Anti-Autobahn-Aktionstag gegen die A14: Es gibt kein ruhiges Hinterland
Der Protest gegen den Bau der A14 flammt neu auf. Die Klimabewegung will am Sonnabend in Wittenberge demonstrieren.
„A-14-Gegner planen Verkehrsstau“, titelt die Volksstimme – die Regionalzeitung für das nördliche und mittlere Sachsen-Anhalt warnt damit vor Chaos in der Altmark. Zum 5. Juni mobilisiert ein breites Bündnis nach Wittenberge auf die Elbbrücke, die Sachsen-Anhalt und Brandenburg verbindet. Hier haben die Arbeiten für eine Autobahnbrücke begonnen – sie wird das sogenannte Herzstück der Nordverlängerung der A14.
Mit Boot oder Fahrrad wollen Aktivist*innen die Brücke vom Wendland, der Altmark und der Prignitz aus anfahren und es gibt eine Demo vom Bahnhof in Wittenberge aus. Überregional mobilisieren Ende Gelände Hamburg, das Bündnis Wald statt Asphalt, Fridays for Future Neuruppin und Extinction Rebellion Magdeburg nun zum Anti-Autobahn-Aktionstag nach Wittenberge. Unterstützung wird auch aus Berlin erwartet.
Lange war es still um die A14. Nachdem die BUND-Landesverbände Brandenburg und Sachsen-Anhalt 2019 einem Vergleich zugestimmt und weitere Klagen eingestellt haben, gilt der Autobahnbau als durchgesetzt und das Alternativkonzept – ein Ausbau der vorhandenen Bundesstraßen statt Bau einer neuen Autobahntrasse – als politisch gescheitert. Mit dem Rückenwind der jungen Klimabewegung flammt der Protest nun wieder auf und das Thema Autobahn polarisiert die Region.
Die A14 Die geplante Nordverlängerung der A14 verläuft von Magdeburg über Wittenberge nach Schwerin. Die A14 führt dann von Dresden bis nach Wismar. Die geplante Trasse zerschneidet das aktuell größte zusammenhängende autobahnfreie Gebiet in Deutschland. Sie führt durch zahlreiche Fauna-Flora-Habitate und das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Sie wäre dann 155 km lang, davon sind 52,6 km bereits fertiggestellt. Kostenerwartung aktuell: 1,7 Milliarden Euro.
Die Infrastruktur Die A14 bildet zusammen mit der geplanten A39 in Niedersachsen und der B190n quer durch die nördliche Altmark in Sachsen-Anhalt das „Hosenträger-Projekt“. Sie gehört damit zu dem derzeit größten Verkehrsinfrastrukturprojekt der Bundesrepublik.
Die Aktion Eine Fußdemo führt am Sonnabend zur Elbbrücke, sie startet vom Bahnhof Wittenberge um 14 Uhr – Infos unter www.keinea14.de. Außerdem gibt es dort eine Petition gegen den Ausbau, die Petition an den Bundestag wird demnächst unter der Nummer 123694 beim Petitionsausschuss verfügbar sein. (bes)
Stark verjüngt ist das bereits 2004 gegründete Bündnis „Keine-A14“ seit Winter letzten Jahres wieder aktiv geworden, organisiert Veranstaltungen, Mahnwachen oder Demos und sammelt Geld für eine neue Klage, die der Verband NaturFreunde Sachsen-Anhalt im März gegen die Trasse von Osterburg bis Vielbaum eingereicht hat. Vielbaum liegt kurz vor der Elbquerung. Es ist die erste Klage gegen ein Autobahnprojekt, die sich auf das novellierte Bundesklimaschutzgesetz und den jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts stützt. Insofern wird ihr Ausgang Präzedenzcharakter haben. Mit der Klage soll aber vor allem Zeit gewonnen werden für die Veränderung des Bundesverkehrswegeplans, die nur auf dem Gesetzesweg im Bundestag möglich ist.
Besetztes Walstück #monibleibt
Zur Unterstützung besetzten bundesweit vernetzte Klimaaktivist:innen im April ein Stück Wald, durch das die Trasse geplant ist. #MoniBleibt heißt das Camp in der Kiefernmonokultur bei Seehausen im Landkreis Stendal. Angeheizt durch den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt überbieten sich AfD, CDU und Freie Wähler im Hetzen gegen die Waldbesetzer:innen und ihr „links-grünes Versorgungsnetzwerk“. In der Schusslinie steht auch SPD-Landrat Patrick Puhlmann, weil er den Wald noch nicht hat räumen lassen.
Der Online-Stammtisch ist derart aufgeheizt, dass facebook regulierend eingreift. Auf das stillgelegte Bahnhofsgebäude Seehausen, das als Jugend- und Informationszentrum für die Proteste und das Waldcamp dient, wurden mehrere Anschläge verübt. Bei einer Brandstiftung konnte die Feuerwehr gerade noch verhindern, dass das ganze Gebäude in Flammen stand. Campbewohner:innen berichten über Angriffe mit Stöcken und Spitzhacke und abendlichen „Besuchen“ von angetrunkenen Männergruppen mit unterschiedlichsten Drohgebärden.
Nach einer Demo gegen die Waldbesetzung, zu der die AfD mobilisiert hatte, jagten Rechte Trupps einzelne Gegendemonstrant:innen durch Seehausen. Es gibt das Gerücht, Neonazis seien mit einem Bus angereist, aber insgesamt ist die Lage diffus. Die Bedrohungen gehen von unterschiedlichen Leuten aus, aggressiven Autobahnbefürwortern wie auch Anwohnern, die sich durch die aufgeheizte Stimmung ermuntert fühlen, gegen die Waldbesetzung vorzugehen.
Gleichzeitig ist der Wald zum Diskussionsforum geworden: Leute wollen gucken und lassen sich auf Diskussionen ein, andere unterstützen mit warmem Essen. Die evangelische Kirche hat im nächsten Dorf ein Zelt aufgebaut, in dem gekocht werden kann, denn im Wald ist die Brandgefahr zu groß.
Sichtbare Zerstörung
Susanne Bohlander, Sprecherin der BUND-Kreisgruppe Stendal, ist begeistert. Nachdem die Landesgeschäftsstelle 2019 gegen das Votum der Kreisgruppe die Klage zurückgezogen hatte, war die Frustration groß. „Mit den beginnenden Bauarbeiten im Winter wurde dann sichtbar, was da an Zerstörung kommt. Leute riefen bei mir an und wollten aus schierer Wut einen neuen Protest anleiern“, sagt sie. „Da habe ich noch gedacht: Lasst mich bloß in Ruhe damit. Und jetzt finde ich es unglaublich, was da entsteht.“ Immer mehr Menschen, die sich bisher nie getraut hätten, öffentlich gegen die A14 zu sprechen, würden nun Leserbriefe schreiben.
Der gesellschaftliche Druck ist groß, weil der Autobahnbau unermüdlich von „der Wirtschaft“ gefordert wird – konkret von den Industrie- und Handelskammern auf beiden Seiten der Elbe, von Verbänden und etablierten Unternehmern. Die Kopplung von ökonomischer Entwicklung und Autobahn scheint zum Common Sense zu werden. Der autobahnfreie Raum wird so zum Sinnbild fürs Unterversorgt- und Abgehängtsein.
„Es ist längst durch Studien belegt, dass Autobahnen in Regionen, die außerhalb des Einzugsgebietes der großen Industriezentren liegen, keine nachhaltige strukturelle Entwicklung bringen“, sagt dagegen Andrea Berger, die sich neu beim Bündnis engagiert. „Im Gegenteil, sie werden zu Transitregionen mit allen Lasten, die das bedeutet. Und der Konkurrenzdruck auf kleinere regionale Betriebe steigt durch die schnellere Erreichbarkeit der Zentren und gefährdet die Entwicklung sogar. Attraktiv wird eine Region dagegen durch guten öffentlichen Nahverkehr“, sagt sie.
Gewerbeparks und Logistikunternehmen
Tatsächlich siedeln sich in den neu ausgewiesenen Gewerbeparks an der Trasse vor allem Logistikunternehmen oder Autohöfe an. „Es sind viele existenzielle Themen, Ängste und Hoffnungen, die über die Autobahn-Debatte ausgetragen werden“, schreiben die Waldbesetzer:innen als Fazit aus ihren Gesprächen auf der Webseite.
Zoltan Schäfer ist fest überzeugt, dass alle Argumente auf der Seite der Autobahngegner:innen sind. Er ist zwanzig Jahre alt, war im Hambacher und im Danneröder Forst und will am Wochenende für die Grünen in den Magdeburger Landtag gewählt werden. Für ihn kein Widerspruch: „Alle Entscheidungen müssen auf den Prüfstand. Das geht nur mit Druck von unten, der den Verantwortlichen klarmacht, was Sache ist.“ Schäfer wohnt in Arendsee, gleich an der geplanten Trasse.
Zwanzig Kilometer weiter Richtung Elbe wohnt Rolf Schürmer in Geestgottberg. Der Ort würde durch die Autobahn viergeteilt. Das findet er unerträglich, und weil er politisch informiert ist, hat der Rentner eine Petition beim Bundestag eingereicht, in der er einen Baustopp fordert und die Anpassung des Bundesverkehrswegeplans an das novellierte Bundesklimaschutzgesetz. Man kann sie im Netz unterschreiben. Auch Schürmer will am 5. Juni auf der Brücke in Wittenberge protestieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste