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Antifa-Demo in Jena„Liebe und Kraft in Untergrund und Haft“

Tausende demonstrierten am Samstag in Jena gegen die Kriminalisierung von Antifas. Sie forderten auch die Rückführung der Ak­ti­vis­t:in Maja T. nach Deutschland.

„Free all Antifas – Antifaschismus ist notwendig“ – unter diesem Motto demonstrierten am Samstag in Jena Tausende Foto: Daniel Vogl/dpa

Jena taz | Mehrere tausend Antifa-Aktivist:innen demonstrierten am Samstag in Jena. Unter dem Slogan „Jetzt erst recht – Antifaschismus ist notwendig! Freiheit für alle Antifaschist*innen“ hatte breites ein Bündnis antifaschistischer Gruppen mobilisiert. Die Veranstaltenden sprachen von fast 10.000 Teilnehmenden, die Polizei meldete etwa 5.000 Demonstrierende. Die Demonstration richtete sich gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus, gegen rechte Gewalttaten und gegen die erstarkende extreme Rechte in Deutschland und weltweit.

Den Demonstrationsort Jena wählte das Bündnis aus mehreren Gründen. Zum einen stammt aus der Stadt das Kerntrio des rechtsterroristischen NSU. Außerdem ist die 24- jährige nonbinäre Antifa-Aktivist:in Maja T. aus Jena. T. ist zurzeit in Ungarn inhaftiert. Auf der Kundgebung forderte T.s Vater Wolfram Jarosch Bundeskanzler Merz und Außenminister Johann Wadephul (CDU) dazu auf, sich für T.s Rückkehr einzusetzen.

T. soll im Februar 2023 in Budapest am sogenannten „Tag der Ehre“ an zwei Angriffen auf Rechtsextreme beteiligt gewesen sein. Im Juni 2024 wurde T. nach Ungarn ausgeliefert und sitzt dort seit inzwischen mehr als elf Monaten in Isolationshaft. Das Bundesverfassungsgericht erklärte jedoch später, dass die Auslieferung rechtswidrig war. Trotzdem läuft seit Februar in Ungarn der Prozess gegen T., es drohen bis zu 24 Jahre Haft. Vorgeworfen wird der Ak­tivs­ti:­in lebensgefährliche Körperverletzung und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung.

Derzeit ist T. seit 12 Tagen im Hungerstreik. T.'s ungarischer Anwalt hatte deshalb beantragt, den Prozess auszusetzen. Das Gericht wies den Antrag jedoch ab. Laut Pro­zess­be­ob­ach­te­r:in­nen sollen sowohl Staatsanwaltschaft als auch der Richter Zweifel daran geäußert haben, ob sich T. tatsächlich im Hungerstreik befindet. Jarosch, Vater der Aktivist:in, widersprach am Samstag auf einer Pressekonferenz vor der Demonstration der Darstellung des Gerichts. Die Entscheidung für den Hungerstreik könne er gut nachvollziehen. T. gehe es zwar aktuell „halbwegs gut“, allerdings werde T. „immer kraftloser“.

Grußworte von Maja T.

In einer Videobotschaft richtete sich Maja T. am Freitag auch selbst an die Demonstrierenden in Jena. Merklich emotional berührt wünschte T. den Demo-Teilnehmenden „herzliche Grüße und eine kraftvolle Demo“.

Auch der Nürnberger Zaid A. hielt eine Rede auf der Demonstration. A. hatte sich im Januar der Polizei gestellt, gemeinsam mit sechs weiteren Linken, denen ebenfalls Angriffe in Budapest vorgeworfen werden. Ungarn beantragte ihre Auslieferung, doch die Bundesanwaltschaft sprach sich dagegen aus und erklärte, es sei „vorrangig“, die Verfahren in Deutschland zu führen. Inzwischen wurden die Verfahren beim Berliner Kammergericht gebündelt. Nur für A. droht weiterhin die Auslieferung.

Der Nürnberger Aktivist mit syrischer Staatsbürgerschaft saß in der JVA Köln in Haft, ist seit Anfang Mai jedoch vorerst haftverschont, weil geprüft werden soll, ob eine Auslieferung für einen Nichtdeutschen rechtlich zulässig ist. „Wir lassen uns von den Repressionen nicht beängstigen“, sagte A. in seinem Redebeitrag.

Der Demozug zeigte sich bunt und lautstark. Die Demonstrierenden skandierten immer wieder „Liebe und Kraft in Untergrund und Haft!“, sowie „Nazis morden, der Staat macht mit, der NSU war nicht zu dritt“. Die Polizei hielt sich zurück, begleitete die Demo mit etwas Abstand. Immer wieder wurden auch Bengalos und Rauchtöpfe gezündet. Vereinzelt warfen Demonstrierende Böller in Richtung der Polizei. Der MDR berichtete von drei verletzten Po­li­zis­t:in­nen.

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11 Kommentare

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  • Mir ist ja klar, dass die TAZ eine gewisse Kernklientel bedienen muss.

    Aber wo bitte ist Antifaschismus strafbar?!

    Keiner dieser Beschuldigten sitzt wegen Antifaschismus in Haft oder es wird gegen ihn wegen Antifaschismus ermittelt. Hier wird nicht Antifaschismus "kriminalisiert".

    Es geht um ganz erhebliche, schwerwiegende Straftaten.

    Und wieso ein Verfahren ausgesetzt werden sollte, wenn sich ein Angeklagter im Hungerstreik befindet, erschließt sich mir auch nicht. Nach deutschem Recht würde ohne den Angeklagten verhandelt, wenn er sich selbst in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt (§ 231a StPO).

  • Kriminalisierung der Antifa?

    Also gut, welche Normen wurden denn im Hinblick auf die Antifa neu eingeführt oder meinetwegen auch nur verschärft? Ein Beispiel würde mir genügen.

  • Keine Gewalt - weder von rechts, noch von links!

    • @Black & White:

      Sehr richtig! Nur verstehen das leider weder die linken noch die rechten Spinner.

  • Natürlich,wünsche ich Maja,dass Sie nach Deutschland ausgeliefert wird und ein faires rechtsstaatliches Verfahren bekommt



    Auf andere Menschen,auch wenn es Faschist*innen sind mit Hammern loszugehen kann ich trotzdem nicht gut finden.

  • Liebe Demonstranten, wer in Ungarn Menschen verprügelt, gehört in Ungarn in Haft. Ende der Story.



    Das Risiko muss man sich vorher überlegen. Wenn ungarische Neonazis nach Deutschland ausgeliefert, hier verurteilt und in den Knast gesteckt würden, wäre das sicher für euch in Ordnung.

    Oder gibt es zwei Arten von Justiz: Die für die Guten und die für die Bösen?

    • @Semon:

      Nee, Sermon: es gibt natürlich nur einen Maßstab für alle. Genauso wie die Unschuldsvermutung auch für alle gilt, das hast du wohl übersehen. Ebenso wie die Tatsache, dass die " Überstellung" nach Ungarn rechtswidrig war. Was daneben für die Demonstranten "sicher in Ordnung wäre", das ist eindeutig deine Phantasie, aber deine Empörung vermittelt sich durchaus, nur: wer mißt jetzt hier mit zweierlei Maß?

      • @Falk Diederich Lucas:

        Dann sollte man diesen Maßstab aber auch wirklich für alle anlegen. Mutmaßliche Gewalttäter sind Gewalttäter....auch wenn sie aus den Reihen der Antifa kommen.



        Und wenn die Antifa meint, auch während dieser Demo Böller auf Polizisten werfen zu müssen, dann hat keinerlei Respekt verdient...das sind dann einfach kriminelle Gestalten. Nicht besser als rechte Gewalttäter.

        • @WederLinksNochRechts:

          Das Argument "Gewalt von Rechten = Gewalt von Linken = Scheiße" will im allgemeinen sagen Gewalt = Scheiße. Darauf können sich alle Einigen.

          Häufig passiert dabei im Kopf "Rechte Politik = Linke Politik = Scheiße".

          Im Unterschied zu Rechter Poltik geht es bei Linker um gleiche Recht für alle. So auch der Antifa. Im Enteffekt sind dies Werte die im Grundgesetzt verankert.

          In der rechten Politik geht im Gegensatz dazu, darum Menschen nach Nationen/ Herkunft/ Religion/ Sexualität zu unterscheiden und unterschiedliche Maßstäbe anzusetzten. Dies sind Aussagen/"Meinungen" die nicht mit dem Grundgesetzt konform und demokratiefeindlich sind.

          Sich gegen Rechte Poltik stark zu machen bedeutet Sozialcourage zu zeigen, wofür ich viel Respekt habe und dankbar gegenüber jeder einzelnen Person bin.

          • @aber davon viel:

            Nur damit ich es verstehen kann

            "Sozialcourage" bedeutet für dich schwere Körperverletzung?



            Auch wenn ich auf der anderen Seite stehe muss es möglich sein Fehlverhalten als solches zu benennen!