Antisemitisches Relief an Kirche: „Abnahme ist kein Tabu“

Die Wittenberger Kirchengemeinde schließt nicht aus, dass das antisemitische Relief „Judensau“ abmontiert werden könnte. Das Schandmal beschäftigt die Justiz weiter.

judenfeindlichen Schmähplastik an der Südfassade der Kirche in Wittenberg

Die judenfeindlichen Schmähplastik an der Südfassade der Kirche in Wittenberg Foto: Hendrik Schmidt/dpa

WITTENBERG epd/dpa | Die Wittenberger Stadtkirchengemeinde schließt die Entfernung der judenfeindlichen Schmähplastik an der Südfassade ihrer Kirche nicht mehr aus. „Die Abnahme ist für uns kein Tabu“, sagte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats, Jörg Bielig, am Mittwoch in Wittenberg dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Ein von der Gemeinde einberufenes Experten-Gremium hatte nach fast zweijähriger Beratung empfohlen, das Reliefs in einen „adäquat kontextualisierenden Rahmen“ zu bringen. Die Empfehlung war am Dienstag veröffentlicht worden. Die auch als „Judensau“ bekannte Darstellung aus dem 13. Jahrhundert zeigt unter anderem ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Ähnliche Reliefs finden sich auch an zahlreichen anderen Kirchen in Deutschland und Europa.

Aufgeschlossen zeigte sich auch ein Sprecher des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie von Sachsen-Anhalt. „Wir hatten uns eigentlich für einen Verbleib der Plastik ausgesprochen“, sagte Alfred Reichenberger: „Sollte die Entscheidung aber so ausfallen, dass die Plastik in den empfohlenen Lernort überführt werden soll, dann werden wir uns dagegen nicht verschließen.“

Bielig bremste indes Erwartungen für eine schnelle Entscheidung. Der Gemeindekirchenrat komme erst wieder Ende August zusammen und werde zu der Experten-Empfehlung vorher nicht Stellung nehmen. Ohnehin könne man eine Entscheidung von so großer denkmalschützerischer und politischer Tragweite nicht übers Knie brechen. Die Stadtkirche gehöre immerhin zum Unesco-Weltkulturerbe, betonte Bielig.

Relief ist eine Verletzung jedes Juden in Deutschland

Derweil wurde am Mittwoch ebenfalls bekannt, dass der Streit um das „Judensau“-Relief auch weiter die Justiz beschäftigen wird. Ein jüdischer Mann, der sich von dem Relief beleidigt sieht, kündigte an Verfassungsbeschwerde einzulegen, nachdem er vor wenigen Wochen mit seiner Klage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) unterlegen war. Den Eingang des Schreibens bestätigte ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts am Mittwoch in Karlsruhe.

Der „Spiegel“ hatte berichtet, die Anwälte des Klägers forderten, dass das BGH-Urteil aufgehoben und der Fall zurückverwiesen werde. Das Relief sei „in Ansehung der damit verbundenen schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht nur des Beschwerdeführers, sondern jedes Juden in Deutschland zu entfernen“.

Ein Vertreter des jüdischen Klägers war am Mittwoch zunächst nicht zu erreichen. Offen ist damit unter anderem, wie der Mann zu der am Dienstag veröffentlichten Empfehlung des Expertenbeirats steht, das Relief zeitnah von der Kirche zu entfernen.

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