Anstieg des Semesterbeitrags in Bremen: Studierendenausschuss ruft zum Zahlungsboykott auf
Bremer Student:innen müssen ab dem kommenden Semester einen deutlich erhöhten Semesterbeitrag zahlen. Nun gibt es Widerstand.

Es gab in diesem Semester bereits mehrere Protestaktionen, etwa einen Demozug mit mehr als 400 Teilnehmenden, der am neuen Uni-Gebäude am Domshof endete. Anfang Juni fanden sich mehr als 800 Student:innen und Beschäftigte auf dem Campus ein – zur ersten beschlussfähigen Vollversammlung seit mehr als 20 Jahren.
Am vergangenen Mittwoch trafen sich rund 25 Student:innen am Uni-Gebäude am Domshof in der Innenstadt, um ihr Vorgehen zu koordinieren. Aufgerufen hatten der AStA und die Bremer Studis gegen Rechts. „Die Erhöhung des Semesterbeitrags ist einfach frech, aber es ist nur die Spitze des Eisbergs“, erklärt Lehramtsstudent Thilo Voss, wieso er sich engagiert. „Wir müssen uns auch gegen die krassen Mieten, die Ablehnungspraxis beim Bafög und die beschissenen Arbeitsbedingungen in Studijobs wehren.“ Der Aufruf zum Zahlungsboykott ist nun die erste drastische Maßnahme seitens der Student:innen.
Semesterbeiträge steigen an fast allen Universitäten und Hochschulen schon seit Jahren kontinuierlich an, jedoch meistens im kleinen zweistelligen Bereich pro Semester. Nicht wie in Bremen gleich um 77,90 Euro auf 425,40 Euro.
Der Semesterbeitrag steigt ab dem im Oktober beginnenden Wintersemester um 77,90 Euro. Der bisherige Semesterbeitrag war mit 347,50 Euro im bundesweiten Vergleich betrachtet recht günstig.
Mit den künftig zu zahlenden 425,40 Euro zählen die Bremer Hochschulen auf einen Schlag jedoch zu den teuersten Hochschulen deutschlandweit.
Zum Zahlungsboykott aufgerufen hat jetzt der Bremer AStA. Den Semesterbeitrag nicht zu überweisen, wäre ein Grund zur Exmatrikulation, aber das kann laut §42 des Bremischen Hochschulgesetzes erst nach einer Mahnung und dem Verstreichen einer erneuten Zahlungsfrist passieren.
„Da Bremen das Bundesland mit der höchsten Armutsquote ist, steht der Semesterbeitrag dazu in keinem Verhältnis und kann viele Student:innen in potenziell prekäre Lebenslagen bringen“, sagt Saskia Gagel, Sprecherin des Bremer AStA. Steigende Mieten, Lebensmittelpreise und Krankenkassenbeiträge tun ihr Übriges. In einem Schreiben der Studis gegen Rechts heißt es: „Durch Teuerungen ist Studieren schon vorher ein Kampf gegen den Fall in die Armut gewesen – und die Uni macht uns das Leben jetzt noch schwerer.“
Der Semesterbeitrag setzt sich aus Einzelbeträgen zusammen. Im Vergleich zum Vorsemester erhöht sich besonders der Preis für das Deutschlandsemesterticket und die Kosten für das Studierendenwerk steigen um 45 Euro. Das Studierendenwerk begründet dies unter anderem mit steigenden Personalkosten und der Finanzierung der Mensa am neuen Uni-Standort am Domshof. Gleichzeitig fallen aufgrund des harten Sparkurses des Bremer Senats Zuschüsse weg.
Man habe seit Jahren versucht, die Kosten für die Student:innen so niedrig wie möglich zu halten, das sei aufgrund der derzeitigen Lage nicht mehr möglich, sagt Maurice Mäsching, Referent für Kommunikation des Studierendenwerks. „Die einzige Alternative wäre die Kürzung der Leistungen gewesen, die das Studierendenwerk den Student:innen bietet.“ Dazu gehört unter anderem die psychologische Beratung für Studierende.
Auf Nachfrage bei Wissenschaftssenatorin Kathrin Moosdorf (Grüne) heißt es von einer Sprecherin, dass aufgrund des „vom Senat beschlossenen Sanierungskonzeptes die jährlichen Zuschüsse an das Studierendenwerk um 1,45 Prozent zurückgefahren“ werden müssen.
Bremen unter Top Five der teuersten Unis
Das Ressort setze sich aber dafür ein, die Belastungen so niedrig wie möglich zu halten. „Ob und inwiefern eine Beitragssenkung in den kommenden Jahren realistisch ist, hängt letztlich von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und damit verbunden von der Entwicklung der finanziellen Ressourcen ab“, so die Sprecherin.
Mit dem neuen Semesterbeitrag ist Bremen im bundesweiten Vergleich auf dem fünften Platz der teuersten Unis, sagt Saskia Gagel. Noch teurer wird es an der Leibniz Uni Hannover (434,91 Euro) und an der Georg-August-Universität Göttingen (436,36 Euro). An beiden Unis lagen die Beiträge jedoch im vorherigen Semester bereits bei etwas über 400 Euro. Es gab also keinen sprunghaften Kostenanstieg wie in Bremen.
Der AStA befürchtet, dass angehende Student:innen sich wegen der hohen Beiträge gegen ein Studium in Bremen entscheiden könnten. „Bremen und Bremerhaven sind nach wie vor attraktive Studienstandorte mit einem breit gefächerten Studienangebot“, hält die Behördensprecherin dagegen. Man behalte „auch die studentischen Belange im Blick“.
AStA und Bremer Studis gegen Rechts starten nun die Kampagne „Studieren am Limit“, die über den immer teurer werdenden Alltag der Student:innen aufklären und vor allem Erstsemster:innen zum Protest mobilisieren soll. Neben weiteren Demos wollen sie auch mit der Wissenschaftschaftssenatorin ins Gespräch kommen.
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