Antisemitismus-Streit in BaWü: Das wahre Gesicht der AfD
Die Entscheidung über Gedeons Verbleib schwächt AfD-Chef Jörg Meuthen – seine Co-Chefin und Rivalin Frauke Petry dürfte das freuen.
Antisemitismus habe in der AfD keinen Platz. Zuvor war bekannt geworden, dass sich Gedeon dezidiert antisemitisch geäußert hatte. Allein: Die für einen Ausschluss notwendige Zweidrittelmehrheit der Fraktion bekommt Meuthen nicht zusammen.
Was er dann nach der vierstündigen Fraktionssitzung präsentiert, ist ein windelweicher Kompromiss. Gedeon lässt seine Fraktionsmitgliedschaft ruhen, nimmt weder an Fraktionssitzungen noch an parlamentarischen Ausschüssen teil – bis September. In dieser Zeit solle, so Meuthen, eine unabhängige Kommission prüfen, ob die Bücher Gedeons antisemitisches Gedankengut enthalten. Darauf habe sich die Fraktion geeinigt. Sein Rücktritt ist damit erst einmal vom Tisch.
Er sei weiter der Meinung, sagt Meuthen, dass Gedeon „glasklare antisemitische Positionen“ vertritt. „Ich würde mich wundern, wenn ich von der Kommission eines Besseren belehrt würde.“ Dennoch lässt er sich auf diesen Deal ein – um die Spaltung der Fraktion, die er erst im März mit 15 Prozent in den Landtag geführt hat, zu verhindern. Was die Entscheidung für Meuthen noch bitterer macht: Der Kompromissvorschlag stammt von Gedeon selbst. Dieser ist es auch, der zuerst der Presse das Ergebnis der Sitzung verkündet. Und noch einmal bekräftigt: „Ich bin kein Antisemit“. Dann wird der 76-Jährige von Parteifreunden ins Fraktionszimmer gezogen.
Doch welcher seriöse Wissenschaftler soll sich für eine solche Kommission hergeben? Das weiß Meuthen noch nicht. Nur so viel: Mindestens ein Kommissionsmitglied solle jüdischen Glaubens sein.
Gedeons „innerer Feind“
„Wie der Islam der äußere Feind, so waren die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes“, so schreibt es Gedeon in einem seiner Bücher. Er beruft sich auf die klar antisemitische Propaganda-Schrift die „Protokolle der Weisen von Zion“ und findet, dass der Holocaust in Deutschland zu einer „Ersatzreligion“ geworden sei.
Die Fraktion sei einstimmig der Meinung, dass Antisemitismus bei der AfD nichts zu suchen habe, sagt Meuthen auch. Doch was ist diese Einigkeit wert, wenn sie Antisemitismus nicht als solchen benennt, selbst wenn er klar zu Tage tritt? Für Meuthen ist das ein bitterer Tag.
AfD-Parteichefin Frauke Petry dagegen dürfte sich freuen. Dass ihr Co-Chef Meuthen seine Landtagsfraktion nicht hinter sich bringen kann, schwächt diesen auch auf Bundesebene – und stärkt im Gegenzug ihre Position. Die beiden, die seit dem Abgang von Bernd Lucke im vergangenen Sommer die Partei gemeinsam führen, ziehen schon lange nicht mehr an einem Strang. Im Gegenteil: Inzwischen misstrauen sie sich zutiefst – und arbeiten gegeneinander. Während Meuthen im Bundesvorstand bislang zunehmend an Einfluss und Unterstützung gewonnen hat, ist Petry dort weitgehend isoliert. Die Vorwürfe: zu viel Machtbewusstsein, Intrigen – und abstimmen würde sie sich ohnehin nur noch mit ihrem Lebensgefährten, NRW-Landeschef Marcus Pretzell. In den vergangenen Tagen spitzte sich der Konflikt noch einmal massiv zu.
Ein Hintergrundgespräch
Am Mittwoch hatte sich Meuthen gemeinsam mit Parteivize Alexander Gauland und Thüringens Fraktionschef Björn Höcke in Berlin mit einem Dutzend Journalisten zum Hintergrundgespräch getroffen, die taz war nicht eingeladen. Das Ziel der drei Männer: Argumente zu verbreiten, warum Petry als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl – zumindest alleine – nicht geeignet sei. Schon länger ist eine Annäherung der drei zu beobachten, zuletzt traten sie beim Kyffhäusertag der AfD-Rechten gemeinsam auf. Sie verkörpern das gesamte Spektrum der Partei: Meuthen, Volkswirtschaftsprofessor und früherer Lucke-Mann, gilt noch immer als wirtschaftsliberales Aushängeschild, Höcke steht für das völkisch-nationale Ende der Partei, das mit der neuen Rechten gemeinsame Sache macht, und Gauland irgendwo dazwischen. Das Hintergrundgespräch darf als Putschversuch gegen Petry gewertet werden.
Allein: Durchgezogen haben ihn die drei Männer nicht. Obwohl zugesagt, gaben sie – wie Teilnehmer berichten – später keine Zitate frei. Was als Erzählung bleibt: Zum echten Aufstand reicht der Mut der drei offenbar nicht.
Keine Frau in Sicht
Vielleicht wissen sie trotz aller Vorbehalte, dass die AfD auf Petry, den bekanntesten Kopf der Partei, bei der Bundestagswahl nicht verzichten kann. Zumal eine andere Frau, die Petrys Rolle übernehmen könnte, nicht in Sicht ist. Die neoliberale Alice Weidel, von Meuthen ins Spiel gebracht, hat bereits abgewinkt. Fraglich ist auch, ob die AfD-Basis bereit wäre, mit einer offen lesbisch lebenden Frau an der Spitze in den Bundestagswahlkampf zu ziehen.
Petry, die sonst gerne schnell zurückschießt, äußerte sich klugerweise zu all dem nicht. Demontiert hatten sich die drei Männer schließlich schon alleine. Am Sonntag aber keilte sie mit einem Brief an die AfD-Mitglieder via Facebook gegen Meuthen. Sie warf ihrem Co-Chef die Spaltung seiner Landtagsfraktion vor. Weil dieser in der „Causa Gedeon“ öffentlich mit seinem Rückzug gedroht habe, habe er die Sache auf die persönliche Ebene verlagert: „Allein daraus ergab sich die gespaltene Meinung innerhalb der Fraktion“, so Petry. Meuthen, soll das wohl heißen, ist an dem ganzen Schlamassel schuld. Illustriert hat Petry ihren Beitrag mit einem Plakat. „In Einheit gegen Antisemitismus“ steht darauf, zu sehen ist sie gemeinsam mit Parteivize Albrecht Glaser. Im Netz kursiert ein zweites Bild: „Nein zu Antisemitismus!“ ist darauf zu lesen, darunter die Fotos von zehn Mitgliedern des AfD-Bundesvorstands. Petry ist nicht dabei. Besser kann man die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesspitze nicht illustrieren.
Widerstand in der Landtagsfraktion hat am Dienstag auch einen anderen AfD-Fraktionschef in Bedrängnis gebracht. André Poggenburg, der im März in Sachsen-Anhalt mit einem stramm rechten Kurs das bislang bundesweit beste Wahlergebnis von 24 Prozent eingefahren hat, wird als Landtagsvizepräsident kandidieren – und im Falle seiner Wahl den Fraktionsvorsitz abgeben. Schon lange gärt es in der Fraktion, weil Poggenburg Ämter häuft und bei ihrer Erfüllung nicht besonders zuverlässig ist.
„Das ist intern“
Am Montag hatten 50 Mitglieder, darunter zahlreiche Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete, eine Erklärung veröffentlicht, in der sie den „Anti-Petry-Kurs“ der Patriotischen Plattform der AfD und auch eine fehlende Linie der Landesspitze scharf kritisieren. Poggenburg wird nicht namentlich erwähnt, ist aber gemeint. „Wir wollen keine Verschmelzung mit Organisationen, die als Auffangbecken für Extremisten fungieren“, heißt es in dem Aufruf. Gemeint ist unter anderem die „Identitäre Bewegung“, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Unter dem Titel „Wir sind identitär“ hatte die Patriotische Plattform beigeistert von einer Demonstration der Identitären in Wien berichtet. Sprecher der Plattform ist Hans-Thomas Tillschneider, der auch Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt ist. Zuletzt hatte er auf einer Pegida-Demonstration gesprochen und den Mitbegründer der rassistischen Bewegung Pegida, Lutz Bachmann, für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Poggenburg lässt Tillschneider machen.
Inzwischen haben Poggenburg und Tillschneider die Erklärung, die sich gegen sie selbst richtet, unterschrieben. Auch unter den Erstunterzeichnern sind viele, die den klaren Rechtskurs Poggenburgs unterstützten. Im Netz kursiert aber auch ein Brief, den Tillschneider allem Anschein nach an seine „Kameraden“ von der Patriotischen Plattform gerichtet hat. Dort heißt es, durch das Unterzeichnen wolle man „dieser Attacke den Wind aus den Segeln“ nehmen. Auf Anfrage der taz wollte sich Tillschneider dazu nicht äußern, dementierte aber auch nicht. „Das ist intern“, sagte er.
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