Anti-Rassismus-Gesten im Fußball: Gründe zum Niederknien
Der deutsche Profifußball zeigt sich gern solidarisch mit den Black-Lives-Matter-Protesten. Das Engagement in der Ferne würde man sich auch hier wünschen.
D ie Fifa sagt Nein zu Rassismus, die Uefa sagt Nein zu Rassismus, und auch der DFB sagt Nein zu Rassismus. Klubs wie Hertha BSC Berlin oder Borussia Dortmund sind solidarisch mit den Black-Lives-Matter-Protesten. Und der Liverpool FC postete ein Foto der Mannschaft, wie sie im Kreis niederkniet.
Gut. Aber das dürfte ein passender Moment sein, an Dalian Atkinson und auch an Erwin Kostedde zu erinnern.
Atkinson war von 1985 bis 2001 Profi, in der Premier League spielte er unter anderem bei Aston Villa und Manchester City. Vor fünf Jahren kam er durch einen polizeilichen Elektroschocker zu Tode. Ein Mordprozess gegen die Polizisten findet dieser Tage in Birmingham statt. Statt einen Streit zu schlichten, setzten sie den Schocker acht Mal für insgesamt über 80 Sekunden ein. Am Schluss waren es 33 Sekunden lang nonstop, dazu wurde dem 48-jährigen Exprofi gegen den Kopf getreten. Noch im Krankenwagen starb er. Atkinson war schwarz, die Polizisten weiß.
Erwin Kostedde wurde 1990 verhaftet. Dem Exprofi von Borussia Dortmund und Werder Bremen wurde vorgeworfen, im westfälischen Coesfeld eine Spielothek ausgeraubt zu haben. „Bräunlicher Teint, schwarze kurze Haare“, so lauteten die Angaben der Kassiererin der Spielhalle. Fünf Monate saß Kostedde in Untersuchungshaft. Bei der Gegenüberstellung wurde der Frau nur Kostedde präsentiert, nicht die vorgeschriebenen sechs Personen. Es sei „ausgeschlossen, im Raum Coesfeld noch fünf Farbige aufzutreiben“, rechtfertigte sich der Polizist.
Keine Solidarität vor Ort
Noch im Schlussplädoyer forderte der Staatsanwalt zwei Jahre Haft auf Bewährung. Schließlich sei der Exprofi doch hoch verschuldet gewesen. Eine in diesen Tagen erscheinende Biografie berichtet eindrucksvoll davon (Alexander Heflik: „Erwin Kostedde. Deutschlands erster schwarzer Nationalspieler“, Verlag Die Werkstatt).
Es gibt eine weitere Gemeinsamkeit von Erwin Kostedde und Dalian Atkinson. Für beide Exprofis gab es keine Solidaritätsaktionen des organisierten Profifußballs. Das legt ein Manko hiesigen europäischen Antirassismus’ offen. Das solidarische Bekenntnis fällt umso leichter, je weiter der Tatort weg ist, je fremder einem der Täter ist. Besonders leicht fällt die antirassistische Haltung, wenn sie anschlussfähig ist an Ressentiments, etwa gegen Amerika.
Natürlich möchte ich nichts gegen Solidarität mit Black Lives Matter sagen. Es geht nur darum, auch im eigenen Umfeld genauer zu schauen, statt wohlfeil Symbole zu inszenieren.
Der organisierte Sport bedient sich gern einer Metapher. „Rote Karte dem Rassismus!“ soll auch andeuten, dass der Verband mit seinem eigenen Bestrafungssystem die Sache regeln könne. Das glaubte man leichter, wenn in diesen Tagen auch im deutschen Fußball an Dalian Atkinson erinnert würde. Oder wenn man sich mit Erwin Kostedde, der an diesem Freitag 75 Jahre alt wird, über seine Erfahrungen unterhielte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit