piwik no script img

Anwohnerproteste in NiedersachsenStreit um Unterkünfte für Rumänen

In Garrel hat ein großer Fleischproduzent rumänische Werksarbeiter fest angestellt. Anwohner befürchten nun Verhältnisse „wie in Neukölln“.

Hier sollen die Unterkünfte in Garrel entstehen Foto: dpa

Garrel taz | Das ist also Garrel. Die Hauptstraße wirkt ausgestorben, trotz regen Autoverkehrs. Menschen sind kaum unterwegs an diesem sonnigen Dienstagmorgen. Eine typische Kleinstadt im Oldenburger Münsterland, 13.000 Einwohner, CDU-Hochburg, katholisch. An der Hauptstraße ein Park mit Kriegerdenkmälern, die große katholische Kirche und einige Geschäfte. Und dann das Fleisch. Ein Geschäft so groß wie ein Baumarkt firmiert in greller Schrift als „Fleischparadies“. Die Fleischerei Tabeling einige Meter weiter wirbt für Spare Ribs: „Adam gab eine Rippe für eine Frau“, steht auf einer Tafel vor dem Geschäft, und dann die gequälte Pointe: „Klar, er hatte unsere noch nicht probiert.“ Die Bibel und die Schweine sind es, die diese Welt zusammenhalten.

Allein 4.000 Schweine schlachtet das Unternehmen „Böseler Goldschmaus“ hier jeden Tag. 30.000 in der Woche, 1,7 Millionen im Jahr. Rund 1.400 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, davon 600 Rumänen. Im letzten Jahr hat sich das Unternehmen zu einem bemerkenswerten Schritt entschlossen: Es stellte die rund 600 rumänischen MitarbeiterInnen, die zuvor branchenüblich bei einem Subunternehmer zu miesen Konditionen beschäftigt waren, fest ein.

Das bedeutet: Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Sozialversicherung. Ein Novum in der Branche, deren Arbeitsbedingungen berüchtigt sind. Als nächstes nahm sich das Unternehmen die Unterkünfte vor: Diese waren zuvor ebenfalls von dem Subunternehmer gestellt worden, der dafür auch noch ordentlich Miete kassierte. Schrottreife Buden im näheren Umkreis, jedenfalls kein Standard, den Böseler Goldschmaus für seine MitarbeiterInnen wollte.

Also beschloss man, neue Unterkünfte zu bauen und kaufte dafür vier Grundstücke im nahen Umfeld des Schlachthofes. „Wir wollen Wohnungen, die auch zukunftsfähig sind“, sagt Unternehmenssprecher Gerald Otto. Und: „Wir wollen den Mitarbeitern auch eine Zukunft bieten.“ Entstehen sollen nun kleine Apartments für rund 370 von ihnen, mit vernünftigem Standard, die an die MitarbeiterInnen vermietet werden. Für Goldschmaus hat das auch noch den Vorteil, dass die Mitarbeiter an Ort und Stelle wohnen und nicht mehr wie im Moment noch mit Bussen aus den umliegenden Gemeinden abgeholt werden müssen.

Blitzsaubere Straßen, klinisch reine Vorgärten

Dabei hatte das Unternehmen die Rechnung aber ohne die AnwohnerInnen gemacht: Sie machten mobil. Eine Anwohnerinitiative sammelte in nur drei Wochen 2.769 Unterschriften gegen die geplanten Wohnanlagen und übergab die Liste dem Garreler Bürgermeister. Die AnwohnerInnen befürchteten eine „kasernenartige“ Unterbringung und Verhältnisse „wie in Neukölln“ – das gaben sie jedenfalls in den örtlichen Medien wie der Nordwest-Zeitung zu Protokoll. So könne die Integration der rumänischen Arbeiter nicht gelingen.

Ja, es gebe Bedenken seitens der Einwohner, was die Anzahl der Unterkünfte anginge, sagt Unternehmenssprecher Otto vorsichtig. Das Oldenburger Münsterland hat mit über 80 Prozent die höchste Eigentumsquote in Deutschland, und auch Garrel mit seinen blitzsauberen Straßen, klinisch reinen Vorgärten und heruntergelassenen Jalousien ist vorrangig geprägt von Ein-und Zweifamilienhäusern, die auf großen Grundstücken stehen. Dass es hier durch den Bau von vier Wohnanlagen bald aussehen könnte „wie in Neukölln“, scheint eher abwegig.

Dass die teilweise seit Jahren hier arbeitenden Rumänen ordentliche Wohnungen haben, war den AnwohnerInnen in Garrel außerdem so lange egal, bis sie in direkter Nachbarschaft angesiedelt werden sollten. Ist es nun Fremdenfeindlichkeit, die hinter der Unterschriftenliste steht, oder geht es den AnwohnerInnen tatsächlich nur um Baurechtsfragen? Das Image der Stadt, sofern es eines hatte, hat seit der Unterschriftenliste jedenfalls gelitten. Dabei hätte es auch ganz anders ausgehen können, denn die Geschichte, die dahinter steht, ist eigentlich Gold wert für die Region und für eine ganze Branche, die wegen ihrer Beschäftigungsverhältnisse seit Jahren massiv in der Kritik steht.

Die Garreler selbst sagen jedenfalls gar nichts mehr, seit lokale und überregionale Medien über den Protest berichtet haben. Der Bürgermeister Andreas Bartels (CDU) ist nicht zu sprechen: Weder Mails noch Anrufe werden beantwortet. Während die freundliche Empfangsmitarbeiterin im Rathaus nach einem Blick in ihren Computer noch sagt, er sei im Hause, sieht die Welt im zweiten Stock anders aus: Nein, Herr Bartels sei nicht da, sagt seine Sekretärin – und schreibt jene Nummer auf einen Zettel, die auch auf der Website des Rathauses steht und unter der er nie zu erreichen ist.

„Ich hab’ davon eigentlich gar nichts mitgekriegt“, sagt die Besitzerin einer kleinen Buchhandlung ein paar Straßen weiter. „Ich wohne hier auch gar nicht.“ Allerdings sei sie natürlich in Garrel geboren: „Sonst bräuchte man hier auch keinen Buchladen aufmachen.“

Die Planung ist so nicht genehmigungsfähig

Im Kiosk an der Hauptstraße Zeitungen verkaufen darf man immerhin auch als Nicht-Garrelerin: „Davon hab’ ich nichts gehört, ich komme auch nicht von hier“, sagt die Verkäuferin zwischen Stapeln der Nordwest-Zeitung, die über den Protest der AnwohnerInnen ausführlich berichtet hat.„Eigentlich geht es uns um die Einhaltung der Bauvorschriften“, sagt endlich eine Frau, die gerade ihren Vorgarten mit dem Laubsauger traktiert. Goldschmaus liegt in Sichtweite. Gegen die Rumänen habe hier ja niemand etwas, versichert sie. „Natürlich müssen die ordentliche Wohnungen haben, aber so wie das ursprünglich geplant war, verstößt das gegen das Baurecht.“

Das Argument ist nicht ganz falsch: Die ursprünglich von Goldschmaus vorgelegte Planung ist tatsächlich so nicht genehmigungsfähig. Der Landkreis Cloppenburg verwies die Bauanträge für die Wohnanlagen an das Unternehmen zur Überarbeitung zurück. „Es sollen kleinere, sich in die Nachbarschaft einfügende, Wohnunterkünfte erstellt werden“, sagt der Sprecher des Landkreises Frank Beumker. „Gegen das ursprünglich beantragte Vorhaben liegen beim Landkreis Cloppenburg Nachbareinwendungen vor.“ Man erwarte die überarbeiteten Bauanträge in den nächsten Wochen. Goldschmaus wird nun nacharbeiten – und kann dann hoffen, dass die geänderten Anträge genehmigt werden. Mit der Integration zumindest fängt das Unternehmen schon mal ein bisschen an: Die rumänischen ArbeiterInnen erhalten Deutschkurse. „Und unsere Kollegen hier lernen rumänisch“, sagt Unternehmenssprecher Gerald Otto.

Was die Rumänen selbst von den neuen Wohnungen und dem Protest der Anwohner dagegen halten, ist nicht wirklich herauszubekommen. Einige stehen in der ersten Frühlingssonne des Jahres auf dem Parkplatz vor dem Lidl, manche haben Fahrräder dabei, einer ein Mofa. Sie trinken Bier, morgens um halb elf, und sie unterhalten sich. Sie sehen aus, als kämen sie gerade von der Frühschicht. Fragen kann man sie das nicht, die Verständigung klappt nicht so recht, auch wenn sie sich sehr freundlich bemühen. In dieser Gruppe spricht jedoch noch niemand genug deutsch für eine Unterhaltung. Dass sie bei Goldschmaus arbeiten, das bestätigen sie. Ob sie davon gehört haben, dass manche EinwohnerInnen in Garrel ein Problem mit ihnen haben? Nein, haben sie nicht: „Keine Problem.“

Das Unternehmensmotto ihres Arbeitgebers prangt in großen grünen Lettern auf Deutsch an der Zentrale. Es lautet: „Eine Gemeinschaft, die Gold wert ist.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • ...aber wehe die Fleischpreise steigen..., dann regen die sich auch auf...,

  • "Fragen kann man sie das nicht...,da jedoch noch niemand genug deutsch für eine Unterhaltung spricht." liebe taz, wenn ich ein Artikel darüber schreiben möchte und mit den Leuten sprechen möchte muss ich zumindest jemanden mitnehmen der rumänisch spricht...,

  • Was völlig unter den Tisch fällt, und auch im Artikel nicht stehr, ist die Tatsache das goldschmaus seinerzeit alles deutschen Schlachter entlassen und durch osteuropäische lohnsklaven ersetzt hat. Jetzt rudern die zurück um ihr image aufzupolieren. Und diese Konzentration von Schlacht Arbeitern auf engsten Raum, es ist ein Radius von gerade einmal 800 Metern in dem mehrere hundert Osteuropäer untergebracht werden sollen, ist eine Ghettoisierung. So entstehen weitaus mehr Probleme als gelöst werden.

  • ...das Mit der Integration kann man ja auch auf die Spitze treiben. Man trifft sich doch lieber mit Gleichgesinnten, weil man mehr Freunde findet. Es ist normal, oder?

     

    Die wenigsten von uns werden im engsten Freundeskreis jeweils einen CDU, einen SPD, einen FDP, einen Grünen, einen Linken und einen AFD Wähler haben. So, im Sinne der Integration.

    • @Doktor No:

      In meinen Freundeskreis ist bis auf AfD alles vorhanden.

      Es lebe die Pluralität

  • in bremen-obervieland hatte eine anwohnerinitiative eine 'verträglichkeitsprüfung' (anm.: in anlehnung an das umweltrecht !) eingefordert, wegen der absicht unterkünfte für geflüchtete menschen in der nachbarschaft einzurichten.

  • Sehr lustig der Artikel, besonders das, was weggelassen wurde. Die Einwohner dieser Region haben in erster Linie ein Alkoholproblem. Nirgendwo sonst die Zahl der Alkoholiker größer als im Oldenburger Münsterland. Dagegen ist der Verbrauch an Seife noch niedriger als üblicherweise in katholischen Gegenden.

     

    Seitdem die Luftwaffe den Flugplatz dort nicht mehr nutzt, sind nun die Eingeborenen unter sich und können sich in Ruhe den Verstand versaufen, worauf ja die CDU-Hochburg bereits hindeutet. Zivilisierte Bürger werden sich da sich nicht niederlassen, sondern wie gewohnt das Weite suchen.

     

    Die rumänischen Arbeiter könnten gewissermaßen dort eine Enklave mit in der Tat anderen Lebensgewohnheiten bilden. Sie haben das verdiente Geld nötig um damit ihre verarmten Familien in Rumänien zu unterstützen, statt es wie die Eingeborenen zu versaufen. Von den paar Euros für den Opferstock nach der heiligen Messe mal abgesehen.

    • @achterhoeker:

      Die Quellen dieser Statistiken würden mich mal interessieren. Außerdem wüsste ich trotzdem nicht, was der Alkoholkonsum oder Seifenverbrauch mit dieser Thematik zu tun hat, soll es doch jeder halten, wie er will. Und seit wann hat sie Bundeswehr die Kontrolle über das Konsumverhalten der deutschen Bürger? Insgesamt nicht sehr überzeugend die Argumentation...

  • "Eine Anwohnerinitiative sammelte in nur drei Wochen 2.769 Unterschriften gegen die geplanten Wohnanlagen und übergab die Liste dem Garreler Bürgermeister." -- na, wenn das keine gelebte zivilgesellschaftliche Basisdemokratie ist!

  • Die Rassmus Studenten in meiner stadt Marburg werden alle meist einem Wohnheim untergebracht, was stark dazu führt, dass sie unter sich bleiben und wenig Kontakte zu Marburgern haben. Nun sollte man dazu sagen, das Marburg eine linke bzw. autonome Hochburg ist, sprich die Einheimische bevölkerung eigentlich sehr kontakt freudig ist und dennoch sorge die konzentrirung unser Mitbürger mit einen anderen kulturellen Hintergrund zu einer Art von Getto bildung.

    Auch wenn der Konzern die Lebensqualität seiner Mittarbeiter verbessern will, was auf jeden fall gelobt werden soll, wäre es besser, wenn keine Konzentration sondern eine Vermischung stattfinden würde.

    • @Arianus:

      Rumänien hat aber z.B. nicht wirklich einen anderen kulturellen Hintergrund, das ist ein EU-Land.

       

      Vier Wohnhäuser sind doch keine Konzentration. Ein Wohnheim auch nicht.

      • @kditd:

        Natürlich ist das eine Konzentration, was soll das denn sonst sein? Als Konzentration wird der Umstand bezeichnet, das 'andersartige' in parallel Struckturen ohne vermischung untergebracht werden. Eine Wohnsiedlung, die dafür sorgt dass Rumänen (oder erasmus studenten) unter sich bleiben und möglichst wenig Kontakt zu Deutschen bekommen ist demnach durchaus als Konzentration zu bezeichnen.

        Und was die Kulturellen unterschiede angeht, natürlich gibt es kulturelle Unterschieden zwischen den deutschen Bundesländern, blos sind die nicht so groß wie die kultrurellen Unterschieden der europäischen Ländern untereinander, welche wiederum im Internationalen vergleich sehr gering sind.

        Entscheiden aber für die bildung einer parallel Strucktur ist hier voralledem die sprachliche Hürde, Das fällt aber auch unter den Begriff Kulturelle Hintergrund.

         

        Von daher habe ich nicht das Gefühl, dass sie sich inhaltlich mit meinen Beitrag auseinander gesetzt haben, sondern auf eine sehr oberflächliche art und weise versucht haben, aus mir unbekannten gründen, den beitrag zu diffamieren, was ich als schade erachte.