piwik no script img

Anschlag in MünchenDeutschland muss es machen wie die Gewerkschaften

Wie kann die Gesellschaft mit schrecklichen Anschlägen wie in München umgehen? Die Gewerkschaften machen es vor: Zusammenhalten!

Die besonnene Reaktion der Gewerkschaften lässt uns zusammenhalten Foto: Daniel Löb/dpa

S chon wieder ein Anschlag. Schon wieder ist der Täter ein Mensch, der als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist. Schon wieder sind auch Kinder unter den Verletzten, eines schwebt in Lebensgefahr. So viel Schmerz.

Vor allem anderen muss das Mitgefühl stehen, mit den Verletzten und Angehörigen, mit denen, die den Anschlag von München miterlebt haben und sich nun womöglich unsicher fühlen, wenn sie ihr Grundrecht ausüben: an einer Demonstration teilnehmen, für die eigenen Rechte kämpfen. Auch von ihnen haben viele eine Migrationsgeschichte.

Doch so schrecklich der Anschlag auf die Verdi-Demonstration in München ist, so sehr macht Hoffnung, dass die Reaktion auf die Tat eine andere ist als nach dem Anschlag von Aschaffenburg. Das liegt vor allem an der besonnenen Reaktion der Gewerkschaften. Betroffene und Angehörige riefen nach der Tat zu einer Kundgebung auf. Sie stellen ihr Mitgefühl und ihre Solidarität in den Vordergrund.

Auch Betroffene haben Migrationsgeschichte

Sie trauern mit den Verletzten und wollen sich nicht spalten lassen durch politische Kräfte, die furchtbare Anschläge für ihre Hetze missbrauchen. Sie bleiben solidarisch mit ihren Kolleginnen und Kollegen, egal woher sie kommen. Als Gewerkschafter wissen sie: Zusammen sind wir stärker.

Anders als bei den vergangenen Anschlägen haben die Opfer diesmal eine starke, laute Stimme. Das macht es schwerer, sie zu instrumentalisieren. Doch wie kann die Gesellschaft mit solchen schrecklichen Taten umgehen?

Es ist bei aller Wut und Trauer nötig, jeden Fall einzeln zu betrachten. Denn bei näherem Hinsehen sind die Anschläge, die Deutschland in den vergangenen Monaten beschäftigten, so unterschiedlich, wie sie eben sein können. Wer die Taten grob zusammenfasst, der schaut nur auf eines: Der Täter war ein Ausländer.

Der Täter von München hatte eine Aufenthaltserlaubnis und war polizeilich nicht auffällig. Durch Abschiebungen hätte man diesen Fall nicht verhindern können. Der Täter von Aschaffenburg war mehr als ein Dutzend Mal straffällig geworden und psychisch krank. Der Täter von Magdeburg war ein Anhänger der AfD. Er handelte in seiner verqueren Logik aus Hass gegen den Islam.

Und so lautet die Lösung

Gewalt muss verhindert werden. Dafür braucht es polizeiliche Arbeit und die Durchsetzung von Gesetzen. Die Lösung muss sein: mehr Mittel für Integration, mehr Mittel für die psychische Betreuung von Migranten. An beidem hat die Ampel zuletzt gespart. Und es braucht mehr Mittel für die Bekämpfung von Islamismus und Rechtsextremismus.

Heute sprechen alle über die Tat von München, auch in der taz haben mehrere KollegInnen über den Fall berichtet. In der gedruckten Ausgabe vom Freitag findet sich die furchtbare Tat auf der Titelseite und in einem großen Text. In der kurzen Spalte daneben finden sich zwei Nachrichten, die ebenso viel Aufmerksamkeit verdient hätten.

In Brandenburg hat die Polizei einen rechtsextremen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim verhindert. Ein 21-Jähriger hatte offenbar einen Anschlag mit einer Kugelbombe geplant. Unter der kurzen Meldung berichteten wir über die Zahlen zur rechtsextremen Gewalt in Deutschland. 2024 gab es über 40.000 rechtsextreme Straftaten, darunter über 1.400 Gewalttaten. Beide Zahlen sind ein Rekord. Es ist kein Whataboutism, darauf hinzuweisen, dass diese Nachrichten deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen. Auch sie verändern das Sicherheitsgefühl.

Wenn Deutschland ein sicheres und offenes Land bleiben will, muss die Gesellschaft sich ein Vorbild an den Gewerkschaften nehmen: Sich nicht spalten lassen. Zusammenhalten. Gemeinsam für ein besseres Leben für alle kämpfen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • "Die Gewerkschaften machen es vor: Zusammenhalten!"

    In dem Zusammenhang möchte ich bemerken, dass die AfD ganz besonders erfolgreich ist bei Arbeitern.

    www.deutschlandfun...-07eb8a93-100.html

    Die Gewerkschaften machen da meines Erachtens also gar nichts vor. Sie haben sträflich vernachläßigt ihren Beritt sauber zu halten von Wählern der AfD. Gerade die Gewerkschaften haben da besondere Möglichkeiten über ihre Mitglieder in den Betrieben zu wirken. Gehört hat man aber von solchen Aktivitäten rein gar nichts.

  • Danke!



    Dem kann ich voll zustimmen!



    Die Schreihälse, die in der Konsequenz die Grenzen dicht machen wollen, sind im Unrecht.



    Söder versucht hier, mal wieder, Verantwortung abzuschieben. Es ist erneut ein Anschlag in Bayern und seine markigen Sprüche haben nichts verhindert. Die Verhinderung von mehr Kompetenzen für die Polizei verhindern CDU und CSU bisher im Bundesrat.



    Dennoch behaupten Sie " mehr tun zu wollen", ein Widerspruch in sich.



    Die Zahlen der rechtsextremen Übergriffe lässt über die Frage nachdenken, wohin die dann abgeschoben werden sollen!?



    Ist in Söders, Linnemanns, Lindners und Weidels Gärten ausreichend Platz für die Container?



    Es ist ein Terrorakt geschehen, der zu verurteilen ist.



    Damit Wahlkampf zu machen ist unredlich!

    • @Philippo1000:

      "Die Schreihälse, die in der Konsequenz die Grenzen dicht machen wollen, sind im Unrecht."

      Die Grenzen sollten laut Gesetz schon immer dicht sein gegenüber Islamisten. Wieso ist man im Unrecht, wenn man das will. Auch will keine einzige Partei illegale Einreisen nach DE. Dichte Grenzen im Rahmen der bestehenden Gesetze, damit sind alle Parteien schon zufrieden. Auch ihre Lieblingspartei.

  • Also thoughts and prayers aus dem Phrasomaten und weiter wie bisher? Das funktioniert maximal für einen begrenzten Zeitraum.

    • @Šarru-kīnu:

      Sofern der Zeitraum größer als eine Wahlperiode ist, passt das für viele noch so.

  • Ganz genau, das ist es, was Zusammenleben im gesellschaftlichen Sinne auszeichnet - Gemeinschaft, Gemeinsinn, Gemeinwohl. Es braucht also das Zusammenhaken, die gegenseitige Solidarität, vor allem ungeschützte Gruppen. Und übergeordnete Ideen, wie wir uns als Gesellschaft definieren wollen. Ich denke, dass es vor allem daran fehlt. Visionen, wie und wo wir uns in 10, 20 Jahren sehen. Wie wir miteinander leben, wie es langfristig funktioniert, unterschiedliche Interessen zu vereinbaren, sodass sich weniger Menschen ausgeschlossen fühlen.

    • @Sebastian Hackstette:

      Der Appell an die Gemeinsamkeit ist ja nett. Aber die Täter solcher Taten wollen ja genau das nicht. Sie wollen ihre moralische Überlegenheit ja sogar mit ihrem eigenen Leben beweisen. Wie wollen Sie da Gemeinsamkeiten ausmachen?

  • Vielen dank für diesen klaren klugen Worten!



    Zusammenhalten. Gemeinsam für ein besseres Leben für alle kämpfen.