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Antidiskriminierung an der TU HamburgOhne Outing auf die Toilette

Die Technische Universität Hamburg hat genderneutrale Toiletten eingeführt. Der Asta sorgt sich vor protestierenden Falschpinkler*innen.

Soll nicht nur ein Klo, sondern auch ein Schutzraum sein Foto: Patrick Pleul/dpa

HAMBURG taz | Nicht jedes Mal, wenn man pinkeln muss, sollte man sich outen müssen. Nicht jedes Mal, wenn man eine öffentliche Toilette sucht, sollte man sich fundamentale Fragen über das eigene Geschlecht stellen müssen. Manchmal muss man einfach nur schnell aufs Klo.

Dass dieser Grundsatz in der Realität für manche Menschen schwierig umzusetzen ist, hat nun auch die Technische Universität Hamburg (TUHH) erkannt und Anfang Februar Toiletten für alle Gender sowie Toiletten für Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nichtbinäre und Transsexuelle eingeführt. Damit versucht die TUHH, allen Studierenden unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung einen ungestörten Rückzugsraum zu geben.

„Die Umwandlung zeigt, dass die TUHH eine weltoffene und tolerante Universität ist“, sagt Kerstin Kuchta, Vizepräsidentin für Lehre. „Dies ist ein Baustein für mehr gelebte Diversität auf dem Campus der TUHH“, meint auch die Gleichstellungsbeauftragte der Universität, Nicolli Povijač. Insgesamt sind nun drei Toiletten genderneutral und drei sind für Frauen, Intersexuelle, Nichtbinäre und Transpersonen ausgewiesen. Mit Schildern an den Eingangstüren versucht der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) das Konzept zu erklären und Akzeptanz zu schaffen.

Dass der Weg zur Gleichberechtigung nicht einfach ist, zeigt ein Gesprächsprotokoll des Studierendenausschusses. Darin stellt der Asta fest, dass das Konzept aus Protest absichtlich falsch genutzt werden könnte. Schließlich sei die Trennung Mann–Frau bei vielen fest verankert.

Einzelne Kabinen wären sinniger

Auch ist das Benutzen einer Toilette beispielsweise für Trans- und Intersexuelle immer noch ein Outing. Und auch eine absolute Gleichstellung aller Geschlechter ist durch das neue Toilettenkonzept nicht gegeben, sinniger wären einzelne Kabinen, die für alle zugänglich sind.

Es bleibt trotzdem ein mutiger Schritt, an öffentlichen Orten auf Diversität hinzuweisen und allen Menschen eine Möglichkeit zu geben, ohne Angst oder Selbstzweifel an einer Universität die ­Toilette aufzusuchen. Das über etwas, das selbstverständlich sein sollte, überhaupt diskutiert und geschrieben werden muss, zeigt, wie weit öffentliche Bildungseinrichtungen noch von tatsächlicher Gleichbehandlung aller entfernt sind. Dabei muss jede*r manchmal einfach nur aufs Klo.

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