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Aufruhr im Hühnerstall

Noch viel mehr mit Pflanzengift verseuchter Weizen in Niedersachsen aufgetaucht. Ministerin Künast: Konventionelle Landwirtschaft eventuell auch betroffen. Behörden wussten Bescheid

BERLIN taz ■ Der Skandal um das Pflanzengift Nitrofen im Futtergetreide weitet sich aus. Bundesverbaucherministerin Renate Künast (Grüne) sagte gestern, es könne nicht mehr ausgeschlossen werden, dass der Skandal auch die konventionelle Landwirtschaft betrifft. Der Lieferant des verseuchten Geflügelfutters, die GS agri in Niedersachsen, verarbeite nämlich nur 10 Prozent Biogetreide. 90 Prozent der Produktion gehe an herkömmliche Mastbetriebe. Bei diesen wird höchstens stichprobenartig auf Rückstände getestet. Hier müsse nachgeforscht werden.

Darüber hinaus ist auch die Menge des verseuchten Weizens nach neuen Erkenntnissen wesentlich größer als gedacht: Gestern sagte das Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen, dass nicht 100, sondern 550 Tonnen belastetes Getreide weiterverarbeitet wurden. Diese stammten aus noch nicht bekannten Betrieben. Bei Durchsicht der Geschäftsbücher der GS agri haben Beamte laut Niedersachsens Minister Uwe Bartels (SPD) ermittelt, dass in sage und schreibe 31 Proben Nitrofen festgestellt wurde, erstmals am 19. März. Dennoch sei bis zum 10. Mai an mehr als 100 Ökobetriebe das Nitrofenfutter ausgeliefert worden.

Bartels steht in diesem Skandal zunehmend dumm da. Er hatte den Fall Ende letzter Woche publik gemacht und dann Bundesministerin Künast scharf angegriffen. Nun wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg schon seit Anfang Mai in zwei Nitrofenfällen ermittelt. Bei genau dieser Staatsanwaltschaft hatte Bartels Ende letzter Woche publikumswirksam Anzeige gegen unbekannt erstattet, ohne anscheinend von den laufenden Verfahren etwas zu wissen. Und auch die Bezirksregierung Lüneburg – ebenfalls in Bartels’ Amtsbereich – erhielt einen telefonischen Hinweis, meldete jedoch nichts weiter, wie Bartels Ministerium am Montagabend zugab. REM/Ü. O.

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