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Gegen Bush und den Krieg

Über 100.000 Menschen demonstrieren in Washington gegen einen Angriff auf den Irak – die größte Friedenskundgebung seit Vietnam. Und auch die Prominenz ist auf der Bühne mit dabei

aus Washington BERND PICKERT

Es war die größte Friedensdemonstration in den USA seit den Protesten gegen den Vietnamkrieg. Von 200.000 TeilnehmerInnen in Washington sprechen später die Veranstalter von der Answer-Koalition. Das mag übertrieben sein – über 100.000 aber, da sind sich alle einig, waren es sicher. Es fällt auf, dass eine ganze Altersgruppe fehlt: Da sind viele ganz junge und etliche, die schon gegen den Vietnamkrieg demonstriert haben dürften. Es fehlen die 30- bis 50-Jährigen, diejenigen mithin, die mitten im Berufsleben stehen.

Der Tag beginnt verhalten und vor allem matschig. Nach tagelangem Regen ist der grasbedeckte Boden rund um das Vietnamdenkmal in den Constitution Gardens durchgeweicht. Die Menschen sind aufgekratzt. Viele Hochschüler sind in Bussen gekommen, aus New York und anderen Bundesstaaten, jetzt geben sie die Slogans zum Besten, die sie sich unterwegs ausgedacht haben, die Lieder, die sie eingeübt haben.

Alle schauen auf die Pappschilder der anderen, ob jemand noch einen originelleren Spruch erfunden hat. „Regime Change begins at home“ heißt es da, „Healthcare, not Warfare“, „Money for jobs, not for bombs“ und immer wieder, in Abwandlungen, „Bush, Cheney, Rumsfeld – Achse des Bösen“, manchmal aber auch „Asses of evil“ ( „Arschlöcher des Bösen“).

Viele wehren sich präventiv gegen den Vorwurf des Antiamerikanismus: „Dissens ist patriotisch“ hat einer auf ein Schild geschrieben. Später formuliert die Schauspielerin Susan Sarandon: „Ich bin hier, weil ich es leid bin, dass man mir Angst davor macht zu sagen, was ich denke. Man hat uns gesagt, dass es nur zwei Wege gebe: mit uns oder gegen uns. Man hat uns gesagt, dass es antiamerikanisch sei, bestimmte Fragen zu stellen. Und Herr Bush hat viele davon überzeugt, dass es notwendig sei, den Irak präventiv anzugreifen, um unsere Demokratie zu beschützen. Ich sage Ihnen, Mister Bush: So (zeigt auf die Menge) sieht Demokratie aus.“ Das andere Amerika will so anders gar nicht sein.

„Wir sind hier, um zu sagen, dass George Bush keine Autorisierung für diesen Krieg hat!“, begrüßt Mara Verheyden-Hilliard von Answer die Menge. Eine „neue Basisbewegung“ sei im Entstehen, nur sie könne diesen Krieg verhindern. Die Selbstbeschwörung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Reden an diesem Tag, wie eine Versicherung, dass man mehr ist als eine Minderheit von Dissidenten, deren wahrhaft große Demonstration in den Abendnachrichten im Fernsehen nur eine kleine Meldung zwischen Neuigkeiten von den Scharfschützen-Ermittlungen und den Football-Ergebnissen wert ist.

Patti Smith tritt auf. Mit ihren langen, leicht ergrauten Haaren steht sie auf der Bühne, strahlt Kraft aus. „So wie wir mehr werden, wird unsere Stimme gehört werden,“ meint sie, hat dann aber eigentlich nur zwei Worte zu sagen: „Kein Krieg!“ Dann singt sie ihren alten Hit „People have the power“.

Jesse Jackson, der alte demokratische Bürgerrechtler, erinnert an Martin Luther King: „Dr. King wäre glücklich, heute so viele junge Leute zu sehen, die eine neue Friedensbewegung in Amerika aufbauen.“ Er fordert ein Ende des Unilateralismus: „Saddam Hussein muss sich für seine Verbrechen verantworten? Das ist ein gutes Argument für den Internationalen Strafgerichtshof, nicht für die Bombardierung Bagdads!“, sagt er.

Der altersradikale ehemalige Generalstaatsanwalt Ramsey Clark vergleicht Bush mit Heinrich Himmler, die schwarze Kongressabgeordnete Cynthia McKinney beschimpft die führenden Bush-Politiker, sie führten Kriege, hätten sich aber selbst stets vor dem Militärdienst gedrückt. Mit dem Marsch ums Weiße Haus endet der Protest. Präsident Bush hat davon nichts mitbekommen. Er weilt beim Apec-Gipfel in Mexiko.

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