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Anschlagsserie in Berlin-NeuköllnStümperhafte Ermittlungen

Malene Gürgen
Kommentar von Malene Gürgen

Die Berliner Polizei braucht fast zwei Jahre, um die Feindesliste eines Neonazis zu entschlüsseln. Und das ist noch nicht mal der peinlichste Aspekt.

Die Garage von Linken-Politiker Ferat Kocak, Berlin-Neukölln im Februar 2018 Foto: dpa

K napp zwei Jahre hat die Berliner Polizei gebraucht, um die Festplatte des Neuköllner Neonazis Sebastian T. zu entschlüsseln. T. steht im Verdacht, maßgeblich an einer Serie von Anschlägen gegen politisch Andersdenkende beteiligt zu sein, die den Berliner Bezirk seit Jahren erschüttert. Auf der Festplatte, so die Polizei in dieser Woche, fand sich eine Feindesliste aus dem Jahr 2013 mit den Namen möglicher Anschlagziele, darunter die damalige Piraten- und heutige Linken-Politikerin Anne Helm.

Zwei Jahre brauchen sie, um eine inzwischen sieben Jahre alte Liste zu entschlüsseln: keine bahnbrechende Leistung. Und doch der größte Ermittlungserfolg in dieser Sache seit Langem – und das sagt eigentlich alles, was man über diese Ermittlungen wissen muss.

Das Verhalten der Behörden nicht nur in Bezug auf die Ermittlungsarbeit selbst, sondern auch auf den Umgang mit den Opfern der Anschlagserie wirkt seit Jahren über weite Strecken, als folge es einem Handbuch mit dem Titel „Wie zerstöre ich das Vertrauen der Bürger in den staatlichen Sicherheitsapparat – so effektiv und nachhaltig wie möglich“.

Kocak oder Kotschak?

Ein Beispiel aus den vergangenen Wochen: Im Dezember erklärte die Polizei, man habe den Lokalpolitiker Ferat Kocak auch deswegen nicht über den Ermittlern bekannten, gegen ihn gerichteten Anschlagpläne informieren können, weil man seinen Namen fälschlicherweise als Kotschak notiert habe. Zu einem phonetischen Abgleich sei die Datenbank außerdem nicht in der Lage gewesen. Das klingt schon erschütternd genug, doch ein Teil davon ist auch noch unwahr. Denn die phonetische Namenssuche ist in den polizeilichen Datenbanken sehr wohl möglich, und zwar bereits seit 2007.

Wer so agiert, verspielt jedes Vertrauen – und kann entsprechende Kritik nicht als unlauteren Generalverdacht zurückweisen. Genau das passiert aber in Berlin: Die Forderung der Opfer nach einem Untersuchungsausschuss, der Licht ins Dunkel der polizeilichen Ermittlungsarbeit bringen soll, wird von der SPD und ihrem Innensenator mit dem Argument abgelehnt, die Einsetzung eines solchen Ausschusses käme einem Misstrauensvotum gegenüber allen Berliner Polizist:innen gleich und schade dem Ansehen der Behörde.

Dabei gilt das Gegenteil: Das Beste, was den Polizist:innen passieren könnte, die ein tatsächliches Interesse an der Aufklärung rechter Straftaten mitbringen, wäre die überfällige glaubhafte Aufarbeitung der im Neukölln-Komplex gemachten Fehler seitens ihres Arbeitgebers.

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Malene Gürgen
Reportage und Recherche
Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.
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6 Kommentare

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  • Wir vergleichen diese "Ermittlungsbemühungen" mit dem gigantischen Personal-, Material- u Kostenaufwand, der in HH betrieben wird, um noch den letzten besoffenen G20-Flaschenwerfer für am besten mehrere Jahre hinter Gitter zu bringen . .

    • @dites-mois:

      Es wird Zeit das Ganze mal beim Namen zu nennen.



      Warum wird von stümperhaft oder von überzogen geschrieben?



      Warum kann man an der politischen Orientierung des angeblichen Täters im vorhinein vorraus sagen wie motiviert die Polizei sein wird?



      Es ist politisch motivierte Polizeiarbeit.

      • @Oskar:

        Zum Einen kann diesen gedanklichen Schritt jeder für sich vollziehen, das muss nun nicht unbedingt ausformuliert werden. Zum Anderen hat man zum aktuellen Zeitpunkt keine hieb- und stichfesten Belege dafür dass das politisch motiviert ist. Dafür dass es stümperhaft ist schon. Und die TAZ muss nunmal auch ein wenig aufpassen nicht ständig wegen nicht belegbarer Aussagen verklagt zu werden. Da kann man diesen Schluss auch ruhig den Lesern überlassen.

      • @Oskar:

        Volle Zustimmung. Schade, dass selbst die Taz bei diesem bagatellisierenden Framing mitmacht.

  • Ich teile ja die Skpesis gegenüber der Polizei und ihrer Ermittlungsarbeit, das hier, allerdings, finde ich gewagt: "Zwei Jahre brauchen sie, um eine inzwischen sieben Jahre alte Liste zu entschlüsseln: keine bahnbrechende Leistung."

    Es gibt Verschlüsselungsverfahren die benötigen beim aktuellen Stand der Technik Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende um sie zu brechen. Da wüsste ich jetzt gerne mehr dazu welche kryptographischen Verfahren da zum Einsatz kamen, denn unter Umständen sind 2 Jahre durchaus bahnbrechend.

    • @Yodel Diplom:

      Hätten Sie das nicht angesprochen hätte ich es getan. Vielen Dank!