor allem aber war da Klaus Landowsky.
Die Idee war simpel. Weil die laut Altschuldenhilfegesetz zur damaligen Zeit vorgesehene Privatisierung kommunaler Wohnungen an die Mieter auf wenig Interesse stieß, ließ die Bundesregierung auch einen Verkauf an so genannte Zwischenerwerber zu. Das war die Stunde von Wienhold und Neuling. Mit einem 600-Millionen-Kredit von Landowskys BerlinHyp konnten sie sich ab 1995 auf einen bis dato beispiellosen Kaufzug in Sachen Plattenbauwohnungen machen. Er begann mit 4.489 Wohnungen in Leipzig-Grünau, für die die beiden Aubis-Manager 170 Millionen Mark berappen mussten. Danach ging alles Schlag auf Schlag: 1.815 Wohnungen kaufte die Aubis in Schwerin, 1.299 Wohnungen in Görlitz, 996 in Dresden, 959 in Brandenburg/ Havel, 943 in Halle, 837 in Weißwasser, 857 in Plauen, 802 Wohnungen in Zittau sowie mehrere hundert Wohnungen in Schmalkalden und Markneukirchen. Lästige Konkurrenten hielt man sich – wenn es überhaupt welche gab –, wie in Cottbus, wo 3.023 Wohnungen an die Aubis verkauft wurden, mit Hilfe der kommunalen Ausschreibungspraxis vom Halse. Insgesamt, so schätzt man, haben sich Wienhold und Neuling mit Landowskys Hilfe 16.000 Wohnungen unter den Nagel gerissen.
Doch schon zwei Jahre später begann das Plattenbauimperium zu wanken. Einigen Akteuren schwante schon damals, dass sie es nicht mit seriösen Geschäftspartnern zu tun hatten, sondern mit Vertretern des Westberliner CDU-Filzes, der schon bei der Antes-Affäre in den Achtzigerjahren die Grenzen zur Illegalität immer wieder überschritten hatte. Im September 1997 beschloss die Eisenbahner-Wohnungsbaugesellschaft in Dresden, ihren Vertrag mit Aubis zu kündigen. In Görlitz stand sogar die Zwangsvollstreckung bevor. Dort hatten die Immobilienkäufer die vereinbarten 40 Millionen Mark nicht bezahlt, weil die Wohnungsbaugesellschaft sie angeblich arglistig getäuscht habe. In Wirklichkeit war jedoch der Plan von Wienhold und Neuling, zu kaufen, sanieren und teuer weiterzuverkaufen, ins Stocken geraten. Unter Insidern machte schnell das böse Wort von der „Pinselstrichsanierung“ die Runde.
Der Rest ist, aus heutiger Sicht, bekannt. Die Immobilientochter der Bankgesellschaft, die Bavaria, musste einspringen und 4.000 Wohnungen aus dem Aubis-Imperium herauskaufen, damit Aubis nicht endgültig ins Schlingern geriet.
Später dann sprang die Bank ihren Kreditnehmern mit der so genannten Nießbrauchlösung zur Seite, bei der sie Wienhold und Neuling die Verantwortung für den Rest der Wohnungen abnahm und sie zudem von der Kreditschuldenlast befreite. Die Wohnungen selbst blieben bei diesem Freundschaftsdienst in Besitz der Aubis. Selbst die privaten Kredite, die Wienhold und Neuling von Landowskys Bank bekommen hatten, wurden ihnen erlassen.
Doch die Aubis-Manager zeigten sich dem CDU-Freund Landowsky gegenüber wenig dankbar. Noch als die Bank Millionen um Millionen nachschoss, um Aubis und den eigenen Kredit zu retten, schlossen Wienhold und Neuling nach Angaben der Staatsanwaltschaft überteuerte Verträge mit dem Wärmeliferanten Elpag ab und wirtschafteten damit in die eigene Tasche. Entgegen den eigenen Angaben waren die Aubis-Manager laut Staatsanwaltschaft mit der Elpag nämlich wirtschaftlich verbunden. So habe der Chef der Elpag zuvor bei Aubis gearbeitet.
Dass Klaus-Hermann Wienhold und Christian Neuling heute in Untersuchungshaft sitzen, mag manchen als Genugtuung erscheinen. Aber es stellen sich auch Fragen, zum Beispiel, warum ausgerechnet jener Untersuchungsrichter, der zur Zeit der großen Koalition Sprecher von CDU-Justizsenator Eberhard Diepgen war, die beiden zunächst wieder laufen ließ.
Gibt es noch immer den CDU-Filz, der seine schützende Hand über Wienhold und Neuling hält? So, wie die beiden Aufsichtsratsmitglieder der Aubis, Christian Schwarz-Schilling und Jochen Borchert, es in den Neunzigerjahren gemacht haben. Beide waren sie ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und beide haben sie, wie es die grüne Abgeordnete Barbara Oesterheld vermutet, den Immobilienneulingen dabei geholfen, an ihre Wohnungen zu kommen.
Und dann war da ja noch Klaus Landowsky, der die Kreditvergabe an die beiden Aubis-Manager laut Untersuchungsausschuss in der eigenen Bank durchgesetzt haben soll, obwohl sich führende Bankenvertreter entschieden gegen dieses Kreditgeschäft ausgesprochen haben sollen. Ist das die Freiwilligkeit, die sich ergibt, wenn man eine Barspende in Höhe von 40.000 Mark bekommt?
P.S. Der Schaden, den die Schneider-Pleite angerichtet hat, belief sich auf 6,7 Milliarden Mark. Der, den die Bank infolge des Aubis-Geschäftes und der anderen Fonds verursacht hat, kam das Land bislang 4 Milliarden Mark zu stehen. Weitere 5 bis 8 Milliarden Euro an Verlusten sind bereits eingeplant.
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