Anpassung an den Klimawandel: Deiche nur für Reiche
Die Gelder zur Anpassung von Entwicklungsländern an die Erderhitzung reichen nicht aus, stellt ein UN-Bericht fest. Helfen könnte etwas anderes.
Unter Klimaanpassung werden vorbeugende Maßnahmen zusammengefasst, die zum Beispiel wegen steigender Temperaturen, häufigeren Extremwetterereignissen oder größeren Niederschlagsmengen notwendig werden.
Damit erreicht die Hilfe aus den Industrieländern zwar 28 Milliarden US-Dollar. Modellierungen des UNEP zufolge werden Anpassungsmaßnahmen aber 215 Milliarden US-Dollar kosten. Berechnet man dagegen, wie viel Unterstützung aus dem Globalen Norden nötig wäre, um diese Maßnahmen umzusetzen, kommt man laut dem UNEP auf 387 Milliarden US-Dollar. Der große Unterschied entsteht aus den verschiedenen Annahmen, die den Berechnungen zugrunde liegen.
Die UNEP-Chefin Inge Andersen sagte bei der Vorstellung des Berichts, der Klimawandel „verwüstet schon jetzt weltweit Dörfer und Städte, besonders die ärmsten und gefährdetsten.“ Menschen, ihr Lebensunterhalt und die Natur, von der sie abhängen, seien in ernsthafter Gefahr durch die Folgen des Klimawandels: „Wenn wir nicht handeln, ist das nur eine Vorschau auf das, was in Zukunft passieren wird.“ Darum sei es nicht zu entschuldigen, sich jetzt nicht ernsthaft an den Klimawandel anzupassen.
Schuldenerlasse könnten eine Lösung sein
Im Bericht schreiben die Wissenschaftler*innen, dass die jährlichen Zinszahlungen der Entwicklungsländer höher seien, als die notwendigen Gelder für Klimaanpassung. Durch Schuldenerlasse könne also ein großer Teil der nötigen Investitionen finanziert werden.
Bislang sind den Autor*innen zufolge Klimaanpassungsmaßnahmen selten ambitioniert genug. Die Staaten reagierten häufig nur auf den Klimawandel, zum Beispiel wenn Sturmfluten häufiger auftreten und deswegen Deiche ausgebaut werden müssen.
Stattdessen sollten die Maßnahmen miteinbeziehen, dass die Welt mit den gegenwärtig geplanten Klimaschutzanstrengungen auf 2,6 bis 3,1 Grad Erderhitzung zusteuert, schreiben die Forscher*innen. Die Regierungen und Verwaltungen sollten deswegen vorausschauender planen, statt nur zu reagieren. Immerhin haben dem Bericht zufolge inzwischen 87 Prozent der Länder einen oder mehrere Klimaanpassungspläne.
Das UNEP warnt davor, Klimaanpassung auf die gleiche Weise anzugehen wie Emissionsminderung, also auf technische Lösungen zu setzen und sich auf die Bereiche zu konzentrieren, die am leichtesten zu finanzieren sind.
Um weniger Treibhausgase auszustoßen, ist es zum Beispiel für Entwicklungsländer recht billig, Öl-Kraftwerke durch Solarkraftwerke zu ersetzen, weil Öl teuer und Solarenergie billig ist. Solarbetriebene Bewässerungsanlagen für Regionen, in denen Dürren häufiger auftreten werden, sind dagegen in der Anschaffung und in der Wartung teuer. Notwendig können sie trotzdem sein.
UNEP: Die reichen Länder sollen finanzieren
Nur ein Drittel der Kosten für nötige Maßnahmen fallen dem UNEP-Bericht zufolge in Bereichen an, wo sich üblicherweise private Anpassungsinvestitionen lohnen. Dazu gehören zum Beispiel Investitionen in die kommerzielle Landwirtschaft, Wasserversorgung und Infrastruktur. Den Rest müsse der öffentliche Sektor abdecken, schreiben die Autor*innen. In reichen Ländern habe der Staat dafür die nötigen Kapazitäten, in ärmeren Ländern dagegen meist nicht.
Das UNEP drängt deswegen darauf, dass die reichen Länder einen Großteil der Finanzierung übernehmen. Das sei auch so in der UN-Klimarahmenkonvention vereinbart. Dort haben sich die Länder der Welt darauf geeinigt, dass „der Verschmutzer zahlt“. Die Entwicklungsländer sind für weit weniger Treibhausgasemissionen verantwortlich als die Industriestaaten, sind aber häufig stärker von den Folgen der Erderhitzung betroffen.
Die Autor*innen des Berichts fordern deshalb die Industriestaaten auf, ihre Finanzierungsziele für Klimaanpassung auf der UN-Klimakonferenz hochzustecken. Die Konferenz beginnt kommende Woche in Baku. Ein zentrales Thema wird ein neues Gesamtziel für die Klimafinanzierung sein, von der die Klimaanpassung nur ein Teil ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge