Arbeitsrecht und Unternehmen: „Klatsche“ für Sixt
Eine Mitarbeiterin wurde gekündigt, weil sie einen Betriebsrat gründen wollte. Das sei unwirksam, hat das Arbeitsgericht Düsseldorf entschieden.
Eine ordentliche Kündigung der Frau komme „nicht in Betracht, weil sie als Initiatorin einer Betriebsratswahl besonderen Kündigungsschutz genieße“, heißt es in einer am Donnerstagnachmittag veröffentlichten Erklärung des Gerichts.
Auch weitere Vorwürfe des Arbeitgebers wie etwa „wiederholtes Zuspätkommen“, das die Sixt-Mitarbeiterin vehement bestreitet, hätten maximal eine Abmahnung gerechtfertigt. Zwar wurde eine Berufung vor dem Landesarbeitsgericht zugelassen – doch Ver.di-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim, der die drei Beschäftigten bei der Betriebsratsgründung unterstützt, spricht schon heute von einer „heftigen Klatsche für Sixt“.
Denn bei dem Global Player, der weltweit Standorte in mehr als 100 Ländern hat, gibt es nicht einen einzigen Betriebsrat. Schon 2005 hatte Firmen-Patriarch Erich Sixt im Handelsblatt erklärt, warum er von Arbeitnehmer:innen-Mitbestimmung wenig hält, schon 2010 berichtete die taz über die Behinderung einer Betriebsratsgründung bei Sixt in Rostock. Und an dieser Linie scheint sich wenig geändert zu haben.
Es hagelte Rauswürfe
In Düsseldorf erhielten die beiden anderen Mitarbeiterinnen, die sich ebenfalls für bessere Bezahlung und geringere Arbeitsbelastung stark gemacht hatten, zunächst Abfindungsangebote – und nach deren Ablehnung ebenfalls Kündigungen. Auch in Frankfurt am Main hagelte es nach dem Versuch der Schaffung einer Arbeitnehmer:innen-Vertretung Rauswürfe.
Begründet wurde das mit skurrilen Argumenten: So warf das Sixt-Management den drei Beschäftigten aus Düsseldorf vor, für eine Betriebsversammlung, bei der ein Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl bestimmt werden sollte, absichtlich einen zu kleinen Raum angemietet zu haben. Dies zeige, dass es den dreien „von Anfang an überhaupt nicht um die Durchführung einer ordnungsgemäßen Betriebsratswahl gegangen sei“, erklärte Sixt gegenüber der taz schon im November.
Allerdings: Für die Versammlung hatte sich keine einzige Mitarbeiterin, kein einziger Mitarbeiter angemeldet – schließlich hatte Personalchefin Friederike-Katharina Reichenberger zuvor Gespräche mit den Beschäftigten geführt. Selbst die Sixt-Geschäftsführer Heiner Schmedt und Schuster waren in Düsseldorf höchstpersönlich aufgetaucht, nachdem es die drei Frauen im August 2021 gewagt hatten, per Aushang am schwarzen Brett zur Gründung eines Betriebsrats aufzurufen.
Strafantrag gegen Sixt
An ihrer Forderung nach einer Arbeitnehmer:innen-Vertretung halten die drei Frauen dennoch fest. Angebotene Abfindungen von bis zu 15.000 Euro haben sie abgelehnt, obwohl sie als Gekündigte schon seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen. Und nach dem klaren Urteil zugunsten der ersten Betriebsrats-Gründerin setzen auch ihre beiden Kolleg:innen auf Unterstützung durch das Arbeitsgericht: „Die Verfahren sind inhaltsgleich“, sagt Gewerkschafter Tarim. „Wir hoffen deshalb, dass auch die Kündigungen der beiden anderen Kolleg:innen zurückgewiesen werden.“
In Frankfurt, wo der Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands zunächst abgelehnt wurde, will Ver.di jetzt in die zweite Instanz ziehen. Und in Düsseldorf hat Gewerkschaftssekretär Tarim bei der Staatsanwaltschaft wegen „Behinderung der Betriebsratswahl“ Strafantrag gegen Sixt gestellt. SPD-Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte erst im Januar eine entsprechende Verschärfung des Strafrechts angekündigt.
Schließlich seien in Düsseldorf nicht ohne Grund schon im Vorfeld Gegenstimmen gegen die Betriebsratswahl „organisiert“ worden, sagt Tarim: „Wenn es in Deutschland an mindestens zwei Standorten wie Düsseldorf und Frankfurt Betriebsräte gibt, können wir einen Gesamtbetriebsrat einberufen“. Und der könnte dann selbstständig Wahlvorstände für weitere Arbeitnehmer:innen-Vertretungen einsetzen – Betriebsversammlungen wie in Düsseldorf könnten nicht mehr torpediert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen