Schwulenbann bei US-Pfadfindern: Lieber hetero im Zeltlager

Boy Scouts sind Vorbild, Tugendhüter – und heterosexuell. Nun stehen die Pfadfinder der USA wegen ihrer offenen Schwulendiskriminierung unter Druck.

Immer schön alles in Reih und Glied: Boy Scouts for der Zentrale in Irving, Texas. Bild: reuters

Bob ist 15, Pfadfinder, offen schwul und soll gemeinsam mit einem heterosexuellen Jungen in einem Zelt schlafen. Ist das akzeptabel, ein bisschen akzeptabel oder total inakzeptabel?

Zu dieser und anderen Fragen sollen sich mehr als 1,1 Millionen Mitglieder der amerikanischen Boy Scouts derzeit in einer Umfrage verhalten. Ein Novum in der Historie der Pfadfinder, die in ihrer langen Geschichte bisher keine Fragen zur sexuellen Orientierung gestellt hat, weil es nichts zu beantworten gab: Als Boy Scout hat man, Vorbild an Tugendhaftigkeit, das Dreieckstuch akkurat um den Hals gebunden, die Uniform mit Bügelfalten, heterosexuell zu sein. Offen schwul oder lesbisch sein würde eine nicht zu akzeptierende Falte in der Kluft bedeuten.

Doch nun sieht sich die amerikanische Traditionsorganisation mit 2,7 Millionen jugendlichen Mitgliedern und mehr als einer Million erwachsenen Freiwilligen mit einer öffentlich geführten Diskussion darüber konfrontiert, ob ihr reaktionäres Gesellschaftsbild den gelebten Realitäten entspricht. Im Juli 2012 kamen die Verantwortlichen nach einem zweijährigen „Evaluierungsprozess“ erneut zu der Erkenntnis, am Ausschluss von schwulen und lesbischen Mitgliedern festzuhalten. Fürs Leben lernen mag der Wahlspruch der Pfadfinder sein, vom Leben jedoch nicht.

Ein Opfer dieser Entscheidung: Jennifer Tyrrell. Mutter von Cruz, Pfadfinder. Sie ist offen lesbisch und wurde gezwungen, ihr freiwilliges Engagement in der Gruppe ihres Sohnes in Ohio zu beenden. Nichts weniger als die Tugend der Jugend scheint auf dem Spiel zu stehen. „Boy Scouts Of America tragen seit mehr als einem Jahrhundert dazu bei, die künftigen Eliten des Landes auszubilden“, heißt es im Selbstverständnis der Organisation.

„Ich fing an, Fragen zu stellen, es ging um Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen und dann bekam ich einen Anruf mit der Aufforderung, von meinen Ämtern zurückzurücktreten“, sagt Tyrrell. Ihre sexuelle Orientierung entspreche nicht den hohen Standards, die eine Mitgliedschaft bei den Boy Scouts erfordere.

Die hohen Standards

Die Boy Scouts finanzieren sich hauptsächlich über Mitgliederbeiträge sowie Spenden und Sponsoren. Darunter sind auch Kirchen, unter deren Dach viele lokale Zweige der Boy Scouts organisiert sind. Wertevermittlung schwebt über allem: über den Zeltlagern, dem Popcorn-Verkauf für einen guten Zweck und dem Gemeinschaftsgefühl. Konservative Werte, in der Menschen wie Jennifer Tyrrell bis dato keinen Platz hatten.

Tyrrell startete eine Petition, um die Diskriminierung bei den Boy Scouts zu beenden. „342.000 haben unterschrieben und ich werde die Petition aufrecht erhalten, bis die Diskrimierung aufhört“, so Tyrrell. Auch die Alumini-Organisation „Scouts for Equality“ setzt sich dafür ein, die Boy Scouts zu öffnen und Väter und Mütter nicht an einem Engagement zu hindern, nur, weil sie ein anderes Lebenskonzept haben. Nach der Entscheidung der Organisation, an der Diskriminierung festzuhalten, stoppten viele Unternehmen ihre finanzielle Unterstützung, zum Beispiel „The Merck Foundation“, „UPS“, „Intel“, „United Ways“ und aktuell die Fast-Food-Kette „Chipotle“.

Im Januar schließlich bekam die Kontroverse neue Aufmerksamkeit als öffentlich wurde, dass intern erneut über eine mögliche Aufgabe des Schwulenbanns gesprochen wurde. Eine Öffentlichkeit, die, wie die New York Times berichtet, so nicht intendiert war. Interviews verweigern die Boy Scouts derzeit, eine Sprecherin verweist lediglich schriftlich auf die aktuelle Umfrage und auf eine Homepage, auf der der Verlauf der Debatte dokumentiert wird.

Für die konservativen Unterstützer der Boy Scouts ist ein möglicher Wertewandel schwer vermittelbar.„Homosexualität dreht sich per Definition um sexuelle Anziehung und sexuelles Verhalten; Themen bei denen die meisten Scouts-Eltern ernsthafte Bedenken haben“, schreibt etwa Rob Schwarzwalder vom konservativen „Family Research Council“, einem Unterstützer der Boy Scouts. Auch viele Kirchen, so die Times, haben das Ende ihres Engagements angekündigt, sollte der Bann fallen. In einer Gallup-Umfrage vom Dezember 2012 sprechen sich 52 Prozent der Befragten gegen schwule Führungspersonen bei den Boy Scouts aus.

Dem gegenüber stehen nicht nur die verloren gegangenen Sponsoren sondern auch Auftritte von Madonna in einer Pfadfinder ähnlichen Uniform bei einer schwul-lesbischen Veranstaltung am vergangenen Wochenende und Barack Obama, der die Boy Scouts öffentlich aufgefordert hat, Homosexuelle nicht zu diskriminieren. Frühestens bei der nationalen Jahrestagung der Scouts im Mai soll das Thema entschieden werden. Aufgrund der „Komplexität“ des Themas, so steht es derzeit auf der Informationsseite der Boy Scouts, brauche man mehr Zeit, die Mitgliederpolitik zu bewerten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.