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Anti-G-20-Protest in HamburgKrieg der Kochtöpfe

Bei den Camps geht es ans Eingemachte: Entweder die Polizei versucht sie zu verhindern oder es gibt absurde Auflagen.

Am Entenwerder Stieg beäugen Polizisten Zelte des Barrio Queer Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Das antikapitalistische Protestcamp zum G-20-Gipfel in Hamburg wird weiterhin von der Polizei verhindert. Mit einem großen Aufgebot versperrten die Beamten den rund 200 KamperInnen am Sonntagmittag den Zugang zu einer Elbwiese im Hamburger Osten. Und das trotz einer erneuten Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Nacht zu Sonntag, dass das Camp hier, am Entenwerder Elbpark im Stadtteil Rothenburgsort, mit Übernachtungszelten aufgebaut werden darf.

Gegenüber dem Camp-Anwalt Martin Klingner erklärte die Einsatzleitung vor Ort, dass der G-20-Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde für diese Stelle das Campen verboten habe. Damit widersetzt sich Dudde erneut einem Gerichtsbeschluss, nachdem zuvor das Bundesverfassungsgericht das Camp als Dauerkundgebung im Hamburger Stadtpark im Grundsatz genehmigt hatte.

„Schlimmer geht es nicht mehr – das ist ein Putsch der Polizei gegen die Justiz“, schimpfte Anwalt Klingner vor den Versammelten am Eingang der Entenwerder Halbinsel. Diese meldeten wenig später eine spontane Dauerkundgebung auf der Straße an und begannen, dort Veranstaltungszelte aufzubauen. Auf einem Lautsprecherwagen prangte ein Transparent: „Protest lässt sich nicht verbieten und nicht aufhalten“. Es kam zu ein paar kleineren Rangeleien, aber im Großen und Ganzen blieb es entspannt.

Das antikapitalistische Camp, das ursprünglich im Stadtpark aufgeschlagen werden sollte, hatte den Ausweichplatz an der Elbe selbst ins Spiel gebracht, weil das Areal außerhalb der 38 Quadratkilometer großen Demonstrationsverbotszone liegt.

Am frühen Nachmittag machte die Versammlungsbehörde den Vorschlag, auf einem Viertel der Fläche Versammlungszelte zuzulassen, jedoch keine Zelte für Infrastruktur wie zum Kochen oder zum Übernachten. „Das ist völlig inakzeptabel“, sagte ein Camp-Sprecher zur taz. Anwalt Klingner reichte noch am Nachmittag erneut einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Hamburg ein, das Camp unter den von den Gerichten formulierten Bedingungen zuzulassen.

G20 in Hamburg

Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.

Im Laufe des Nachmittags bekam die Kundgebung weiteren Zulauf. Auch eine für den Abend angesetzte Vollversammlung von G-20-GegnerInnen im autonomen Stadtzentrum Rote Flora sollte nach Entenwerder verlegt werden.

In Lurup wiederum hatten die Organisatoren eines zweiten Camps mit dem Aufbau bereits am Samstag begonnen. Am Sonntag standen dann schon ein großes Zirkuszelt, in dem Konzerte stattfinden und die Protestler schlafen können, sowie ein Sanitätszelt. Ansonsten war die Wiese am Rande des Altonaer Volksparks noch recht leer.

Essen wird zum Politikum

Bis zu 5.000 Menschen sollen hier Platz finden – die ersten Auswärtigen wollten am Sonntag anreisen. Mit einer zweiten großen Welle rechne man für Dienstag, sagte ein Aktivist, der Karlsson genannt werden will. „Wie viele letztendlich hier schlafen, hängt aber auch vom anderen Camp ab.“ Wenn es in Rothenburgsort schlecht laufe, würden wohl mehr Leute nach Lurup kommen. „Wir wollen den Anreisenden hier einen sicheren Raum bieten“, sagte Karlsson, der selbst in einem Wohnwagen unweit vom Camps schläft.

Gestern haben die Polizisten in unseren Kaffeetopf geschaut

Ein Aktivist in Lurup

„Später gibt es Fleisch“, rief am Sonntag ein junger Mann im Vorbeigehen einer Gruppe zu. Auch hier ist das Essen zum Politikum geworden: „Gestern haben die Polizisten in unseren Kaffeetopf geschaut“, berichtete ein Aktivist und lacht. Denn kochen dürfe hier nur jeder für sich, so wolle es die Polizei. Die gemeinsame Zubereitung sei verboten.

Dass das Camp in Lurup überhaupt stattfinden darf, ist mit einer ganzen Reihe weiterer Auflagen verbunden: So dürfen die Protestler zwar theoretisch auf dem Platz übernachten – aber nur mit Schlafsäcken und Isomatten. Feldbetten und Zelte hingegen sind explizit verboten. Die ständigen Kontrollen der Polizisten bezeichnete einer der Kamper als reine Schikane: „Die lassen doch bloß ihre Muskeln spielen.“

Picknick statt Versammlung

Die Frage, wer in Hamburg eigentlich über welche Flächen bestimmen darf, stellten am Sonntag auch einige Anwohner auf St. Pauli. Im Park beim Grünen Jäger kam die Nachbarschaft zum Picknick zusammen samt Kaffee und Kuchen. Das klingt harmlos, hat aber Brisanz: Der Ort befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Messehallen, in denen ab Freitag der ­G-20-Gipfel stattfindet.

„Das ist unser Viertel, und wir wollen uns hier aufhalten“, sagte eine Anwohnerin. „Inzwischen wird jede Miniversammlung von der Polizei verboten. Aber ein Picknick sollte ja wohl drin sein.“

Es gibt noch einen weiteren Anlass für das Picknick, erklärte Niels Boeing von der Initiative „Wohl oder Übel“: „Wir wollen den Park in Arrivati-Park umbenennen“. Arrivati ist ein Kollektiv von Leuten, die nach Deutschland gekommen sind und nicht länger nur als Flüchtlinge angesehen werden wollen. „Flucht und Migration sind ein Riesenthema“, sagte Boeing. „Aber bei G 20 werden sie nur als Sicherheitsproblem diskutiert.“

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11 Kommentare

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  • Es zeigt sich ein ums andere Mal, dass das Gerede vom "Rechtsstaat" nur dann etwas gilt, wenn es den Mächtigen opportun erscheint.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Was sagt eigentlich der Bürgermeister zum Putsch?

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Naja Scholz hat den Putsch beauftragt indem er einen Polizeichef reaktiviert hat der wegen Gewalt gegen Linke mal aus seinem Amt bei der Polizei (!) geflogen ist und enger Freund des rechtsradikalen Schill ist .

      Es wirkt wie die verdünnte, deutsche Version von Südamerikanischen Präsidenten die sich mit Faschistischen Gruppen zusammen tun um Protest zu beseitigen

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Naja Scholz hat den Putsch beauftragt indem er einen Polizeichef reaktiviert hat der wegen Gewalt gegen Linke mal aus seinem Amt bei der Polizei (!) geflogen ist und enger Freund des rechtsradikalen Schill ist .

      Es wirkt wie die verdünnte, deutsche Version von Südamerikanischen Präsidenten die sich mit Faschistischen Gruppen zusammen tun um Protest zu beseitigen

  • Es zeigt sich doch auch wieder dass eine SPD Regierung von einer CDU/CSU Regierung nicht zu unterscheiden ist.

    • @Chaosarah:

      Es ist in Hamburg sogar eine rotgrüne Regierung, die das alles so befehligt.

  • die räumungsaktion im rechtsfreien raum zeigt.

    a) bei der polizei laufen selbstermächtiger herum, die der justiz zeigen wollen, dass nun die stunde der exekutive schlägt;

    b) die nachträgliche rechtliche aufarbeitung wird nicht viel bringen;

    c) seitens der sicherheitskräfte wird alles getan - vermutlich auf weisung von oben und ganz oben - jeden protest möglichst nicht zuzulassen.

    die SPD ist nunmehr endgültig für mich unwählbar geworden.

  • Wissenswertes über G-20-Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde findet sich hier - und somit auch das, was für die nächsten Tage an Polizeiwillkür zu erwarten sein dürfte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_Dudde

     

    MfG

    biggerB

  • Der Innenminister hat dieses Verhalten doch durch die Blume offiziell autorisiert, also das die Polizei maximale Härte zeigt. Wer dies nicht verstanden hat ist naiv. Selbst wenn die Demonstranten nach Wochen und Monaten recht bekommen sollten. Erst mal muss man Fakten schaffen.

     

    Und der "Bürger in Uniform" zeigt, wie in Stuttgart bei S21 und Nürnberg wo man Schüler verprügelte, das man bereit ist wieder einmal das willfährige Ausführungsorgan zu sein.

     

    Ich schäme mich für mein Land!

    • @danny schneider:

      Die Grünen stehen schon länger auf der anderen Seite des Wasserwerfers und das die SPD mal wieder weniger Demokratie wagt war auch zu erwarten.

      Wie kann das sein?

       

      Wenn man ihren letzten Satz als inhaltlich falsch kritisiert dann lösen sich die Widersprüche auf. Es ist nicht ihr Land. (Also müssen Sie sich auch nicht schämen)

      Hinter dem Vorhang der Demokratie hat sich schon lange das etabliert was sich bei Marx "Diktatur der Bourgeoisie" nennt. Eine reale Herrschaftsstrucktur die mit der in der Verfassung stehenden Herrschaftsstrucktur Deutschlands nicht viel gemein hat.

       

      Ich denke da müssen viele Leute mal deutlich genauer hinsehen

  • "Später gibt es Fleisch" ..... wo bleibt denn hier die moralische Komponente des veganen?