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Anpassung an den Klimawandel„Frauen haben ein deutlich größeres gesundheitliches Risiko“

Während Hitzewellen sterben mehr Frauen als Männer. Das muss bei der Klimaanpassung berücksichtigt werden, sagt Geografin Katharina Scherber.

Häufig müssen nach Klimakatastrophen Frauen die Aufräumarbeiten übernehmen Foto: Jae C. Hong/AP/dpa
Jonas Waack
Interview von Jonas Waack

taz: Frau Scherber, im Globalen Süden müssen Frauen wegen der Erderhitzung Wasser über wachsende Distanzen schleppen und übernehmen einen großen Teil der Aufräumarbeiten nach Klimakatastrophen. Aber auch hier in Deutschland trifft die Erderhitzung Frauen und Männer auf unterschiedliche Weisen. Zum Beispiel sterben bei Hitzewellen mehr Frauen als Männer. Nun werden Frauen älter als Männer, deswegen gibt es einen Frauenüberschuss in der Altersgruppe, die von Hitze besonders gefährdet sind. Aber ist das der einzige Grund?

Scherber: Nein, das hat vor allem körperliche Gründe. Denn Frauen können sich schlechter an Hitze anpassen. Sie schwitzen weniger und können daher die Wärme weniger gut abgeben. Und sie können sich auch schlechter akklimatisieren. Frauen haben damit ein deutlich größeres gesundheitliches Risiko bei Hitze als Männer.

taz: Und Frauen leben gerade im hohen Alter oft allein.

Scherber: In diesen Fällen vergessen Frauen häufig, ausreichend zu trinken. Das ist problematisch. In Paris sind im Jahr 2003 während einer verheerenden Hitzewelle viele hochbetagte Frauen gestorben. Besonders groß wird das Risiko damals für Frauen gewesen sein, die in Dachgeschosswohnungen lebten. Diese können sich so stark aufheizen, dass sie im schlimmsten Fall zur Todesfalle werden.

taz: Sind es denn nur ältere Frauen, die von der Hitze besonders gefährdet sind?

Scherber: Nein, betroffen sind insbesondere auch Schwangere. Hitze kann dem ungeborenen Kind schaden und auch zu Frühgeburten führen. Frauen sind zudem doppelt betroffen. Sie haben einerseits aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen ein größeres Risiko, unter der Hitze zu leiden, und andererseits können sie sich aufgrund von bestimmten strukturellen und familiären Rahmenbedingungen weniger auf die klimatischen Veränderungen einstellen. Denn sie leisten zumeist mehr Care-Arbeit und sind häufiger in Teilzeit tätig.

Bild: Barmer
Im Interview: Katharina Scherber

Katharina Scherber ist Geografin am Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg). Dort ist sie Expertin für das Thema Klimawandel und Gesundheit.

taz: Was hat Teilzeit damit zu tun, wie sie sich an den Klimawandel anpassen können?

Scherber: In Teilzeit sind aufgrund der kürzeren Arbeitszeiten verlängerte Pausen meist schwierig einzulegen. Diese sind jedoch bei Hitze notwendig. Frauen sind in der Regel auch stärker an die Betreuungszeiten der Kinder gebunden als Männer. Daher lassen sich Arbeitszeiten oft nicht auf kühlere Tageszeiten schieben. Gerade das wäre aber wichtig, um die Arbeitszeit entsprechend anzupassen. Selbstverständlich betrifft das Männer unter vergleichbaren Bedingungen genauso.

taz: Besonders gefährdet sind Menschen, die bei Hitze tagsüber draußen arbeiten müssen. Da fallen mir eher Berufe ein, die derzeit eher von Männern ausgeübt werden, auf dem Bau zum Beispiel.

Scherber: Das ist zu kurz gedacht. In der ambulanten Pflege sind sehr viele Frauen beschäftigt, die aufgrund der notwendigen Hausbesuche stark der Hitze im Freien, im Auto und natürlich auch in den Wohnungen ausgesetzt sind. Und die allerwenigsten Wohnungen verfügen über eine Klimatisierung. Die nützt auch im Auto sehr wenig, weil sie wegen der zahlreichen Kurzfahrten nicht die notwendige Kühlung in stark überhitzten Autos aufbauen kann. Gerade bei Hitze muss das Pflegepersonal die Pflegebedürftigen sogar vermehrt aufsuchen, da der Versorgungsbedarf in diesen Situationen steigt. All das wirkt extrem belastend. Genau deshalb braucht es Hitzeschutzmaßnahmen für Pflegebedürftige und Pflegepersonal. Da müssen zusammen mit dem Arbeitgeber Lösungen gefunden werden, um den Personalschlüssel sowie Arbeits- und Pausenzeiten so anzupassen, dass auch diese Arbeitstage zu schaffen sind. Hitze ist aber genauso ein Thema zum Beispiel für Büros, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Großküchen, Schulen und Kitas. Denn dort können die Innenräume ebenso stark überwärmt sein.

taz: In Deutschland sind vor allem die Kommunen für Klimaanpassung zuständig. Was können die tun?

Scherber: Es braucht vor allem Aufklärung darüber, dass Frauen überproportional von der Klimakrise betroffen sind. Das größte gesundheitliche Risiko ist die Hitze. Im öffentlichen Raum zum Beispiel haben wir nach wie vor das Problem, dass es häufig nicht genug Grünflächen, Schatten und Trinkbrunnen gibt. Das betrifft selbstverständlich alle. Aber für Frauen ist es aufgrund ihrer Anatomie, der Menstruation und dem Bedürfnis nach Sicherheit in der Regel noch wichtiger als für Männer, dass sie einen schnellen Zugang zu kostenlosen öffentlichen Toiletten haben.

taz: Was haben öffentliche Toiletten mit Klimaanpassung zu tun?

Scherber: Bei Hitze ist vermehrtes Trinken erforderlich. Und Frauen leiden mit zunehmendem Alter häufiger zum Beispiel an Blasenschwäche. Tatsächlich trinken betroffene Frauen dann in der Regel weniger, wenn sie im öffentlichen Raum unterwegs sind, weil sie befürchten, dass sie dort in der Nähe keine Toiletten finden. Zudem erhöht sich der Bedarf an Menstruationshygiene bei Hitze und vermehrtem Schwitzen. Dem können Frauen nicht nachkommen, wenn es zu wenig öffentliche Toiletten gibt. Das sind Themen, die noch viel zu wenig angesprochen werden, aber das wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden und den Gesundheitszustand der Frau aus.

taz: Wird genug daran geforscht, wie Klimaanpassung und Gender zusammenhängen?

Scherber: Ich habe bei meinen Recherchen dazu in Deutschland noch wenig gefunden. Positiv ist, dass das Bundesforschungsministerium nun Forschende unterstützt, die Gender-Dimension in der Klimaforschung zu berücksichtigen.

taz: Die Ampelregierung scheint das Thema auf dem Schirm gehabt zu haben: Im Dezember schrieb sie in ihrer Klimaanpassungsstrategie 2024 fest, dass Anpassungspolitik geschlechtergerecht zu gestalten sei – wenn auch ohne konkrete Maßnahmen zu nennen.

Scherber: Das ist eine wichtige Basis für Kommunen und Länder. Aber es muss im Bewusstsein aller Handelnden noch stärker ankommen, dass Frauen besonders adressiert werden müssen. Darauf sollte man ein besonderes Augenmerk legen, sowohl in der Forschung als auch im alltäglichen Leben. Deswegen ist das der wichtige erste Schritt in diese Richtung. Wissenschaftler erwarten Ende des Jahrhunderts Temperaturen von 46 bis 48 Grad in Deutschland. Darauf sind wir bislang absolut nicht vorbereitet.

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3 Kommentare

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  • Es sind leider immer noch meistens Maenner, die den Klimaschutz blockieren und die Erde ausbeuten. Es sind leider immer noch ueberwiegend Maenner, die an der Macht sind - in Deutschland und ueberall auf der Welt (vielleicht ausgenommen Island). Es wird immer deutlicher, dass Frauen und Maedchen nur dann zu ihrem Recht kommen, wenn sie selbst darum kaempfen und wenn sie selbst in Machtpositionen sind. Leider wird ihnen das zunehmend erschwert durch den pushback der Incels, der Bro-culture, der Manosphere, die toxischen Maennlichkeitswahn verbreiten und verherrlichen.

  • Vor diesem Hintergrund ist es besonders spannend, daß die meiste Klimapolitik von Männern gemacht wird.

    • @torrez:

      also - Frauen an die Macht