: Hussein hat das letzte Wort
Das politisch bedeutungslose irakische Parlament hat sich gegen die UNO-Resolution über die Rückkehr der Inspektoren ausgesprochen. Nun muss der Revolutionäre Kommandorat unter Vorsitz des Präsidenten bis Freitag entscheiden
von KARIM EL-GAWHARY
Das irakische Parlament hat gestern den schwarzen Peter weitergereicht: Bei der Frage, ob das Land der UN-Resolution 1441 und damit der Rückkehr der UN-Waffeninspektoren zustimmt, liegt die endgültige Entscheidung nach dem Votum der Abgeordneten bei Präsident Saddam Hussein und dem Revolutionären Kommandorat, dessen Entschluss das Parlament in jedem Fall respektieren würde.
Zuvor hatten die 250 Abgeordneten allerdings einstimmig eine „Empfehlung“ verabschiedet, die UN-Resolution abzulehnen. In einer zweitägigen Debatte hatten mehrere Abgeordnete erklärt, dass es sich bei der am Freitag vom UN-Sicherheitsrat einstimmig beschlossenen Resolution lediglich um einen Vorwand für den Beginn eines Krieges handele. Das Dokument sei „inakzeptabel und verletze die irakische Souveränität“, sagte der Sprecher des Parlamentes, Saadun Hammadi, während der Sitzung. „Wenn man die Resolution liest, dann erkennt man, dass jeder kleinste Fehler, der von irgendeinem Waffeninspektor bemängelt wird, zum Kriegsgrund mutieren kann“, erklärte der Abgeordnete und Dekan der politischen Fakultät der Universität Bagdad, Muhammad al-Adhami, im Anschluss an die Debatte.
Die Parlamentarier zeigten sich in ihrer einstimmigen „Empfehlung“ unbeeindruckt von einem Brief des Präsidentensohnes Uday, den dieser zuvor an alle Mitglieder des Parlaments verschickt hatte und in dem es heißt, dass das Land kaum eine andere Möglichkeit habe, als der Resolution zuzustimmen.
Laut der UN-Resolution 1441 hat der Irak bis Freitag Zeit, um sich für eine Rückkehr der Waffeninspektoren zu entscheiden. Ansonsten wird in einer weiteren Sicherheitsratssitzung über die angekündigten „ernsthaften Konsequenzen“ verhandelt. Dass die USA und Großbritannien dann für einen Krieg votieren, gilt als ausgemacht. Auch Frankreich ließ keine Zweifel daran, das Paris dem zustimmen würde. „Wenn Saddam Hussein nicht nachgibt und seine Verpflichtungen nicht erfüllt, dann muss offensichtlich Gewalt angewendet werden“, erklärte Außenminister Dominique de Villepin.
Russland gibt sich weiterhin diplomatisch. Präsident Wladimir Putin zeigte sich nach einem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder zuversichtlich, dass „Bagdad die Möglichkeit nutzen wird, eine militärische Konfrontation zu vermeiden“. Schröder unterstrich nochmals seine Hoffnung, dass die Resolution eine Chance eröffne, den Konflikt zu lösen.
Über Krieg und Frieden wird jetzt der irakische Revolutionäre Kommandorat entscheiden, das nach der Verfassung des Landes höchste Gremium im Staat mit dessen Vorsitzenden Saddam Hussein. Es entscheidet über Fragen der inneren und äußeren Sicherheit, den Haushalt, die Mobilmachung der Armee und, wie im aktuellen Fall, über die Annahme oder Ablehnung internationaler Vereinbarungen. Neben Saddam Hussein sitzen dort als Vizevorsitzender Izzat Ibrahim, der international bekannte Vizepremier Tarik Asis, Saddams Sohn Qusay, der den internen Sicherheitsapparat regiert und innerhalb des Regimes als Saddams Nachfolger gehandelt wird, Vizepräsident Taha Jassin Ramadan, der immer vorausgeschickt wird, um schwierige Unterfangen zu verkünden und durchzusetzen, sowie Saddams Clan-Vertrauter, Ali Hassan al-Majid, der für seinen Befehl, die kurdische Stadt Halabja 1988 mit Giftgas anzugreifen, unter den Kurden auch als „Chemical Ali“ bekannt ist. Sie alle werden Saddam beraten, widersprechen werden sie ihm sicherlich nicht.
Das Gremium tagt in geheimer Sitzung. Dem Rest des Landes wird bei dieser Gelegenheit in den Nachrichten meist ein langer Tisch mit den olivgrün uniformierten mächtigsten Männern präsentiert, die in Richtung des Vorsitzenden blicken. Diese Sequenz wird in der Regel mit klassischer Musik unterlegt, was der Runde eine fast mystische Bedeutung zuweist.
Angesichts der ablehnenden Haltung des irakischen Parlaments gegenüber der UN-Resolution ist der Ölpreis um zeitweise mehr als 30 Cent gestiegen. Die Sorge vor dem Ausbruch eines Krieges am Golf und die damit verbundene Angst vor der Unterbrechung der Ölzufuhr hatten den Preis in den letzten Monaten immer wieder auf fast 30 Dollar pro Fass getrieben.
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