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Anstatt besserer VersorgungAsylbewerber abschrecken

Weniger Taschengeld und „Rückführungs“-Videos: So soll der Zulauf von Asylbewerbern aus dem Westbalkan begrenzt werden.

Hilfe statt Abschreckung: Ein Freiwilliger gibt Asylsuchenden in Moabit Deutschunterricht. Foto: reuters

BERLIN taz | Die Bilder aus Dresden von der überfüllten Zeltstadt in brütender Hitze und die Szenen von Freiwilligen, die am Freitag in Berlin vor dem Landesamt Lageso Hunderte von Asylbewerbern mit Mineralwasser versorgten, haben die Flüchtlingsdebatte buchstäblich angeheizt. Die Politiker machen sich dabei weniger Gedanken um eine bessere Versorgung der Flüchtlinge als vielmehr darum, die Liste sicherer Herkunftsstaaten, die den Zulauf von Asylbewerbern aus dem Westbalkan begrenzen soll, noch auszuweiten.

Das Thema soll eine zentrale Rolle auf dem nächsten „Flüchtlingsgipfel“ von Bund und Ländern spielen. Dieser wird nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schon am 9. September stattfinden.

Derzeit machen die etwa 94.000 Antragssteller aus den Balkanstaaten knapp die Hälfte der derzeit rund 200.000 Flüchtlinge in Deutschland aus. Die Anträge auf Asyl aus diesen Ländern werden zum allergrößten Teil abgelehnt. Für die Dauer des Asylverfahrens bekommen die Flüchtlinge bei korrekter Versorgung Unterkunft, Essen und anderen notwendigen Bedarf sowie ein monatliches Taschengeld von 140 Euro.

Besonders das Taschengeld ist nach Meinung des Chefs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, ein Grund für die Flut der Anträge aus dem Westbalkan. Schmidt schlägt vor, das Taschengeld für diese Asylbewerber zu kürzen oder nicht mehr in bar, sondern in Gütern auszugeben.

Verschärfte Gesetzeslage

Sowohl Union und SPD sprechen sich dafür aus, die Asylverfahren für Bürger aus den Balkanstaaten zu beschleunigen, was leichter geschehen könnte, wenn alle dieser Staaten als „sichere Herkunftsstaaten“ gelten würden. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte in der Welt am Sonntag, wer aus dem Kosovo komme, solle innerhalb eines Monats wieder dorthin zurück. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten auf Kosovo, Albanien und Montenegro dürfe „kein Tabuthema“ sein.

Die Gesetzeslage ist bereits verschärft: Seit dem 1. August können Asylbewerber aus den Balkanstaaten mit dem ablehnenden Bescheid die Mitteilung über eine Wiedereinreisesperre und ein Aufenthaltsverbot für Deutschland erhalten, erklärte Schmidt vom BAMF.

Abgelehnte Asylbewerber bekommen schneller ein Aufenthaltsverbot

Auch die Bundespolizei arbeitet daran, Deutschland möglichst unattraktiv erscheinen zu lassen. Auf einem Video, das in den Balkanstaaten in den Landessprachen verbreitet werden soll, warnt die Polizei vor der drohenden Abschiebung von Asylbewerbern. In dem kurzen Film sind Zuwanderer zu sehen, die in Begleitung von Polizisten in einen Bus steigen und zum Flugplatz gebracht werden, um in ihr Heimatland zurückzukehren. Passend zum nasskalten Wetter im Video verkündet eine düstere Stimme, dass Abgeschobene die Kosten der Abschiebung selbst tragen müssen und niemand den Versprechungen von Schleusern glauben solle, dass Asylbewerber in Deutschland arbeiten dürften und üppige Sozialleistungen bekämen.

Die Grünen lehnen die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ab. Einstufungen bestimmter Länder änderten nichts, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte die Bundesregierung auf, in den Balkanstaaten gezielte Entwicklungshilfe zu leisten.

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