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Anschlag in NorwegenErmittler werten Tat als „Terrorakt“

Laut norwegischem Geheimdienst handelt es sich bei dem Angriff in Kongsberg mutmaßlich um eine terroristische Tat. Fünf Menschen kamen ums Leben.

Kongsberg am Mittwochabend: Polizisten ermitteln im Zentrum der Stadt Foto: dpa

Kongsberg dpa/afp | Bei dem von einem Bogenschützen verübten Anschlag am Mittwochabend in Norwegen handelt es sich nach vorläufigen Erkenntnissen der Ermittler mutmaßlich um einen „Terrorakt“. Der Angriff in Kongsberg habe in diesem „Stadium“ der Ermittlungen „den Anschein eines Terrorakts“, teilte der norwegische Geheimdienst PST am Donnerstag mit. Der festgenommene Täter, ein 37-jähriger Däne, hatte mit Pfeil und Bogen fünf Menschen getötet und zwei weitere verletzt.

Die Polizei hatte den Angreifer zuvor bereits als polizeibekannten und potenziell radikalisierten Muslim identifiziert. „Es handelt sich um einen Konvertiten zum Islam“, sagte ein Polizeivertreter. Die Behörden hatten demnach im vergangenen Jahr noch Kontakt mit dem Mann, weil er wegen mutmaßlicher Radikalisierungstendenzen auffällig geworden war.

Der Verdächtige hatte an mehreren Orten im Zentrum der Stadt Kongsberg südwestlich der Hauptstadt Oslo mit Pfeil und Bogen um sich geschossen, darunter in einem Supermarkt. Rund eine Viertelstunde nach der Tat wurde er festgenommen und anschließend in eine Polizeidienststelle in der Nachbarstadt Drammen gebracht. Laut einem Bericht des Senders TV2 hatte der Mann auch ein Messer und weitere Waffen bei sich.

In der Nacht hätten die Ermittler den Verdächtigen verhört, dieser habe dabei die Tat gestanden, sagte der Polizeivertreter. Der Anwalt des Verdächtigen teilte mit, sein Mandant zeige sich kooperativ und spreche offen mit den Ermittlern. Demnach sollte er am Donnerstag oder Freitag einem Haftrichter vorgeführt werden.

Erinnerungen an Utøya

Der Vorfall weckt schlimme Erinnerungen: Vor gut zehn Jahren erlebte Norwegen den schwersten Terroranschlag seiner modernen Geschichte. Am 22. Juli 2011 zündete der Rechtsterrorist Anders Behring Breivik zunächst im Osloer Regierungsviertel eine in einem Transporter versteckte Bombe und tötete dabei acht Menschen.

Danach fuhr er zur etwa 30 Kilometer entfernten Insel Utøya, wo er sich als Polizist ausgab und das Feuer auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des jährlichen Sommerlagers der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei eröffnete.

69 Menschen, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, kamen auf Utøya ums Leben. Breivik nannte rechtsextreme und islamfeindliche Motive für seine Taten. Er wurde im August 2012 zu der damaligen Höchststrafe von 21 Jahren mit einer Mindesthaftzeit von zehn Jahren verurteilt.

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6 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    Hier wurden früher Frauen und Männer als Hexe oder Hexer angeklagt und verbrannt, von den christlichen Religiösen. Es wurden Kinder missbraucht, misshandelt und ins Ausland verkauft. Die Mütter demütigt und aussen vor gelassen. Manche Kinder wurden einfach verscharrt.

    Heute töten andere religiöse Mörder Menschen mir Pfeil und Bogen, Macheten und Autos.

    Was tun wir, als Gesellschaft und Staat? Vor den Religionen buckeln, Toleranz einfordern und dem Pope zu winken und vom Turm zum Gebet rufen lassen.



    Unerklärlich in der heutigen Zeit. Jedenfalls für mich.

    Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer.

  • Vermutlich doch ein verwirrter Einzeltäter (Pfeil und Bogen legen das nahe). Der hier gezogene Vergleich zu Utoya ist völlig unpassend, wenn hier gerne der Eindruck vermittelt wird, es ginge noch schlimmer.

    • @TazTiz:

      Völlig unpassend warum? Weil Breivik ein Rassist war, und der Bogenschützer Nichtrassist?

      • @Valery Pokrowski:

        Weil es relativierend rüberkommt, sobald ein zum Islam konvertierter Mann Amok läuft, wird ein noch schlimmerer Amoklauf eines Rechtsextremen aus der Historie geholt. Muss nicht so gemeint sein, wirkt aber so.

        • @TazTiz:

          @sobald ein zum Islam konvertierter Mann Amok läuft: und Menschen dabei ermordet - ist er trotzdem weniger schlimm, als ein Rechter?

    • RS
      Ria Sauter
      @TazTiz:

      Pfeil und Bogen sind in Norwegen frei verkäuflich und gelten nicht als Waffe. Deshalb hat der Täter vermutlich zu diesem Tötungswerkzeug gegriffen.