: Niemals frei für die Polizei
Bambule: Innensenator Schill lässt Demonstranten trotz Einladung nicht zum Schickeria-Treff Wollenberg. Klagen gegen Polizei geplant. Senat möchte angeblich mit Bambule Frieden schließen
von KAI VON APPEN
Die Bambule-Proteste in Hamburg gehen weiter, und die Polizei zeigt weiterhin Stärke durch Mensch und Material: So rückten am Samstagabend wieder drei Hundertschaften an, als sich spontan 100 Menschen zu einer Demo „gegen Polizeigewalt“ formierten und durchs Schanzenviertel zogen. Am späten Freitagabend hatten 1400 PolizistInnen aus mehreren Bundesländern mit Wasserwerfern und Panzern das Alsterufer rund um den Promi-Nachtclub „Wollenberg“ in eine Festung verwandelt und 1000 Demonstrierenden den Weg versperrt. „Wir wollen auch noch Hubschrauber“, bemängelte eine Bambule-Sprecherin sarkastisch über den Truck-Lautsprecher die geringe Wertschätzung.
Damit setzt Innensenator Ronald Schill seine Eskalationslinie fort, für die sich nun auch Polizeipräsident Udo Nagel öffentlich vor den Karren spannen läßt. Trotz Dauereinsatz seiner Leute und de facto-Ausnahmezuständen ganzer Regionen, sieht er die Polizeistrategie als erfolgreich an, sagte er der Welt am Sonntag. „Aus Sicht der Polizei ist es eigentlich ganz gut gelaufen.“ Dass das wohl nicht überall so gesehen wird, will die Mopo erfahren haben. So soll Innenstaatsrat Walter Wellinghausen von Bürgermeister Ole von Beust das „Mandat“ erhalten haben, „nach einer Verhandlungslösung zu suchen“. Bambule-Anwalt Manfred Getzmann gestern zur taz hamburg: „Wir sind jederzeit gesprächsbereit, Wellinghausen soll ruhig kommen.“
Indes haben 150 Betroffene des „Hamburger Kessels“ vom vorigen Montag in der Friedenskirche ihr Vorgehen gegen die Polizei beraten. „Es wird Musterklagen gegen die Einkesselung geben“, erklärt Anwalt Andreas Beuth. Das Verwaltungsgericht soll in einem Feststellungsverfahren die Rechtswidrigkeit der Polizeimaßnahmen manifestieren. „Diejenigen, die verletzt worden sind, werden Strafanträge wegen Körperverletzung stellen.“ Getzmann bereitet überdies eine Strafanzeige gegen mehrere Polizeiführer wegen „Freiheitsberaubung“ vor.
Und auch das Demo-Verbot von Freitagnacht ist rechtlich zweifelhaft. Denn der Besitzer des Schickeria-Treffs, Michael Wollenberg, hatte über Radio erklärt, die Bambulisten seien zu dem Event vorm Lokal „herzlich willkommen“, er wolle seine Gäste mit „Glühwein und belegten Brötchen“ empfangen.
Am Abend hatte die Polizei auf Schills Order dann weiträumig abgesperrt. „Die Auflagen sind zum Schutz des Wollenberg ausgesprochen worden“, erklärte gestern Polizeisprecher Ralf Kunz, „aber auch zum Schutz der Konsulate.“ Eigentlich wollten die Bambule-Bauis vor dem „Wollenberg“, das Schill gern für „erweiterte Bürgersprechstunden“ frequentiert, den „Reichtum gemeinsam verfrühstücken“.
siehe auch bericht SEITE 8
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