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Die Frage nach Ehefrau Carola

Reinhold Beckmann hatte sich vorgenommen, Jürgen Möllemann als Antisemiten zu überführen. Doch statt in entscheidenden Momenten nachzuhaken, atmete der Talkmaster schwer, wollte Privates wissen und überließ Möllemann das letzte Wort

von ULRIKE HERRMANN

Es war eine kleine Szene, aber sie stand fürs Ganze. Zeigte sie doch, wie wenig Talkmaster Reinhold Beckmann dem Mediengenie Jürgen Möllemann gewachsen war.

Beckmann: „So steht’s in der Kolumne.“ Gemeint war Möllemanns Text im Neuen Deutschland, wo er die Wahlerfolge von Fortuyn und Haider als eine demokratische Emanzipation beschrieben hatte.

Möllemann: „Steht da nicht drin!“

Beckmann: „Doch, doch, das steht in der Kolumne drin!“

Möllemann: „Also, haben Sie die Kolumne da?“

Das war eine Frage, die Beckmann lieber nicht beantwortete. Offensichtlich hatte ihn seine Redaktion nur mit losen Zitaten gefüttert. Und so entschied Möllemann das Duell für sich, das am Montagabend von der ARD ausgestrahlt wurde. Beckmann – der sonst eher Schlagersternchen und verblassende Schauspielstars mitfühlend-mitleidend nach ihrem Schicksal befragt – hatte sich diesmal vorgenommen, Möllemann als Antisemit zu überführen und sich im konfrontativen Journalismus zu üben. An Aggression fehlte es Beckmann dabei nicht, aber an strategischem Überblick. Sobald das Gespräch auf eine argumentative Entscheidung zusteuerte, zog sich der Moderator zurück. Er atmete schwer, blickte konzentriert auf seine Zettel, wechselte das Thema, sagte „machen wir weiter“ – und machte dabei vor allem eines: Er ließ Möllemann das letzte Wort.

Dies passierte ihm etwa, als der FDP-Vize nicht ungeschickt ein antisemitisches Klischee variierte: die jüdische Verschwörung. Anders als Karsli ging Möllemann nicht so weit, sie gleich weltweit zu vermuten. Er beschränkte sich auf Deutschland, um die Kritik an seinen Äußerungen abzuwehren. Angesichts der neuesten Umfragen, die die Liberalen gelegentlich bei zweistelligen Stimmenprozenten sehen, fragte Möllemann, ist ja nur eine Frage: „Herr Friedmann ist CDU-Mann, Herr Spiegel unterstützt die SPD – könnte es denn sein, dass die im Blick auf die Wahlen etwas machen, was auch nicht fair ist, nur um die FDP kleinzukriegen? Ich habe ein bisschen den Verdacht, dass das läuft.“

Darauf Beckmann: „Ich würde jetzt gern mit Ihnen über die Situation zu Hause sprechen.“ Und fragt, als hätte er nicht zugehört, nach Ehefrau Carola.

Zur Verschwörungswelt des Jürgen Möllemann gehört auch seine stete Behauptung, dass er einsam und mutig ein Tabu bricht, wenn er endlich die Palästinapolitik des israelischen Premiers Scharon kritisiert. Ob es ein solches Denkverbot in Deutschland tatsächlich gibt – das hat er bisher lieber nicht nachgewiesen. Er würde ja auch scheitern, wird doch die isrealische Besatzungspolitik bereits seit mehr als einem Jahr in Deutschland debattiert. Aber Beckmann ersparte seinem Gast eine solche Beobachtung, bestätigte ihn stattdessen, indem er ganz unschuldig fragte: „Warum wollen Sie dieses Tabu brechen?“ Da hatte Möllemann einen lichten Moment, der ebenfalls ungenutzt vorbeiging: „Ich breche kein Tabu.“

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