Anschlag auf Remchinger Flüchtlingsasyl: Hoffentlich keiner von hier

Täter und Motiv des mutmaßlichen Brandanschlags im süddeutschen Remchingen sind noch immer unbenannt. Die Brandstifter kannten sich offenbar aus.

Feuerwehr löscht künftige Flüchtlingsunterkunft in Remchingen

In der Nach auf Samstag: Die künftige Flüchtlingsunterkunft in Remchingen wird gelöscht Foto: dpa

REMCHINGEN taz | Es riecht noch immer nach Rauch und verbranntem Plastik, der Dachstuhl des Gebäudes am Ende des Industriegebiets Meilwiese ist völlig ausgebrannt, die Reste einer orangefarbenen Markise hängen in Fetzen. Im nächsten Jahr sollten hier wahrscheinlich Flüchtlinge untergebracht werden, in der Nacht zum Samstag hatte jemand das ehemalige Vereinshaus angezündet.

Eine Frau in Bluse und Sommerrock steht vor dem rot-weißen Absperrband der Feuerwehr und spricht hektisch in ihr Handy. Sie gehört zum Betrieb nebenan, der Gastronomiecontainer verleiht. Zwischen zwei Telefonaten sagt sie: „Ja, es war viel los hier seit gestern. Die Presse war da und die ganzen Politiker.“ Haben die Nachbarn nichts von dem Brand in der Nacht zum Samstag mitbekommen? Sie deutet die Straße hinunter: „Hier sind ja nur Betriebe, wer soll da am Wochenende etwas mitbekommen?“

Es war ein Autofahrer, der das brennende Gebäude von der B10 aus gesehen hatte und die Feuerwehr rief. Bis gelöscht werden konnte, waren zwei Stockwerke des Hauses bereits verbrannt. Seit Samstag sucht nun eine 17-köpfige Ermittlungsgruppe der Kriminalpolizei Karlsruhe nach Täter und Motiv. Die Beamten gehen davon aus, dass es Brandstiftung war; dass die Tat einen rassistischer Hintergrund hat, schließt die Polizei nicht aus.

Wenn es tatsächlich Rechte waren, müssen sie schnell und gut informiert gewesen sein. Auf einer Google-Karte, die alle Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland verzeichnet und im Netz für großes Aufsehen gesorgt hatte, war das Remchinger Haus nicht verzeichnet. Die Stadt hatte das Gebäude vor einiger Zeit von einem Motorradclub gekauft, von dem keine Kontakte zu Rechten oder Hooligans bekannt sind.

Der Stadtrat hatte bisher nicht öffentlich über die Nutzung des Hauses beraten. Nur hinter verschlossenen Türen wurde über Pläne gesprochen. „Entschieden war das nicht“, sagen zwei Stadträte gegenüber der taz. In der Stadtratssitzung am vergangenen Donnerstag hatte Bürgermeister Luca Prayon erstmals öffentlich darüber informiert, dass die Stadt künftig mehr Flüchtlinge aufnehmen muss. Über das Haus in der Meilwiesenstraße sprach er nicht.

Eine Handvoll Rechtsextremer

Die große Frage ist also: Wenn das Motiv Fremdenfeindlichkeit war, wer wusste, dass dort ein Flüchtlingsheim geplant war?

Man könne nur hoffen, dass es niemand aus dieser Gemeinde gewesen sei, heißt es im Rathaus, und das sagen auch viele Bürger im Ort mit seinen gerade mal 12.000 Einwohnern. Eine Handvoll Rechtsextremer ist der Kriminalpolizei bekannt, vor allem durch sogenannte Propagandadelikte. Die Szene sei aber eher diffus, heißt es. Im nahen Pforzheim ist das anders, neben Rechten ist hier vor allem die Hooligangruppe „Berserker“ bekannt, die Pegida-Aufmärsche in Karlsruhe mitorganisierte.

Lieber als über Rechte reden die Remchinger von ihrer Willkommenskultur. Italiener und russische Aussiedler habe man in den vergangenen Jahrzehnten problemlos integriert, berichtet der CDU-Stadtrat Dieter Walch. Und auch die Polizei vor Ort spricht anerkennend davon, dass sich „mindestens 60 Bürger“ im Netzwerk Asyl für Flüchtlinge engagiert haben. Erst vor Kurzem haben die Unterstützer ein Sommerfest für die bisher etwa 29 Flüchtlinge im Ort organisiert.

Als der Brandanschlag am Samstag bekannt wurde, versammelten sich spontan Bürger und Antifagruppen aus der Umgebung zur Solidaritätsdemo und zogen spontan durch die Straßen der Stadt zum Tatort. Vor der Brandruine hinterließen sie ein Spruchband, auf dem nur ein Wort steht: „Hirnverbrand.“

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