Anti-Nazi-Rufe beim Fußballspiel: Babelsberg zahlt nicht für Antifa
Der SV Babelsberg 03 verweigert eine Strafzahlung für „Nazischweine raus“-Parolen von Fans. Nun droht dem Regionalligisten der Ausschluss.
Beim Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) liegen die Nerven blank. Sein Sportgerichtsurteil gegen den Regionalligisten SV Babelberg 03 ist längst zu einem Politikum geworden und das Rechtsverständnis des Regionalverbandes ruft in den letzten Tagen vermehrt bundesweites Interesse hervor. Nach dem Heimspiel gegen Energie Cottbus vergangenen April wurde der Verein vom NOFV zu einer Geldstrafe von 7.000 Euro verurteilt. Und in der Urteilsbegründung wurden neben dem Abbrennen von Pyrotechnik zuvörderst die Rufe der Fans in Richtung Cottbuser Gästeblock „Nazischweine raus“ angeführt. Dort waren zuvor der Hitlergruß gezeigt und antisemitische Parolen gebrüllt worden.
Der Verein weigert sich deshalb, die Strafe zu begleichen. Nach der zweiten Mahnung hat man nun auch die am Freitag auslaufende Zahlungsfrist ignoriert. NOFV-Geschäftsführer Holger Fuchs wiederholt am Telefon die altbekannte Argumentation des Verbands. Die Geldstrafe hätten mit den Rufen der Babelsberger Fans nichts zu tun. Dabei hat selbst mittlerweile Stefan Oberholz, der Vorsitzende des NOFV-Sportgerichts eingeräumt, dass die Erwähnung des Vorfalls in der Urteilsbegründung „fehlerhaft“ gewesen sei.
Ungeachtet dessen pocht der NOFV nun auf die Umsetzung seines Richterspruchs und hat dem Verein mit dem Ausschluss vom Spielbetrieb gedroht, soll das Geld bis 2. Februar nicht eingehen. Der Babelsberger Vorstandsvorsitzende Archibald Horlitz sagt: „Ein bisher nie angewendeter Ausschluss vom Spielbetrieb (…) ist quasi die Todesstrafe für einen Verein, da dies eine Insolvenz fast zwangsläufig nach sich zieht.“
Warum der NOFV nun auch noch dem Klub in dieser Woche nach weiteren pyrotechnischen Vorfällen bei Spielen im August und September und einer Geldstrafe von 4.500 Euro zudem mit einem Geisterspiel droht, obwohl der DFB die Vorgabe gemacht hat, von derlei Sanktionen abzusehen? Die Antwort von Holger Fuchs kann nicht überliefert werden. Mitten in der Frage bricht er das Gespräch ab und geht danach auch nicht mehr ans Telefon.
Zuvor hat er noch beklagt, dass die Babelsberger Politik gegen den Verband über die Medien machen, der NOFV dagegen wolle ausschließlich mit dem Verein direkt kommunizieren. Gesprächsangebote in der Angelegenheit hätte dieser aber abgelehnt. Der Babelsberger Vorstand erklärt dazu: Ja, ein solches Angebot habe es gegeben. Weil aber an ein Gespräch über das Strafurteil die Bedingung geknüpft worden sei, dass man zuvor die Strafe bezahle, habe man abgelehnt.
Strafe für antisemitische Vorfälle wieder aufgehoben
Einen Revisionsantrag des Regionalligisten gegen das erstinstanzliche Urteil hatte der NOFV übrigens wegen einer fehlenden Unterschrift abgelehnt. Der Einwand der Babelsberger, dass in der Vergangenheit bei anderen Verfahren man auch ohne Unterschrift derlei Anträge angenommen habe, konnte den NOFV nicht umstimmen.
In Bedrängnis ist der Verband derzeit auch, weil im juristischen Umgang mit dem Spiel zwischen Babelsberg und Cottbus eine zweite große Baustelle entstanden ist. Denn vor wenigen Wochen hat der DFB erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils im Falle von Energie Cottbus angemeldet. In einem Revisionsverfahren wurde vom NOFV eine Geldstrafe von 5.000 Euro wegen der rassistischen und antisemitischen Vorfälle im Cottbuser Gästeblock aufgehoben. Formaljuristische Fehler im ersten Verfahren waren offenbar der Grund dafür. Der DFB schaltete sich ein, weil er nach diesen Vorkommnissen einen Freispruch für fatal hält. Nun wird das Verfahren vor dem DFB-Bundesgericht noch einmal aufgerollt.
Beim SV Babelsberg betont man, dass man denjenigen Teil der Strafe, der sich auf die Verwendung von Pyrotechnik bezieht, akzeptieren will. Wenn das NOFV-Urteil gegen Babelsberg – wie der Verband behauptet – sich ausschließlich auf die pyrotechnischen Vorfälle beziehen sollte, verwundert, warum die zündelnden Cottbuser 1.000 Euro weniger Strafe zahlen mussten, zumal in der Urteilsbegründung zwei weitere Spiele mit derartigen Überschreitungen angeführt wurden.
Geschäftsführer Fuchs konnte dazu wegen des abrupten Gesprächabbruchs leider nicht befragt werden. Und zum öffentlichen Brief der Babelsberger, der namentlich an ihn gerichtet war, wollte er zuvor keine Stellung nehmen. Er habe ihn nur überflogen, teilte er mit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft