Antisemitische Hetze auf der documenta: Sieht etwa jemand ein Hakenkreuz?

Die Ma­che­r:in­nen der documenta leugnen, was nicht zu leugnen ist: Sie ist eine Skandalschau, die antisemitische Hetze kleinredet und ermutigt.

Neun Gruppenmitglieder von Ruangrupa stehen auf einem Hof

Mitglieder von Ruangrupa im Februar 2019 Foto: Jin Panji

Nun haben sie es also schon wieder getan, die Kassler documenta-Macher:innen. Sie leugnen, was nicht zu leugnen ist. Journalisten und Wissenschaftler (wie Jakob Baier in der taz vom 23. 8.) weisen akribisch nach, dass auf der documenta fifteen antisemitische Hetzfilme gezeigt werden.

Filme, die im Zusammenhang mit Attentaten der sogenannten Japanischen Roten Armee in Israel stehen. Filme, die, mit aktuellen Kommentaren versehen, in Kassel den „Märtyrertod“ palästinensischer Kinder in terroristischen Aktionen gegen Israel preisen – in der angeblich wichtigsten Kunstausstellung der Welt! Und wie reagieren die indonesischen documenta-Chefkuratoren von Ruangrupa sowie Interims-Geschäftsführer Alexander Farenholtz auf die aktuellsten Enthüllungen? Sie wiegeln ab.

Ruangrupa ist routiniert in der Täter-Opfer-Umkehrung. Kritik an antisemitischer Hetze weisen sie empört als „rassistisch“ zurück. Und werden darin leider von einer Reihe documenta-Künstler:innen unterstützt. Doch auch so einige der Strippenzieher dürften die indonesischen Chefkuratoren in ihrer falschen Haltung bestärken.

Documenta-Beirat Philippe Pirotte behauptete etwa, dass der „Antisemitismus-Vorwurf“ gegen die documenta „teilweise auch eine In­stru­men­ta­li­sierung war, um das Projekt zu diskreditieren“. Hinter den Kritiken stünden „Kräfte, die eine alte, weiße, modernistisch organisierte Gemeinschaft wollen, deren Strukturen gefügig gefolgt wird“. Sind es nicht solche Verschwörungstheorien, die Ruangrupa glauben lassen, sich ­gegen jede Form intellektueller Kritik autoritär abschotten zu können?

Und wie reagiert Farenholtz? Er beruft sich auf die Kunstfreiheit. Er werde nicht eingreifen. Punkt. Zuvor hatte der 68-Jährige auf Zweckoptimismus gemacht. Die documenta sei „besser als ihr Ruf“. Farenholtz, von 2002 bis 2020 Verwaltungsdirektor der Bundeskulturstiftung, sprang ein, als Sabine Schormann ihren Platz räumen musste.

Schormann erwies sich als unfähig, mit den Antisemitismusvorwürfen rund um die documenta fifteen (selbst)kritisch umzugehen. Das Kleinreden half ihr nichts mehr, als zur Eröffnung der Schau im Juni antisemitische Motive im Werk von Taring Padi an prominenter Stelle in Kassel auftauchten.

Farenholtz setzt wie die gescheiterte Vorgängerin Schormann darauf, die Probleme auszusitzen. Bis zum 25. 9. Dann würde die documenta fifteen endlich regulär schließen. Aber vielleicht schreiten ja vorher doch noch andere Autoritäten ein und machen zumindest den antisemitischen Propaganda-Teil der Skandalschau dicht.

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Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Leitet seit 2007 das Kulturressort der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.

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