ofusaido: Miese Laune
Berliner TV-WM
Gestern war wahrlich kein guter Tag zum Döneressen. Am Kottbusser Tor in Kreuzberg etwa, wo sonst Salat, Soße, Fleisch oder Falafelbällchen liebevoll im Fladenbrot arrangiert werden, wo man sonst mit einem netten Lächeln begrüßt und mit einem noch netteren verabschiedet wird, wo man am 1. Mai urgemütlich bei den Riots zugucken kann – nichts war es mit der gewohnten Herzlichkeit.
Die Türkei hat verloren, 1:2 gegen den vierfachen Weltmeister Brasilien. Fußball kann – pardon – so richtig Scheiße sein. Kein Smalltalk gestern, kein extra Salat, das Rückgeld wurde lieblos auf den Tresen geworfen.
So nahe an einer Sensation war das türkische Team beim WM-Spiel im südkoreanischen Ulsan. Ein 1:0 Sieg schien bis in die 50. Minute möglich, auch das bis kurz vor Schluss gehaltene 1:1 wäre Grund zum Feiern gewesen. Doch dann gab es ja den Elfer, der keiner war, die zwei roten Karten und sowieso hatten sich alle gegen den türkischen Fußball verschworen.
Vor einer Großleinwand im Sony-Center am Potsdamer Platz kam es just in diesen Minuten gar zu schweren Auseinandersetzungen. 400 Türkei-Fans prügelten sich mit 60 Anhängern von Brasilien, ein Mann wurde durch einen Schlag mit einem Bierglas verletzt. 150 Polizisten waren vonnöten, um die Streithähne zu trennen. Da ist man ja fast froh, mit einem mittelprächtigen Döner in der Hand davongekommen zu sein.
Ein weiteres Miese-Laune-Mekka waren die Vereinsräume vom BFC Türkiyemspor. Gleich mit dem Schlusspfiff stürmten die gut 200 Fans nach draußen und schimpften wie die Rohrspatzen.
„Der Schiri ist ein Arschloch“, blökte einer in ein Mikrofon vom SFB. Endlose Tiraden über jede Aktion in den noch unverdauten Schlussminuten folgten. Auch Türkei-Trainer Senol Günes kam nicht gut weg: „Der Teamchef ist eine Schande für unser Land. Soll diese Bohnenstange zurück auf sein Dorf gehen, zurück in die dritte Liga. Ich schäme mich für unsere Mannschaft.“
Der Interviewer freute sich nicht lange über dieses prächtige, emotionale Zitat. „Wenn das nicht gesendet wird, bin ich sauer. Ich finde dich, in der ganzen Stadt“, hallte es dem armen Reporter hinterher. TOF
Ofusaido heißt auf Japanisch Abseits
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen