Anschlag auf Gemeindepräsidenten in Graz: Elie Rosen kann knapp entkommen

Im österreichischen Graz wird der Vorsteher der jüdischen Gemeinde angegriffen. Die bekommt nun Schutz: Von Freiwilligen, nicht von der Regierung.

Porträtfoto von Elie Rosen, Mann mit Anzug, Krawatte, Brille, blonde Haare

Mit dem Schrecken davon gekommen: Wer schützt Elie Rosen jetzt? Foto: Erwin Scheriau/APA/dpa

Ein Radfahrer mit einem Stein in der Hand nähert sich am Samstagabend vor dem jüdischen Gemeindehaus dem Auto von Elie Rosen, dem Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz. Als Rosen aussteigt, attackiert ihn ein Unbekannter mit einem Holzprügel. Er flüchtet in sein Auto, das dann die heftigen Hiebe abbekommt. Soweit das Landespolizeikommando Steiermark.

Der Attacke waren mehrere Anschläge auf die Grazer Synagoge vorausgegangen. Überwachungskameras zeigen einen bärtigen Mann, der dem Attentäter vom Samstag ähnelt. Nach ihm wird gefahndet.

Trotz der Bitte um Polizeischutz für das jüdische Gebetshaus durch einen grünen Lokalpolitiker, reagierte das ÖVP-geführte Innenministerium zunächst nicht. Freiwillige organisierten sich, um das Gebäude über Nacht zu beschützen.

Elie Rosen, 1971 in Wien geboren, engagierte sich schon als Jugendlicher für jüdische Anliegen. Gemeinsam mit dem Maler Georg Chaimowitz, einem Großcousin, gelang es ihm Ende der 1980er Jahre den Abriss der Synagoge von Baden bei Wien und die Auflösung der dortigen jüdischen Gemeinde zu verhindern.

Kaum einer kommt in die Synagoge

1998 wurde er zum Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Baden gewählt. Zu seinem Leidwesen scheiterte Rosen aber beim Bemühen, das jüdische Leben in der Kurstadt wieder anzufachen. „Die einstigen jüdischen Kurgäste leben nicht mehr, Baden hat zunehmend Krankenkassentourismus und die Israelis, die in Baden kuren, kommen nicht in die Synagoge“, erklärte er vor einem Jahr in einem Interview mit der jüdischen Kulturzeitschrift David.

Ähnliche Probleme plagen ihn in Graz, wo er seit 2016 der jüdischen Gemeinde vorsteht, obwohl er durch Kulturveranstaltungen eine Öffnung nach außen anstrebt.

In Österreichs zweitgrößter Stadt hat die Kultusgemeinde gerade 150 aktive Mitglieder. Anders als die große reformatorische, Synagoge, die 1938 zerstört wurde, ist das erhaltene Gotteshaus traditionalistisch gebaut: mit einer Frauengalerie, die den Frauen keine aktive Teilnahme am Ritus erlaubt.

„Ich persönlich rechne mich dem traditionellen, modern orthodoxen Judentum zu. In der Tradition des Wiener Stadttempels“, sagt Rosen im Interview mit David. 2004 war er zum Vorsitzenden des Senates II der im österreichischen Bundeskanzleramt angesiedelten Gleichbehandlungskommission ernannt.

Richter am Asylgerichtshof

In dieser Funktion war er bis 2016 für die Behandlung behaupteter Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft, der Religion, des Alters sowie der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt verantwortlich.

2008 wurde der studierte Jurist als Richter an den neu eingerichteten Asylgerichtshof berufen. Dort beschäftigte ihn „die Frage, wie extensiv man Menschenrechte auslegt, inwieweit dadurch die Rechte anderer tangiert werden“. Er glaubt, „dass Europa aufpassen muss, durch eine zu extensive Interpretation von Menschenrechten die eigenen Werte nicht in Gefahr zu bringen“.

Nach drei Jahren als Richter des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien machte sich Rosen 2017 selbständig und ist seither als freier Rechtskonsulent im Bereich Wirtschaft und öffentliches Recht tätig. Dazu zählt auch der Bereich Antidiskriminierung.

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