Anschlagsserie in Berlin-Neukölln: „Das wird uns weiter beschäftigen“

Der innenpolitische Sprecher der Linken, Niklas Schrader, zum Zwischenbericht der Sonderkommission „Fokus“: Durchbruch bisher nicht gelungen.

Der Linkenpolitiker Niklas Schrader am Rednerpult des Abgeordnetenhauses redbersprichlinkenK

Niklas Schrader bei einer Plenarsitzung Foto: dpa

taz: Herr Schrader, die vom Innensenator eingesetzte Sonderermittlungsgruppe „Fokus“ hat ihren Zwischenbericht vorgelegt. Es geht um die rechtsextremistisch motivierte Anschlagsserie in Neukölln, die nach wie vor nicht aufgeklärt ist. Wie beurteilen Sie den Bericht?

Niklas Schrader: Ich muss vorausschicken, dass der Bericht als geheim, also vertraulich, eingestuft ist. Deswegen kann ich über genaue Inhalte keine Angaben machen. Wir Abgeordnete konnten ihn auch nur im Geheimschutzraum lesen. Auch bei der Sitzung des Innenausschusses am Montag werden wir über die Einzelheiten nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit sprechen können.

Hat der Bericht für Sie neue Erkenntnisse offenbart?

Die „Fokus“-Ermittler haben großen Aufwand betrieben, um die Daten und Informationen auszuwerten, die die Polizei im Laufe der mehrjährigen Ermittlungen gesammelt hat. Der Durchbruch ist bisher nicht gelungen, aber die Arbeit der Sonderkommission ist auch noch nicht am Ende. Es sind auch noch nicht alle Beweismittel ausgewertet worden.

Niklas

Schrader

Der 38-jährige Sozialwissenschaftler ist innenpolitischer Sprecher der Linken. Er ist in Neukölln politisch aktiv, seit 2016 sitzt er im Ab­ge­ord­netenhaus.

Es gibt zwei Hauptverdächtige, das ist bekannt. Bei dem einen, dem Neonazi Sebastian T., ist eine sogenannte Feindesliste auf dem Computer gefunden worden. Weitere beschlagnahmte Datensätze sind noch nicht decodiert. Meinen Sie das?

Genau. Es könnte sein, dass da neue Beweise gefunden werden.

Gibt es für Sie gänzlich neue Erkenntnisse?

Wirklich bahnbrechende Informationen über die Taten und die Tatverdächtigen gibt es nicht. Aber natürlich ist in den Berichten einiges ausgebreitet, über die Vorgehensweise der Ermittler und wie die vorliegenden Informationen ausgewertet wurden.

Sind die Informationen brisant genug, um eine Geheimhaltung zu rechtfertigen?

Ich kann die Geheimhaltung nachvollziehen, solange es sich um laufende Ermittlungen und Ermittlungsmethoden handelt. Sonst könnten sich die Tatverdächtigen ja auf bestimmte Ermittlungsschritte vorbereiten. Aber ein Teil des Berichtes sollte öffentlich gemacht werden. Meine Fraktion wird bei der Sitzung des Innenausschusses am Montag darauf drängen.

Wie soll das gehen?

Wir müssen das nach dem Prinzip machen: so viel wie möglich öffentlich, ohne dabei Ermittlungen und Ermittlungsmethoden zu gefährden, so wenig wie nötig geheim. Die Öffentlichkeit, insbesondere die Betroffenen haben darauf einen Anspruch. Es ist ja auch ein großes Misstrauen gegen die Polizei entstanden.

Innensenator Andreas Geisel hat angekündigt, dass es eine öffentliche Zusammenfassung des Berichts geben wird.

Es gibt noch mehr Dinge, über die wir öffentlich sprechen können. Die rechtsextremistischen Einstellungen bei der Polizei sind in dem Zusammenhang ein wichtiges Thema.

Es gibt neue Zahlen. 2019 hat die Polizei 17 Disziplinarverfahren gegen Beamte wegen möglicher rechtsextrem motivierter Taten eingeleitet.

Ich kenne diese Zahlen nur aus den Medien. Es ist gut, dass Polizeipräsidentin Slowik diese Erhebung eingeführt hat. Davor hatten wir überhaupt keinen Überblick. Das genauer zu untersuchen könnte Aufgabe des künftigen Polizeibeauftragten sein. Denkbar wäre eine unabhängige Untersuchung über Einstellungen in der Polizei durchzuführen.

Wo ist der Unterschied zur Gesinnungsschnüffelei?

Das wäre, wenn man den Leuten hinterher spioniert. Man müsste das wissenschaftlich machen, in Form einer freiwilligen Befragung innerhalb der Polizei.

Bei der Anschlagsserie in Neukölln gibt es den Verdacht, dass Polizeibeamte durch Kontakt zu Neonazis die Ermittlungen behindert haben. Gibt es dazu Erkenntnisse?

Nein, auch dieses Thema wird uns weiter beschäftigen. Das bedarf weitergehender Untersuchungen. Das gilt auch für die Frage, ob Dinge aus dem Polizeiapparat nach außen dringen, die nicht nach außen dringen durften. Dafür gibt es keine direkten Beweise, aber der Verdacht liegt nahe. Auch die Behinderung polizeilicher Arbeit durch den Verfassungsschutz gehört aufgeklärt und abgestellt.

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