: City wird zur Hammaburg
Fast 10.000 Menschen demonstrieren in der Innenstadt für die Bambule und gegen die Politik des Rechtssenats. Massive Polizeipräsenz, keine Zwischenfälle. Schill scheitert mit Verbot vor dem Oberlandesgericht. Kritik an „Hetze“ der Bild-Zeitung
von KAI VON APPEN
„Wir haben eine Demonstration angemeldet und kein Polizei-Spalier – wir fordern das Team Green auf, endlich nach Hause zu gehen“, tönt es aus dem Lautsprecher. Wenig später skandiert die Menge lauthals: „Haut ab, haut ab...“ in Richtung der Polizeiketten. Eine kleine Gruppe stürmt an den Rand und zeigt mit selbst gebastelten Pfeilen mit Aufschrift „Zivi“ auf eine konspirativ agierende Person: Unter massiver Polizeibegleitung demonstrierten am Sonnabendmittag in der City fast 10.000 Menschen für die Bambule und gegen die Politik des Rechtssenats.
In der Steinstraße, Höhe C&A, droht die Situation ein paar Momente lang zu eskalieren. Denn Polizeieinsatzleiter Thomas Mülder moniert, dass einige Personen in den ersten Reihen der Demo ihre Halstücher über die Nase gezogen haben. „Das mit dem Vermummungsverbot ist heute echt ein Problem“, erwidert Bambule-Anwalt Manfred Getzmann und zeigt auf die vielen PolizistInnen, die unter ihrem Helm so genannte Hasskappen tragen. Mülder zieht an einer Seite das Spalier ab, die Demo kann weiterlaufen.
Innensenator Ronald Schill hatte bis zuletzt versucht, den Protest aus der City auf die Hafenrandstraße gegenüber der Speicherstadt zu verbannen. Doch das Verwaltungsgericht (VG) hob angesichts der friedlichen Bambule-Proteste das City-Verbot am Freitagabend auf. Obwohl die Polizeiführung die vom VG als Kompromiss vorgeschlagene Alternativroute über die Steinstraße akzeptieren wollte, musste Polizeijurist Jens Stammer auf Weisung Schills vorm Oberverwaltungsgericht Beschwerde einlegen – vergeblich: Auch dort blitzte der Innensenator in der Nacht zu Sonnabend ab.
Und so zieht die Demo jetzt vom Hauptbahnhof parallel zur Mönckebergstraße durch die City in Richtung Schanzen- und Karoviertel. Schill hat es sich allerdings nicht nehmen lassen, wieder einmal zur Materialschlacht zu blasen: An jeder Querverbindung zur vorweihnachtlichen „Shopping-World“ sind Wasserwerfer und Räumpanzer sowie Garnisonen von Polizei postiert, herangekarrt aus Schwerin, Berlin, Potsdam, Eutin, Bremen, Hessen und Thüringen. Die Bambulisten verlangen noch mehr: „Wir wollen Hu, Hu, Hubschraubeeer!“
Über den Lautsprecher kritisieren die Unterstützer immer wieder vor allem den Innensenator. Schill beseitige „die letzten humanitären, sozialen und politische Restbestände“ in Hamburg, sagt ein Aktivist. Ihm sei die Möglichkeit eingeräumt worden, sozusagen „im offenen Vollzug“ weiter zu wüten, um die Stadt „sauber von Menschen“ zu machen, die nicht den Vorgaben einer „hübsche Olympiastadt der Handelskammer“ entsprechen.
Bei einem Stopp vor dem Spinger-Verlagshaus prangert ein Vertreter der studentischen Asten die Beteiligung der Springer-Presse an dieser Politik und die „infame Hetze“ der Bild-Zeitung an. Diese gebe mit falschen Behauptungen die Bambule-Unterstützer Yavuz Fersoglu von der PDS („Krawall-Häuptling“) und Pastor Christian Arndt („Der Chaot des lieben Gottes“) zum Abschuss frei: „Hier wird ein Klima geschürt, in dem sich die Vorfälle um Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg wiederholen können“. Ohnesorg war 1967 bei den Studentenunruhen von einem Polizisten erschossen, Dutschke von einem psychisch Kranken auf der Straße angeschossen worden – nach der „Stoppt Dutschke“-Kampagne der Bild.
Die Demo endete nach fünf Stunden ohne Zwischenfälle am Schanzenbahnhof.
siehe auch bericht Seite 8Weitere Bambule-Termine: Heute nach dem Heimspiel des FC St Pauli vor dem Stadion. 5. 12., 16.30 Uhr: ver.di-Demo gegen Sozialabbau. Start am Legienplatz 6.12., 17.00 Uhr: Nikolausdemo auf der Stresemannstraße
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