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Anne-Frank-Haus zu Justin Bieber„Wir freuen uns sehr“

Es ist in Ordnung, wenn Justin Bieber sich wünscht, Anne Frank hätte auch ein Fan von ihm sein können, meint Anne Marie Bekker vom Anne Frank-Haus in Amsterdam.

Justin Bieber: Sein Kommentar im Gästebuch des Anne Frank-Hauses sorgte für Aufruhr im Netz. Bild: ap
Interview von Marlene Staib

taz: Frau Bekker, viele Anne Frank-Bewunderer, die ihr Tagebuch gelesen haben, empören sich auf der Facebook-Seite Ihres Museums über Biebers Kommentar. Sie empfinden ihn als unangemessen und selbstverliebt. Geht das Ihnen genauso?

Anne Marie Bekker: Nein, ich finde es in Ordnung, dass er sich – als Fan von Anne Frank – wünscht, sie hätte auch ein Fan von ihm sein können. Menschen urteilen manchmal zu leicht über eine Sache. Wir freuen uns sehr, dass er sich die Zeit genommen hat, das Museum zu besichtigen – sicher hätte er in Amsterdam auch etwas anderes machen können.

Auf Ihrer Facebook-Seite steht auch, dass Sie hoffen, sein Besuch inspiriere seine Fans, mehr über ihr Leben zu lernen. Glauben Sie, dass Bieber mit seinem Kommentar das Interesse junger Menschen auf Anne Frank lenken will?

Ich weiß es nicht – das war ein privater Besuch, aber wir wollten es dennoch gern auf unserer Seite erwähnen. Bieber wurde gebeten, einen Kommentar in unserem Gästebuch zu hinterlassen. Er hat viele Anhänger, die vielleicht auch gern mehr über Anne Frank lernen wollen, wenn sie seinen Kommentar lesen. Wir sind eines der wenigen Museen in Amsterdam, die regelmäßig junge Leute da haben, die sich für Geschichte und das Schicksal der Juden im zweiten Weltkrieg interessieren.

Warum haben Sie sich entschieden, den Kommentar auf Facebook zu veröffentlichen, wo nun abfällig darüber diskutiert wird?

Anne Marie Bekker ist Pressesprecherin des Anne Frank Hauses in Amsterdam.

Das ist unser normaler Vorgang; so wie wir es immer tun, wenn wir einen Promi ins Haus bekommen. Zum Beispiel war auch Whoopy Goldberg neulich da – ihr Gästebucheintrag steht auch auf der Seite. Wir veröffentlichen dort inzwischen auch den „Besucher der Woche“ mit Foto und Interview.

Glauben Sie denn, Anne Frank hätte sich tatsächlich für einen Teenie-Popstar wie Justin Bieber begeistern können?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. In ihrem Zimmer hat sie Bilder von Filmstars aufgeklebt – sie war jung und hat sich dafür interessiert. Aber sie haben immer auch historische Persönlichkeiten beeindruckt, sie hatte ein großes Interesse an Kunst und Geschichte.

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13 Kommentare

 / 
  • G
    grouchomax

    Ich denke nicht, dass durch den Gästebucheintrag des jungen Mannes irgendwer gehindert wird, sich tiefergehend mit Anne Frank und dem Holocaust zu beschäftigen.

     

    Abschreckend ist eher, wenn Bildungsphilister hier mit oberlehrerhaften Zensuren um sich schmeißen.

  • E
    Elias

    @ von Jan:

     

    Soso, Kanada ist also "das Land der unmöglichen Beschränktheiten"...

  • O4
    Ottilie 46

    von jan

     

    Woher wollen Sie wissen, dass Justin Bieber nichts weiter als diese Gedankenkette hatte?

     

    Und was heißt "NACH alL DEN Informationen über ihr Schicksal"?

     

    Meines Wissens ist Justin Bieber ein 19-jähriger kanadischer Pop-Sänger. Und wenn ich sehe, welche erschreckende Unwissenheit deutsche Journalisten und deutsche Blogger in Fall Anne Frank an den Tag legen, frage ich mich, mit welchem Recht von Justin Bieber das Kennen von "all den Informationen" verlangt wird.

     

    Das Leben von Anne Frank in der Prinsengracht war die letzte Station vor Westerbork, Auschwitz und Bergen-Belsen, also vor dem Weg in den Tod.

     

    Haben Sie mal einen Blick in das Buch von Miep Gies "Meine Zeit mit Anne Frank" geworfen? Darin finden Sie ein Foto, untertitelt mit -Das Zimmer von Anne Frank und Dr. Dussel mit Annes "Bildertapete" und dem Tisch, an dem sie ihr Tagebuch schrieb. -

     

    Und nun stellen Sie sich einen 19-jährigen kanadischen Pop-Sänger mit dem üblichen Schulwissen vor, der fast 50 Jahre nach dem II. Weltkrieg in London geboren wurde und der nun in dieses, für ihn vermeintlich normale Zimmer mit den ganzen Starfotos kommt. Ja, was für Gedankengänge erwarten Sie denn da?

     

    Ich kann mir jedenfalls durchaus vorstellen, dass in dieser gänzlich fremden Welt die Starfotos an der Wand für Justin Bieber sofort etwas Verbindendes, Vertrautes hatten. Schließlich verhalten sich seine Fans genauso wie es Anne Frank mit ihren Stars gemacht hat.

     

    Da halte ich seine Gedankengänge jedenfalls für absolut menschlich. Und mir imponiert es, dass dieser 19-Jährige aus einer Welt des Glamours sich bei bei einem Aufenthalt in Amsterdam die Zeit nimmt, um das Anne-Frank-Haus zu besuchen.

     

    Übrigens, wie oft waren Sie denn schon im Anne-Frank-Haus?

     

    Und wie oft haben Sie das Tagebuch der Anne Frank gelesen, von den Büchern solcher Autoren wie Pressler, Lee, Müller, Schnabel, Barnouw über Anne Frank ganz zu schweigen?

     

    Das hätte ich übrigens auch mal ganz gern von den Twitterern und den Journalisten gewußt.

     

    Und wenn das Sprichwort stimmt "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", so liegen in Deutschland momentan Berge von Glasscherben in den Zeitungs-Redaktionen und Internetforen.

  • M
    MartinM

    Ich muss zugeben, mein erster Gedanke war auch nicht schmeichelhaft für Bieber. Aber das Anne Frank nun in ihrer heutigen Altersgruppe bekannter wird, ist sicher erstmal eine gute Sache. Und: Bieber hätte in der Tat andere Dinge in Amsterdam machen können. Ich halte es auch für unfair, Promis grundsätzlich 100% Berechnung zu unterstellen.

  • J
    jan

    Ottilie, es stört doch nicht die Tatsache, dass Anne Frank ein normales Mädchen war.

    Was hier zutiefst anwidert ist doch die Gedankenkette, bei der dieser Show-Popanz aus dem Land der unmöglichen Beschränktheiten NACH all den Informationen über ihr Schicksal nichts weiter vorweisen kann als einen grauenvoll eitlen und nullempathischen Synapsenunfall: sie wäre heute sicher ein Fan von ihm gewesen.

  • MN
    Mein Name

    @Ottilie 46:

    Ein sehr guter Beitrag. Blamiert haben sich in erster Linie die Empörten.

     

    Im ersten Augenblick könnte man darüber lachen. Allerdings bleibt es einem auch sofort im Halse stecken. Denn die Erinnerung zu bewahren ohne kapiert zu haben, um was es eigentlich geht, spielt mittel- und langfristig nur denen in die Hände, die die Verbrechen leugnen, relativieren oder gar rechtfertigen.

  • O
    Ottilie46

    von Holkan

     

    Ich befürchte, Sie haben mich mißverstanden, und ich möchte dieses Mißverständnis unbedingt ausräumen. Ich habe in keiner Weise das Verhalten von Anne Frank kritisiert, sondern - im Gegenteil - darauf hinweisen wollen, dass sie ein ganz normaler Teenager war, der seine persönlichen Interessen und Schwärmereien hatte, wie sie Mädchen dieses Alters zu allen Zeiten hatten und haben.

    Mit Ihrem Versuch, unbedingt aus dem ganz alltäglichen Mädchen Anne Frank eine historische Persönlichkeit machen wollen, die die Bedeutung eines Justin Bieber in den Schatten stellt, vergleichen Sie Äpfel mit Birnen und lassen überdies die fröhliche lebensbejahende Anne Frank aus den Anfängen ihres Tagebuchs noch einmal sterben.

    Das ist doch gerade die Tragik dieses Mädchens, dass es mit seinem Sterben eine solch traurige Berühmtheit erlangt hat.

    Anne Frank wollte so gern als Schriftstellerin berühmt werden, und tragischerweise ist ihr das durch ihrem Tod und ihr danach bekannt gewordenes Tagebuch gelungen.

    Daraus jedoch einen Kult zu machen, um einen jungen Mannn von heute in die Schranken zu weisen, der nur um weniges älter ist als es Anne Frank bei ihrem Tod

    war, halte ich - mit Verlaub zu sagen - für eine ziemliche Geschmacklosigkeit, genauso wie Ihre Unterstellung, Justin Bieber wäre von seinem Management in das Anne-Frank-Haus geschickt worden.

    Und wer sind wir, dass wir vorschreiben dürfen, wie demutsvoll (und warum überhaupt?) sich ein junger Mensch von heute im Anne-Frank-Haus zu verhalten hat?

     

    Ich hatte jedenfalls nur den Eindruck gewonnen, dass hier ein junger Bursche von heute die Gefühle des jungen Mädchens von damals sehr genau verstanden hat und dieses ganz spontan mit seiner Eintragung in das Gästebuch zu Ausdruck brachte.

     

    Und ich hoffe sehr, dass Justin Bieber Nachahmer findet. Besser kann man nämlich Anne Frank gar nicht ehren.

     

    Ach doch, und indem man das Tagebuch der Anne Frank überhaupt erst einmal liest!

  • H
    Herbert

    Ein kleiner eitler Wichtigtuer, der tatsächlich annimmt, er ist der Nabel der Welt!

    Fast könnte ich Mitleid haben, denn er hatte den Spruch ohne Zweifel gut gemeint.

  • A
    ama.dablam

    @lui: essen sparen, in den Spiegel schauen...

  • RX
    Rojin Xanko

    Vorweg: Pro Bieber!

    Und: Zornig!

     

    @Lui

    Warum so verdammt feindselig und zynisch?

    Haben Sie den Löffel der Weisheit gepachtet, was den Umgang mit Vergangenem betrifft? Sie unterscheiden sich so gar nicht von diesen vielen anderen hämischen Kommentatoren in den einschlägigen Foren.

    Sie drücken ihre Erschütterung folgendermaßen aus:

    "ich kann gar nicht soviel essen wie ich kotzen möchte." Ach wissen Sie, das erwartet auch gar keiner, Ihre Dauer-Kotzfähigkeit interessiert auch niemanden. Viel schlimmer ist, dass Sie offenbar andere Formen der Auseinandersetzung mit Vergangenem nicht tolerieren, insbesondere die eines berühmten Jugendlichen, der es gewagt hat, sich mit einem aufrichtigen (davon sollte man mal ausgehen, denn nicht alles ist ironisch, eitel oder dient der Umsatzsteigerung) Eintrag in das Museums-Gästebuch des Anne Frank-Hauses zu "verewigen".

    Anne Frank war ein junges Mädchen, das sehr wohl typische Teenager-Interessen hatte, was der Vor-Kommentar von Ottilie 46 gut zusammenfasst.

    Wenn er sich also wünscht, dass Anne Frank auch ein Fan bzw."Belieber" gewesen wäre, ist das doch voll in Ordnung. Auch wenn sie es nicht gewesen wäre und stattdessen lieber andere Musik gehört hätte...

    Ach "Hätte hätte, Fahradkette"! Darum geht es doch gar nicht! Vielmehr verdeutlicht der Gästebucheintrag Biebers Anteilnahme an Anne Franks Schicksal, die miteinschließt, dass er mit seiner Musik u.a. andere glücklich machen möchte, ihr gerne was mitgegeben hätte. Es ist seine Form der persönlichen Verarbeitung. Punkt.

    Ich frage mich ernsthaft, warum Biebers Kommentar so viele Anfeindungen hervorruft. Keiner von uns kannte doch Anne Frank und weiß, wie sie gefühlt hätte. Ich bin Bieber für seinen Eintrag sogar dankbar, weil es die Erinnerung an Anne Frank auf andere Weise lebendig hält, er seine Fantasie/ Wünsche miteinbezieht. So funktioniert Erinnern nun einmal. Ihm Böses zu unterstellen ist wiederum fast schon böse.

    Allen Leuten, die sich für besonders nobel halten, Bieber anzufeinden und scheinbar genau wissen, wie Erinnerung auszusehen hat, sei gesagt: Ihr zielt auf den Falschen!

     

    Ich kann mich dem Museum nur anschließen und FREUE MICH AUCH SEHR - sogar über die Idee (ach danke Lui!), ein respektvolles Popkonzert in Ausschwitz zu besuchen, ernsthaft!

  • H
    Holkan

    Hallo Ottilie, warum sollte Frank nicht auch jugendliche Schwärmereien gehabt haben, niemand zieht das in Zweifel. Abstoßend ist doch nicht das eventuelle Verhalten von Frank, sondern das Verhalten von Bieber: Er hat leider nicht begriffen, dass Frank eine historische Persönlichkeit ist, deren Bedeutung die eines Biebers bei weitem in den Schatten stellt. Seine Sympathie auszudrücken indem man sagt: "Ich hoffe, sie findet/fände mich toll" zeugt von einer geistigen Schlichtheit, die seinesgleichen selbst in der Popwelt sucht. Und es zeigt, dass er wohl von seinem Management dahingeschickt wurde. Wäre er selber drauf gekommen, hätte er wohl mehr Demut an den Tag gelegt.

  • L
    lui

    was danach? vielleicht ein popkonzert von bieber in auschwitz. posthum alle opfer zu hopefully belieber machen.

    ich kann gar nicht soviel essen wie ich kotzen möchte.

  • O4
    Ottilie 46

    Justin Bieber und die Frage "Wer ist hier ein Dummkopf"?

     

    Ich habe heute mit einiger Bestürzung die üblen Beschimpfungen Justin Biebers gelesen. Meine Enkel sind älter als Justin Bieber, und so nehme ich an, keinesfalls in den Verdacht zu geraten, ein "Belieber" zu sein.

    Aber die Dummheit und Ignoranz diesr Schreiberlinge auf Twitter und auch in der Presse (WELT-online, Spiegel-online und natürlich BILD) können einem schon die Schamesröte ins Gesicht treiben.

    Ganz offensichtliche hat keiner dieser Schmierfinken jemals das Tagebuch von Anne Frank gelesen bzw. das Anne-Frank-Haus besucht.

    Anne Frank war ein Mädchen wie jedes andere 13-, 14-, 15-jährige Mädchen auch, das sich z.B. für Jungen interessierte (Tagebucheintragung 15.Juni 1942: Maurice Kostner ist einer von meinen vielen Verehrern,... Rob Cohen war auch verliebt in mich. Tagebucheintragung 20.Juni 1942: Sobald mich ein Junge fragt, ob er mit mir nach Hause radeln darf, und wir ein Gespräch anfangen, kann ich in neuen von zehn Fällen damit rechnen, dass der betreffende Jüngling sofort in Feuer und Flamme zu geraten, und mich nicht mehr aus den Augen läßt. Nach einiger Zeit legt sich die Verliebtheit wieder,...)

     

    Anne Frank träumte davon, eine berühmte Schauspielerin zu werden (ihre Fotos beurteilte sie z.B. in ihrem Tagebuch unter dem Aspekt, welche Chancen ihr diese für Hollywood eröffnen) und sammelte fleißig Starpostkarten, die sie auch an der Wand ihres Zimmers im Hinterhaus anbrachte (Tagebucheintragung 11. Juli 1942: Dank Vater, der meine ganzen Postkarten- und Filmstarsammlungen schon vorher mitgenommen hatte, habe ich mit Leimtopf und Pinsel die ganze Wand bestrichen und aus dem Zimmer ein einziges Bild gemacht.

    Sicher hat Justin Bieber bei seinem Besuch im Anne-Frank-Haus die einzelnen Überreste dieser Karten gesehen (die jedenfalls vor Jahrzehnten noch an der Wand zu sehen waren) und bei seinem Rundgang auch erfahren, was es damit auf sich hat. Seine Eintragung in das Gästebuch ist für mich nur ein Beweis, wie ernsthaft er sich mit Anne Frank befaßt hat.

    Und vielleicht würde Anne Frank, wenn sie heute als Teenager lebte, tatsächlich für Justin Bieber schwärmen.

     

    Wenn sich hier jemand blamiert hat, dann sind es die Journalisten mit solchen Äußerungen wie "Popstar Justin Bieber | Dumm-Anfall im Anne-Frank-Haus"(BILD) oder "Justin Bieber blamiert sich im Anne-Frank-Haus" (Spiegel-online). Von den primitiven und von keiner Sachkenntnis getrübten Twittereintragungen will ich gar nicht erst reden.

     

    Aber Leuten mit solchem unterirdischen geistigen Niveau die Lektüre des Tagebuchs der Anne Frank zu empfehlen, hieße vermutlich Perlen vor die Säue zu schmeißen!