Arbeitsrechte in Lateinamerika: Hoffnung auf das Lieferkettengesetz
Eine Bananenplantage in Costa Rica hat kürzlich allen Gewerkschaftern gekündigt. Jetzt können die Betroffenen durch Oxfam hierzulande dagegen klagen.
Vor drei Jahren ist Cristino Hernández jedoch in die Gewerkschaft der Plantagenarbeiter (Sitrap) eingetreten. „Ich engagiere mich für die Arbeitsrechte, bin ein Unbequemer in den Augen meines Arbeitgebers.“ Das könnte auch der Grund für den anstehenden Verkauf der Plantage sein: „Mein Kollege Miguel Anchia und ich sind dem kolumbianischen Besitzer der Plantage ein Dorn im Auge, weil wir uns engagieren, auf Arbeitsrechte hinweisen, uns nichts gefallen lassen“, vermutet Hernández. Deshalb habe Jaime Montoya, der Manager der Farm, den Verkauf der Farm eingeleitet und die Entlassung aller organisierten Arbeiter:innen, insgesamt 13, beim Arbeitsministerium angezeigt.
Formal ist das legal, denn die Plantage, die nun den Namen Esperanza, Hoffnung, trägt, wurde schließlich verkauft und hat einen neuen Besitzer. Doch Didier Leitón, Sekretär der Gewerkschaft Sitrap, vermutet dahinter nur ein Motiv: „Sie wollten die 13 organisierten Arbeiter der Farm loswerden.“
Dafür spricht, dass große Teile der 180 Arbeiter:innen der alten Belegschaft wiedereingestellt wurden. „Nicht aber wir organisierten Arbeiter“, so Cristino Hernández. Er hat zwar mittlerweile eine Abfindung per Anwalt durchgesetzt, steht aber genauso wie die anderen ohne Arbeit da. Hernández und Leitón betrachten das als miese, gegen Arbeitsrecht verstoßende Praktiken.
Weitere Sanktionen sind möglich
„Wir analysieren das deutsche Lieferkettengesetz als zusätzliche Option, um auf Arbeitsrechtsverstöße aufmerksam zu machen“, sagt der Gewerkschaftskoordinator Jorge Acosta von Astac, der ecuadorianischen Gewerkschaft der Plantangenarbeiter:innen und Kleinbäuer:innen. „Wir prüfen, ob es mit der Unterstützung von europäischen Organisationen möglich ist, auf gravierende Fälle wie den von Otisgraf hinzuweisen.“ Otisgraf ist ein ecuadorianisches Unternehmen mit deutschen Besitzern, dessen Management gewerkschaftlich organisierte Arbeiter:innen laut Acosta wenn irgend möglich entlässt.
Frauen erhielten deutlich geringere Löhne als Männer. Außerdem müssten die Leute in Vollzeit arbeiten, obwohl sie nur Teilzeitverträge hätten. Das ist ein gravierender Verstoß gegen nationales und internationales Recht, weshalb ASTAC bei der Rainforest Alliance eine Beschwerde eingereicht hat. Die weltweit aktive Organisation unterhält ein Zertifizierungsprogramm das nach eigenen Angaben das Ziel verfolgt, durch die Kontrolle sozialer, ökonomischer und ökologischer Standards die beteiligten Unternehmen zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft zu bringen. Die ASTAC-Beschwerde habe dazu geführt, dass das Zertifikat für Otisgraf seit dem 10. Juli nicht mehr gültig ist, so Rainfioarest-Referentin Christine Cöster auf Anfrage der taz. Das deutet darauf hin, dass die Verstöße gegen das Arbeitsrecht gravierend sind, denn die Zertifizierungsgesellschaft ist nicht dafür bekannt, zu harten Sanktionen zu greifen.
Ob ASTAC auch eine Beschwerde im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes anstrengen wird, ist noch nicht entschieden, aber für das Team der ASTAC-Anwälte ist das eine neue Option. Das seit dem 1. Januar geltende Gesetz bietet vollkommen neue Handhaben für Anwälte: „De facto sind für uns die Erfolgschancen über Beschwerden bei den importierenden Supermärkten und in einem zweiten Schritt im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes höher als hier vor Ort“, meint der 34-jährige Jurist Acosta. Das hat Gründe. Die Untätigkeit des nationalen Arbeitsministeriums ist ein wesentlicher. „Die Unternehmen haben sich daran gewöhnt, Gesetze nicht einzuhalten, Arbeitsgesetze zu verletzen und so mehr zu verdienen“, kritisiert der Anwalt die Defizite in Ecuador.
Ähnlich argumentiert Didier Leitón in Costa Rica. Triftige Gründe, weshalb die Zahl der Beschwerden wegen Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz beim zuständigen Bundesamt für Ausfuhrkontrolle steigt. Und es würden noch mehr, glauben Experten, weil sich die Gewerkschaftsanwälte in aller Welt erst mit den Vorgaben vertraut machen müssen. Acosta sitzt mit seinem Team daran und auch die SITRAP-Anwälte in Costa Rica machen sich schlauer. Ob sie dann über den deutschen Partner Oxfam aktiv werden, ist noch nicht klar. Für Cristino Hernández ist das jedoch die letzte Hoffnung auf Wiedereinstellung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml