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Antisemitismus in der KulturHaushaltsordnung gegen Judenhass

Kein Geld für Kultur mit antisemitischen Inhalten: Mit der Umsetzung dieser Forderung beschäftigte sich eine juristische Fachtagung in Berlin.

Ein Banner des Kollektivs Taring Padi während der documenta fifteen wurde wegen antisemitischer Darstellungen mit Planen verhängt Foto: Peter Hartenfelser/imago

Im Kampf gegen Antisemitismus ruhen die Hoffnungen auf einem dicken gelben Buch: Bundeshaushaltsordnung / Landeshaushaltsordnungen: Staatliches Haushaltsrecht“ lautet der Titel des 1.000 Seiten umfassenden Wälzers, der wenig kulturelle Erbauung verspricht. Und doch soll der leicht veränderte Inhalt dieses Buchs, geht es nach den Vorstellungen des Berliner Tikvah Instituts und einer Reihe renommierter Juristen, der Schlüssel werden, mit der sich die staatliche Alimentierung von Judenhass im deutschen Kulturbetrieb verhindern lässt.

Juristisch betrachtet sei Antisemitismus natürlich eine Meinung, sagt Hans Michael Heinig

„Wir halten eine gesetzliche Regelung für sinnvoll, die antisemitische, rassistische und andere menschenverachtende Konzepte von Zuwendungen ausschließt. Die Haushaltsordnungen wären als allgemeines Gesetz dafür ein denkbarer Standort“, erklärte Volker Beck, der Geschäftsführer des Tikvah Instituts, am Montag in Berlin. Tatsächlich bereitet der Bundestag eine entsprechende Gesetzesinitiative vor, wie die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann mitteilte.

Seit dem Skandal um die Ausstellung eindeutig antisemitischer Kunst auf der documenta 15 in Kassel und der Unfähigkeit der Geschäftsführung der Kunstschau, daraus Folgerungen zu ziehen, mehren sich die Stimmen für rechtsstaatliche Konsequenzen. Die Welle von Judenhass in Deutschland seit dem Hamas-Terrorangriff am 7. Oktober auf Israel hat gezeigt, dass es sich da nicht gerade um ein Nischenthema handelt.

Der Staat darf keine Werturteile über Kunstwerke abgeben

Es hat in jüngster Zeit in Berlin nicht an Initiativen gefehlt, um zu verhindern, dass Antisemiten in Deutschland auch noch von staatlichen Zuwendungen profitieren. Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) wollte im Januar Förderungsbescheide mit einer Art Selbsterklärung garnieren, in der nichtstaatliche Organisationen versichern sollten, dass die Gelder nicht in „rassistische, antisemitische, queerfeindliche oder anderweitig ausgrenzende Ausdrucksweisen“ flössen. Nachdem diese Idee wegen juristischer Bedenken gescheitert war, schwebt Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) nun vor, dass der Verfassungsschutz überprüft, ob die Empfänger staatlicher Unterstützung auch koscher sind.

Beide Vorstellungen stießen am Montag auf einer juristischen Fachkonferenz des Tikvah Instituts in den Räumen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin auf wenig Unterstützung. Das begründet sich auch aus dem Grundgesetz. So sei die dort verankerte Kunstfreiheit so zu verstehen, dass dem Staat keineswegs erlaubt sei, Werturteile über Kunstwerke abzugeben, also etwa zu entscheiden, ob dieses oder jenes Werk antisemitische Inhalte verbreite und deshalb abgehängt werden müsse. Eine solche Entscheidung käme ausschließlich dem vom Staat beauftragten Fach-Gremium zu, das etwa eine Kunstschau leitet, sagte Nina Keller-Kemmerer von der Universität Gießen. „Kunst ist Kunst, ob mit oder ohne Antisemitismus“, stimmte der Rechtsanwalt Patrick Heinemann zu.

Zu beachten sei ferner die Meinungsfreiheit. Antisemitismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen, dieser Slogan mag politisch völlig richtig sein. Juristisch allerdings gelte, verdeutlichte Hans Michael Heinig von der Universität Göttingen: „Antisemitismus ist natürlich eine Meinung.“ Allerdings sei die Entscheidung, ein bestimmtes Projekt wegen antisemitischer Inhalte nicht zu subventionieren, etwas ganz anderes als ein Verbot.

Der Verfassungsschutz wäre heillos überfordert

Chialos Vorschlag einer Art Bekenntnisklausel gegen Hass liefe auf eine Einmischung des Staates hinaus, denn der Staat müsste dann überprüfen, ob ein Künstler sich auch an diese Bestimmung gehalten hat. Der freiheitliche Staat dürfe keine Wertebekenntnisse verlangen, sagte Beck. Die Vorstellung, dass der Verfassungsschutz die rechtsstaatliche Güte von Organisationen checkt, die eine Zuwendung erhalten sollen, stieß auf der Tagung auch deshalb auf Widerstand, weil damit aus allen Zuwendungsträgern Verdachtsfälle gemacht werden würden – und zudem Zweifel bestanden, ob der Verfassungsschutz mit einer solchen Aufgabe nicht heillos überfordert wäre. Der Berliner SPD-Politiker Martin Matz sah in dieser Vorstellung ein „Signal des Misstrauens“.

Keller-Kemmerer wies auf einen rechtsstaatlich einwandfreien Weg hin, der auch Volker Beck vom Tikvah Institut vorschwebt: eine Anti-Antisemitismusklausel in den Förderrichtlinien, festgehalten im Artikel 23 in ebenjenem gelben Buch über die Bundeshaushaltsordnung. Ausgangspunkt ihrer Überlegung ist, dass die Freiheit der Kunst zwar garantiert ist, es aber kein Recht auf eine staatliche Förderung gibt.

Zudem leite sich aus dem Grundgesetz ein Verbot staatlicher Diskriminierung ab, heißt es in Artikel drei doch: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Die Verbreitung von Antisemitismus sei aber eine Diskriminierung von Jüdinnen und Juden.

Es geht um konkrete Handlungen, nicht Bekenntnisse

Eine Anti-Antisemitismusklausel, sagte Keller-Kemmerer, würde nicht den jeweiligen Künstler, wohl aber die von einer staatlichen Zuwendung profitierende Organisation rechtlich binden, keinen Judenhass zu verbreiten. Sie greife deshalb auch nicht in die Kunstfreiheit ein. Volker Beck wies darauf hin, dass das Stiftungsrecht schon heute verlangt, dass politische Stiftungen die „freiheitliche demokratische Grundordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung“ fördern.

Allerdings blieb ungeklärt, wie bei Streitfragen verfahren werden könnte. Denn es ist nicht immer leicht zu klären, wann etwa eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Staat Israel eine Dämonisierung und damit ein antisemitisches Machwerk darstellt und wann eben nicht – dies hängt unter anderem auch vom jeweiligen Betrachter ab. Folgt man der Kunstfreiheit, geziemt es dem Staat jedenfalls nicht, eine solche Entscheidung zu treffen.

Immerhin böte eine solche Regelung den Vorteil, dass sie auf konkrete und aktuelle Handlungen von Zuwendungsempfängern hinziele und nicht etwa darauf, was eine Person zum Beispiel vor 20 Jahren einmal über Israel und den Zionismus zum Besten gegeben hat – ein Vorgehen, das bei Einsatz des Verfassungsschutzes zu befürchten sei.

Schleswig-Holstein ging voran

Erstaunlicherweise existiert eine ähnliche Regelung bereits – in Schleswig-Holstein. Phi­lipp Salamon-Menger vom dortigen Bildungsministerium berichtete von der in Kiel gültigen Antidiskriminierungsformel, die verlangt, dass zu Fördernde sich eindeutig gegen Antisemitismus und Rassismus bekennen. Das Ergebnis: Es gebe bisher „keine Rückfragen, keine Konfliktfälle, keine Versagung von Förderung“, sagte Salamon-Menger, der im gleichen Atemzug zugab, dass die fehlenden Reaktionen möglicherweise damit zu tun haben könnten, dass sein Bundesland ein wenig abgelegen ist.

Eine ähnliche Regelung ist nun endlich auch im Bundestag anhängig. „Aufgabe des Gesetzgebers ist es, Lücken zu schließen. Das Zuwendungsrecht wäre ein Instrument, um zu reagieren“, stimmte die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann zu. Eine entsprechende Regelung auf Bundesebene sei in Arbeit, sagte die Vizechefin der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe.

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