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Antibiotika im PutenfleischWerte 27 Mal höher als erlaubt

Fast 20 Tonnen mit Reserve-Atibiotika belastetes Putenfleisch sind nach NRW gelangt. Reserve-Antibiotika werden nur bei schweren Infektionen eingesetzt.

Eine Firma aus dem Münsterland verkaufte das Fleisch an Kantinenbetreiber und Händler in Deutschland, Großbritannien und Österreich. Bild: dpa

DÜSSELDORF dpa | Der Skandal um Antibiotika-belastetes Putenfleisch hat die Debatte über Lebensmittelkontrollen und Medikamente in der Tiermast neu angeheizt. Am Sonntag fachte der Fall den schwelenden Streit zwischen dem Bund und Nordrhein-Westfalen (NRW) an.

Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) müsse den Einsatz von Reserve-Antibiotika in der Tiermast verbieten, sagte ein Sprecher von NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) am Samstag in Düsseldorf. Aigners Ministerium kritisierte daraufhin die Lebensmittelaufsicht in NRW.

Fast 20 Tonnen belastetes Putenfleisch waren aus Rumänien nach NRW gelangt, weiterverarbeitet und in mehrere Länder ausgeliefert worden. Unter anderem wurde das Fleisch als „Tandoori“-Pute an Kantinen geliefert. Das Bundesverbraucherministerium forderte von Nordrhein-Westfalen, eine „schlagkräftige Lebensmittelüberwachung aufstellen, statt sich hinter dem Bund zu verstecken“.

Nach dem Fund falsch gekennzeichneter Tiefkühlware mit Pferdefleisch seien im bevölkerungsreichsten Bundesland erneut bedenkliche Lebensmittel aus Rumänien entdeckt worden, sagte ein Sprecher Aigners. Auch mit einem neuen Bundesgesetz lasse sich nicht verhindern, dass ein rumänischer Hersteller gegen geltendes Recht verstößt und illegal Medikamente verabreicht.

Multiresistenter Keime

In der verarbeiteten Pute waren die Antibiotika-Werte zum Teil 27 Mal höher als erlaubt. Wahrscheinlich sei ein Großteil der Ware schon verzehrt, hieß es. Akute Gesundheitsgefahr bestehe nicht. In Proben waren Rückstände des Reserve-Antibiotikums Enrofloxacin festgestellt worden.

Es besteht der Verdacht, dass der große Einsatz von Antibiotika in der Tiermast das Entstehen multiresistenter Keime begünstigt. Enrofloxacin wird auch an Menschen verschrieben. Reserve-Antibiotika werden nur bei schweren Infektionen eingesetzt, um eine Resistenzentwicklung zu vermeiden.

Eine Firma aus dem Münsterland verkaufte das Fleisch an Kantinenbetreiber und Händler in Deutschland, Großbritannien und Österreich. Rund 15 Tonnen gelangten nach NRW, Bayern, Baden-Württemberg und Bremen. Derzeit werde die Lieferkette zurückverfolgt, sagte der Ministeriumssprecher.

Außerdem werde ermittelt, ob es noch weitere Puten-Lieferungen gegeben habe. Der rumänische Exporteur hatte das Fleisch als unbedenklich deklariert. Ein Warendorfer Betrieb hatte die 19,5 Tonnen Fleisch im Juni 2012 tiefgefroren aus Rumänien bekommen und Ende des Jahres begonnen, es zu verarbeiten.

Eine Großkantine in Münster hatte fast 200 Kilo schon ausgegeben, 45 Kilo konnten die Behörden noch sicherstellen. Auch Caterer, Zwischenhändler und weitere Großhändler bekamen die „Tandoori“-Pute. In zwei Lagern im Kreis Warendorf wurden Fleischbestände gesperrt.

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7 Kommentare

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  • S
    Schroedingers

    @Biofleisch-Lobbyist

     

    "du bist im vollen Öko-Fleisch-Bio-Bewusstsein", "Verraeter", etc

     

    Ich denke, dass wir vollkommen NICHT "d'accord" sind.

     

    Sie moegen noch so ueberspitzen: Wenn es fuer Sie zufriedenstellend ist, dass in Niedersachsen eine halbe Milliarde Tiere zusammengepfercht sind, die z.T das Pech haben, bei nicht korrekt ausgefuehrter Narkose bei vollem Bewusstsein geschlachtet zu werden - bitte schoen, so ist das Ihre Meinung.

     

    Wenn jedoch Buerger versuchen, mal ausnahmsweise als Verbraucher den Grips einzuschalten und so was zu vermeiden, um dann noch von Zeitgenossen wie Ihnen veralbert zu werden, so finde ich besagte Zeitgenossen etwas ...seltsam.

     

    Das habe ich Ihnen schon einmal geschrieben, ich kann es gerne aber auch noch ein drittes Mal schreiben, wenn es Ihnen ach so sehr beliebt, so undifferenzierten Unfug wieder und wieder zu wiederholen.

  • B
    Biofleisch-Lobbyist

    @Schroedingers

    Wir sind absolut da cor, was soll der Angriff?

     

    Am besten finde ich den Satz:"Inzwischen esse ich einmal die Woche Fleisch, von einem Rind, von dem i.f.R sogar noch der Name noch ueber der Theke steht."

    Du hast es verstanden, du bist im vollen Öko-Fleisch-Bio-Bewusstsein.

     

    Hier ist ein Link zu noch so einem Verräter:

    Gary Yourofsky über Massentierhaltung und Fleisch-Sucht

    http://www.gesundheitlicheaufklaerung.de/gary-yourofsky-ueber-massentierhaltung-und-fleisch-sucht

  • S
    Schroedingers

    @von Biofleisch-Lobbyist

     

    anhand eines solchen Artikels Anlass zu finden, ueber Biowaren herzuziehen, das ist schon grosse Kunst!

     

    Natuerlich ist auch Bio nicht Bio und genauso heterogen wie eine Produktpalette vom naechsten Supermarkt, was die Qualitaet angeht.

    Und natuerlich muss man deswegen selbst in einem Bioladen das Hirn eingeschaltet lassen bei der Auswahl der Waren (e.g. Bioware aus Italien...)

    Der grosse Vorteil ist jedoch die wesentlich groessere Auswahl, auch mit einer namentlichen Kennzeichnung der Erzeuger, so wie ich es im Supermarkt nicht finde.

     

    Und SELBSTVERSTAENDLICH muss es nicht immer Bio sein - ein Lokalerzeuger (Hofladen oder aehnliches) garantiert ebenfalls wesentlich mehr Kontrolle durch den Verbraucher.

     

    Inzwischen esse ich einmal die Woche Fleisch, von einem Rind, von dem i.f.R sogar noch der Name noch ueber der Theke steht. Ich weiss die Schlachterei und den Bauern, von dem das liebe Vieh kam. Abgesehen hiervon verzichte ich radikal auf alles Fleisch/Wurst/Whatever, weil ich einfach keine Lust mehr habe, mich verarschen zu lassen. Ich ernaehre mich damit sogar noch billiger als Otto Normalverbraucher.

     

    Aber natuerlich steht es Ihnen vollkommen frei, alle Alternativen mit Mass und Ziel in Bausch und Bogen zu verdammen und dann letztendlich wieder beim Mac zu landen. - Mahlzeit!

  • T
    Thomas

    Das Bundesverbraucherministerium forderte von Nordrhein-Westfalen, eine "schlagkräftige Lebensmittelüberwachung aufstellen, statt sich hinter dem Bund zu verstecken" - ich verstehe es nicht, dass das Ministerium das Problem einfach nicht versteht. Die Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungämter sind vollkommen ausgelastet und können auch finanziell nicht absichern, dass alle Betriebe kontrolliert werden. Und die Mast birgt halt echt viele Gefahren. Solche Probleme hätten wir ohne Mast nicht mehr so oft. Außerdem kann ich nicht verstehen, dass die Lebensmittelüberwachung immer so schlecht hingestellt wird. Gerade die Lebensmittelüberwachung ist es doch gerade, die die Gefahren aufzeigt. Die Lebensmittelüberwachung ist nicht Verursacher dieser Gefahren. Sie kann nur versuchen mit den ihnen gegebenen Mitteln solche Verstöße aufzudecken und damit zu mindern. Wenn jedoch kein Geld zur Verfügung steht, um dies zu finanzieren ... wtf.

  • B
    Biofleisch-Lobbyist

    "Esst in Plastik eingeschweißtes "Bio"-Fleisch", dies ist die Aussage des Artikels und dem kann ich mich nur anschliessen.

    Ein Verräter des absolut unbedenklichen und voll gesunden Bio-Fleisch-Konsums hat mal gesagt:

    "So lange es Schlachthäuser gibt, so lange wird es Schlachtfelder geben".

    Zum Glück ist die Schulbildung schon seit Jahrzehnten durch das TV und den Handys abgelöst worden.

     

    Wir sind aufgewacht und dem Konsum verfallen, dem Mammon sei Dank.

    So, das wars mit Kommentare schreiben...ich muss morgen im Bioladen einkaufen gehen und darum muss ich heute noch mit meinem SUV in die Waschanlage.

     

    Hoch lebe der Bio-Kapitalismus!

  • S
    Schroedingers

    Wikipediaeintrag zu Enrofloxacin:

     

    Eine besondere Sensitivität gegenüber Enrofloxacin weisen vor allem wachsende Hunde und Puten auf. Hier kommt es zu starken Schädigungen des Knorpelwachstums, so dass ein Einsatz bei dieser Altersgruppe grundsätzlich nicht zulässig (kontraindiziert) ist. Als weitere Nebenwirkungen können gastro-intestinale Störungen und (bei hoher Dosierung) lokale Reaktionen an der Injektionsstelle auftreten.

     

    Ich weiss nicht, wie alt die Puten waren. Eingedenk der schnellen "Verwertung" der gewachsenen "Biomasse" kist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass die Tiere es wohl sehr wohl waehrend des Wachstums bekamen :(

  • P
    PeterWolf

    Egal ob Rind, Pute oder Roma, an allem, was aus Rumänien kommt, habt ihr was zu meckern.

    Das ist doch schon systematische Diskriminierung!