Anti-Homoehe-Demo in Paris: Die traditionelle Familie
Das Modell der Vater-Mutter-Kind-Familie ist in Gefahr: Zehntausende protestieren in Paris gegen ein geplantes Adoptionsrecht für Homosexuelle.
PARIS taz | Philippe Beaudet hat seine fünf Kinder warm eingepackt, seine Frau hat eine ganze Reisetasche voller Windeln, Bilderbücher und Verpflegung dabei. Seine Familie nimmt am Sonntag an der Großdemo gegen die „Ehe für alle“ teil, die die französische Regierung einführen will.
Er stört sich vor allem an Plänen, Homosexuellen die Familiengründung zu ermöglichen – durch Adoption, künstliche Befruchtung für lesbische Paare oder auch Leihmutterschaft für schwule Paare. „Daraus entstehen asymmetrische Familien, in denen die Kinder nur noch einen biologischen Elternteil haben“, sagt der 34-Jährige. „Für die Kinder ist es nicht gut, wenn sie drei oder gar vier Elternteile haben“, meint er.
Konservative, Rechtsextreme und Katholiken hatten zu Demonstrationen aufgerufen. Mehrere große Demonstrationen zogen am Nachmittag über die Pariser Boulevards auf den Eiffelturm zu. Organisatoren hofften auf bis zu eine halbe Million Teilnehmer. Es wurden dann doch deutlich weniger.
Mutter, Vater, Kind
Am Place Denfert-Rochereau hatten sich vor allem Demonstranten eingefunden, die sich nicht vor den Karren einer Partei oder Glaubensgemeinschaft spannen lassen wollen. „Ich bin katholisch und gehöre der (rechten) UMP an, aber ich bin ausschließlich als Familienvater hier“, sagte der 41 Jahre Guillaume Ménager. Auf seinem Plakat war zu lesen: „In den Hoden gibt es keine Eizellen.“ Er wolle das Recht der Kinder auf Vater und Mutter verteidigen, betonte er.
Mit entblößten Brüsten haben vier Frauen beim wöchentlichen Angelus-Gebet von Papst Benedikt XVI. auf dem Petersplatz im Vatikan gegen die Homosexuellenpolitik der katholischen Kirche protestiert.
„In Gay We Trust“ (Wir vertrauen auf die Homosexualität) hatten sich die Aktivistinnen der Frauenrechtsorganisation Femen in Anlehnung an „In God We Trust“ (Wir vertrauen auf Gott) auf ihre Oberkörper geschrieben. Sie wurden rasch von der Polizei abgeführt. (afp)
Viele Teilnehmer hatte sich ein blaues Strichmännchen und ein rosa Strichfräulein auf die Wangen schminken lassen, andere hatten Kinderwagen mit blauen und rosa Ballons geschmückt. „Es war für mich wichtig, Vater und Mutter zu haben“, sagte die 24 Jahre alte Camille Steiblen. „Natürlich gibt es Familien, in denen das nicht so ist. Aber ich will nicht, dass man Kinder dieses Recht entzieht“, sagte sie. Sie habe nichts dagegen, dass Homos sich verpartnern, sagte sie. „Dafür gibt es ja den Pacs“ (vergleichbar mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft, d. Red.), sagte die junge Frau.
Der – selbst unverheiratete – Präsident François Hollande hatte nicht mit so breitem Widerstand gerechnet, als er sich die „Ehe für alle“ auf die Fahnen schrieb. Im laizistischen Frankreich sollte sich das Projekt leicht durchsetzen und nebenher noch die Stimmen der Homosexuellen sichern. Tatsächlich sind nach Umfragen knapp 60 Prozent der Franzosen für die Ausweitung der Zivilehe auf homosexuelle Paare.
Am Ende war es die K-Frage, die die öffentliche Debatte heftig anfachte: Was passiert, wenn homosexuelle Paare Kinder wollen? In dem aktuellen Gesetzesvorschlag, der am 29. Januar im Parlament diskutiert werden soll, ist ein Recht auf Adoption vorgesehen. Ein Änderungsantrag, der lesbischen Paaren eine künstliche Befruchtung mit Hilfe einer Samenspende auf Kosten der Krankenkasse ermöglichte, wurde in letzter Minute abgebügelt. Dieses Thema soll nun im Frühjahr debattiert werden.
Derzeit können Homosexuelle in Frankreich lediglich als Einzelpersonen adoptieren. Allerdings sind die Hürden für eine Adoption ohnehin so hoch, dass nur extrem wenige Homosexuelle tatsächlich ein Kind adoptieren können.
Eine künstliche Befruchtung mit einer Samenspende ist in Frankreich legal nur für heterosexuelle Paare möglich. Diese müssen dafür nicht verheiratet sein, sondern lediglich erklären, seit zwei Jahren zusammenzuleben. Die Kosten dafür werden zum größten Teil von der Krankenkasse übernommen. Leihmutterschaft ist in Frankreich allerdings grundsätzlich nicht erlaubt.
Es ist ein bunter Haufen, der am Sonntag durch das graue und kalte Paris zog. Die 78 Jahre alte Marie Vincente ist zum ersten Mal überhaupt bei einer Demonstration dabei. „Ich habe nichts gegen Homosexuelle“, beteuert die alte Dame. „Aber die Fortpflanzung der Menschheit beruht von Anfang an auf der Verbindung von Mann und Frau. Das können wir nicht per Gesetz ändern“, sagt sie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl