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PR-Mann nordkoreanischer Flüchtlinge

Norbert Vollertsen kämpft wegen der deutschen Geschichte mit missionarischem Eifer für die Menschen in Nordkorea

Norbert Vollertsen ist Notarzt. Zu wissen, wo er gebraucht wird, gehört zu seinem Beruf. Also hat der in Südkorea lebende deutsche Helfer nordkoreanischer Flüchtlinge dieser Tage die Heimat besucht. Denn hier wollen die Medien plötzlich mehr über das Reich des Diktators Kim Jong Il wissen, seitdem seit Dienstag 15 nordkoreanische Flüchtlinge in der deutschen Botschaftsschule in Peking ihre Ausreise nach Südkorea verlangen.

Vollertsen kennt einige der Flüchtlinge persönlich. Er traf sie bei Reisen an die Grenze zwischen Nordkorea und China, während denen er sich um die medizinische Versorgung der Flüchtlinge bemühte. Auch ihr Fluchtweg während der vergangenen Tage war ihm bekannt: „Uns blieb gar keine andere Wahl als das Gelände der deutschen Schule“, erklärt er mit dem Eifer eines Feldherrn nach gewonnener Schlacht. „Alle anderen westlichen Botschaften in Peking gleichen inzwischen Hochsicherheitstrakten. Dagegen war die Besetzung der Schule relativ einfach.“ Dabei ist ihm bewusst, dass das Schulgelände womöglich nicht den gleichen exterritorialen Status hat wie das eigentliche Botschaftsgelände und Chinas Regierung somit rechtlich auf Auslieferung der Flüchtlinge bestehen könnte. Doch Vollertsen ficht das nicht an: „Solange CNN und die deutschen Medien vor dem Schultor stehen, sind die Nordkoreaner in Sicherheit. Da vertrauen wir ganz auf die Macht der Medien, der sich nach unserer Erfahrung selbst die Chinesen zu beugen wissen.“

Vollertsens ständige Versuche, die Medien auf das Leid in Nordkorea aufmerksam zu machen, machten ihn unter westlichen Journalisten in Asien berühmt. Die einen halten ihn für einen „Überzeugungstäter“, andere für „mediengeil“, wieder andere für einen „Verrückten, den man braucht, um das verrückte Nordkorea zu verstehen“.

Dabei kennt Vollertsen das Land besser als alle, die darüber berichten. 1999 kam er mit der Hilfsorganisation Cap Anamur dorthin und gewann zunächst das Vertrauen der Regierung, als er eigene Haut für ein nordkoreanisches Brandopfer spendete. Dafür erhielt er zusammen mit einem Kollegen als erster westlicher Gast überhaupt die Freundschaftsmedaille des Landes. Sie verschaffte ihm Reise- und Informationsmöglichkeiten, wie sie vor ihm kein Westler in dem verschlossenen Land besaß. „Ich sah Kinder, alle zu klein für ihr Alter, mit hohen Augen und zerfallener Haut, die blauweiß gestreifte Schlafanzüge trugen – wie die Kinder in Auschwitz und Dachau unter Hitler“, berichtete er von den „schockierenden und unvorstellbaren“ Zuständen.

Nachdem Vollertsen seine Eindrücke publik gemacht hatte, musste er das Land verlassen. Seitdem ist er sich seines Auftrages erst recht gewiss: Gerade weil seine Elterngeneration über die Verbrechen unter Hitler geschwiegen habe, möchte er das Verbrechen an den Nordkoreanern nicht im Verschwiegenen lassen. Immer wieder äußerte er Vermutungen über KZ-Zustände in Nordkorea, auch wenn ihm hier Beweise fehlen, und nennt Kim Jong Il einen Völkermörder. Dass er damit auch die deutsche Diplomatie hinterfragt, die erst vor kurzem diplomatische Beziehungen zum Regime aufnahm, ist ihm nur recht. „Deutschland muss sich immer an die Geschichte erinnern“, sagt er. „Deshalb hat Deutschland in der Nordkorea-Frage einen so hohen Stellenwert.“ GEORG BLUME

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